Hassan Akkouch

„Hatte immer das Gefühl, ich muss besser sein als andere“

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Hassan Akkouch kam 1990 als Bürgerkriegsflüchtling aus dem Libanon nach Berlin. Er wuchs in Neukölln auf, wo er heute wieder lebt.

Hassan Akkouch kam 1990 als Bürgerkriegsflüchtling aus dem Libanon nach Berlin. Er wuchs in Neukölln auf, wo er heute wieder lebt.

Foto: Sergej Glanze / FUNKE Foto Services

Schauspieler Hassan Akkouch wurde durch seine Rolle in der Serie „4 Blocks“ bekannt. Nun spielt er in „WAPO Berlin“ einen Kommissar.

Kartoffelbrei, Kartoffelpuffer, Kartoffelsalat. Einfach alles, was man mit Kartoffeln kochen könne, werde es geben, wenn er eines Tages die deutsche Staatsbürgerschaft erhalte, sagt Hassan Akkouch in „Neukölln Unlimited“. 2010 begleiteten die Filmemacher Agostino Imondi und Dietmar Ratsch die Geschwister Hassan, Lial und Maradona in ihrem Berliner Kiez.

Die Kamera dokumentiert den Familienalltag der libanesischen Bürgerkriegsflüchtlinge, den zermürbenden Kampf mit der Ausländerbehörde und die Bemühungen der drei Jugendlichen, als professionelle Tänzer das Auskommen der Familie und damit das Bleiberecht zu sichern.

Hassan Akkouch, der heute als Schauspieler am Theater und durch die Serie „4 Blocks“ bekannt ist, war damals 18 Jahre alt und stand kurz vor dem Abitur. Auf seine Kartoffelparty musste er noch bis zum 14. Februar 2017 warten. Nach 27 Jahren wurde er in Deutschland eingebürgert.

Hassan Akkouch spielt jetzt eine Hauptrolle in „WAPO Berlin“

Drei Jahre später spielt Hassan Akkouch die Hauptrolle in einer deutschen Krimireihe und kann damit offiziell auch als filmisch vorbildlich integriert gelten. TV-Kommissar, der Adelstitel unter den Rollenangeboten, mehr kann ein Schauspieler im deutschen Filmgeschäft kaum werden.

Als Kriminaloberkommissar Fahri Celik ist der Berliner seit dem 28. Januar jeden Dienstag um 18.50 Uhr in „WAPO Berlin“ zu sehen. An seiner Figur mag Akkouch den Witz und die Ambivalenz: auf der Wache wie ein kleines Kind, im Einsatz dann ganz seriös. Mit Sesede Terziyan als Chefin des Pilotprojekts Wasserkriminaldezernat Eins der Wasserschutzpolizei Berlin, Kriminalhauptkommissarin Jasmin Sayed, bemüht sich die ARD um Modernität und Diversität am Vorabend.

Hassan Akkouch stellt als Schauspieler meist Ausländer oder Verbrecher dar

„Meiner Mama konnte ich sagen: Jetzt renne ich mal nicht weg, sondern hinterher. Es ist schon cool, mal auf der anderen Seite zu stehen“, sagt Hassan Akkouch über seine Besetzung. Dass er als Schauspieler mit arabischen Eltern im deutschen Film meist Ausländer und häufig Verbrecher darstellen werde, habe ihm schon seine erste Agentur gesagt. Für Akkouch ist diese Schublade kein Problem. „Es kommt nicht darauf an, was ich spiele, sondern wie ich es spiele.“

Nur Substanz müsse eine Rolle haben. So wie als Drogendealer Maruf Hamady, der in der zweiten Staffel von „4 Blocks“ zwangsverheiratet werden soll oder als ehemaliger Krankenpfleger und Asylbewerber Nabil in der preisgekrönten Serie „Hindafing“. Im Theater ist Hassan Akkouch aktuell in „Howl“ von Allen Ginsberg an der Volksbühne und in „Tiefer Schweb“ von Christoph Marthaler in den Münchner Kammerspielen zu sehen. 2017 wurde er mit dem Förderpreis des Vereins zur Förderung der Münchner Kammerspiele, 2018 mit dem Fernsehfilmpreis der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste ausgezeichnet.

Zur Schauspielerei kam Hassan Akkouch beiläufig

Dabei hatte Akkouch eigentlich ganz andere Karrierepläne. Als Jugendlicher rappte und tanzte er, brachte es zum deutschen Breakdance-Meister und trat im Wintergarten, im Hebbel am Ufer, an der Schaubühne und im Zirkus Magnifico von André Heller auf. „Ich habe mich früher überhaupt nicht für Filme interessiert. Ich habe nur getanzt“, sagt er. „Wenn ich ins Kino gegangen bin, dann nur, um Mädchen klarzumachen.“

Zur Schauspielerei kam er schließlich eher beiläufig. Bekannte empfahlen ihn an eine Agentur, Akkouch bewarb sich an der Otto Falckenberg Schule und zog für sechs Jahre nach München. „Ich habe gesagt, ich studiere jetzt Schauspiel, aber eigentlich wollte ich mich selber finden“, so Akkouch. Möglichst weit weg von der Verantwortung für die Familie. Sich endlich einmal auf sich selbst konzentrieren.

Wie der Sohn zuvor für seine Geschwister und seine Mutter kämpfte – finanziell und als moralische Instanz – ist ebenfalls in „Neukölln Unlimited“ dokumentiert. Wie auch das Trauma der Abschiebung in ein Land, das nicht seine Heimat ist. Seine Mutter litt seit dem Tag im Jahr 2003 an Epilepsie, seine Schwester wurde magersüchtig. Hassan Akkouch versuchte, die Familie nach der Rückkehr nach Berlin zusammenzuhalten.

Hassan Akkouch engagierte sich ehrenamtlich als Breakdance-Trainer

Nicht immer mit Erfolg. Nebenbei engagierte er sich ehrenamtlich als Breakdance-Trainer in einem Jugendclub. „Ich hatte immer das Gefühl, ich muss besser sein als die anderen“, sagt er. Trotzdem blieb ihm manches verwehrt. So wie die eins in Deutsch. Die hätte schließlich bedeutet, dass er besser in dem Fach sei als mancher deutsche Mitschüler – und das könne schließlich nicht sein.

Hassan Akkouch haben diese Grenzen nicht bitter werden lassen. Anders als einige seiner Geschwister. Bis heute haben nicht alle Brüder eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in Deutschland. Er habe immer auch das Gefühl gehabt, im Leben ein bisschen mehr abbekommen zu haben als andere, sagt Hassan Akkouch. „Und das ist eine Verantwortung. Ich habe Talent. Das habe ich immer als Privileg gesehen: Du kannst etwas, also geh damit richtig um.“

Hassan Akkouch gehörte zum festen Ensemble der Münchner Kammerspiele

In München fand Akkouch sich selbst und seine Liebe zur Sprache. Er habe angefangen zu lesen und das politische Theater als seine Leidenschaft entdeckt. Seit 2015 gehörte er zum festen Ensemble der Münchner Kammerspiele und stand dort in „Der Kaufmann von Venedig“, „La Sonnambula“ und „Der Fall Mersault – Eine Gegendarstellung“ auf der Bühne.

Seit eineinhalb Jahren wohnt Hassan Akkouch wieder in Berlin. In Britz, direkt gegenüber dem Jugendclub, in dem er einst zu tanzen anfing. Er habe schon überlegt, dort Schauspielunterricht anzubieten, sagt der 32-Jährige. So ganz könne er eben doch nicht aus seiner Haut. Er habe erlebt, dass er für schwierige Jugendliche ein Vorbild sein könne. Wichtig sei, ihnen zu vermitteln, dass er den Drogendealer in „4 Blocks“ so überzeugend gespielt habe, weil er studiert habe, nicht weil er tatsächlich Erfahrung auf diesem Gebiet gesammelt habe.

Die erfolgreiche Serie über den kriminellen Hamady-Clan in Neukölln hat dennoch Berührungspunkte mit dem Umfeld, in dem Hassan Akkouch aufgewachsen ist. „Ich konnte mich fallen lassen in etwas, das ich kenne“, sagt er. Eigentlich müsse das bei jeder Rolle so sein. „Dass man sie spielt, als hätte man nie etwas anderes gemacht.“

Dass ihm die Rolle des Polizisten derartig in Fleisch und Blut übergeht, daran arbeitet Hassan Akkouch auch in diesem Jahr weiter. Die zweite Staffel „WAPO Berlin“ ist bereits in Planung. Für den Hauptdarsteller bedeutet diese Sicherheit vor allem Entspannung. Gekämpft hat er schließlich lange genug.

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