Berlin. Der Berliner Schauspieler Jannik Schümann beweist in der zweiten Staffel “Charité“, dass er nicht nur schön ist.

Nach dem Ausnahmeerfolg der ARD-Serie „Charité“ im Frühjahr 2017 war lange nicht klar, ob es eine Fortsetzung geben wird. Die Handlung der ersten Staffel ist in sich geschlossen, deshalb überlegten sich die Macher der Produktion eine Wendung. Die zweite Staffel (ab 19. Februar, 20.15 Uhr) spielt 60 Jahre später als ihr Vorgänger. Ein komplett neues Ensemble wird 1943 mit den Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges und den Gewissensfragen von Medizin im Nationalsozialismus konfrontiert. Die Konstante: Im Zentrum steht wieder das älteste Krankenhaus Berlins, die titelgebende Charité. Wir haben mit Schauspieler Jannik Schümann (27) darüber gesprochen, welcher Sucht er während der Dreharbeiten verfallen ist und warum er nicht der „schönste Mann“ Berlins sein will.

In der Serie spielen Sie einen Medizinstudenten, abseits der Fiktion studieren Sie an der Berliner Humboldt-Universität Anglistik und Medienwissenschaften. Bleiben Sie Ihrer Wahl weiterhin treu oder haben Sie die Naturwissenschaften neugierig gemacht?

Jannik Schümann: In der Schule habe ich immer versucht, die Naturwissenschaften loszuwerden. Physik und Chemie habe ich sehr schnell abgewählt. Meine Faszination dafür hält sich also in Grenzen. Trotzdem war es natürlich sehr spannend zu sehen, wie Amputationen und andere anatomische Eingriffe beim Dreh umgesetzt werden. Um eine Operation an meinem Bauch zu filmen musste zum Beispiel ein Abdruck meines Oberkörpers gemacht werden. Dafür lag ich eine Stunde lang auf dem Boden während das Silikon auf mir hart wurde. Anhand des Abdrucks konnte mein Bauch exakt nachgebildet werden – mit jedem Leberfleck an der selben Stelle. An diesen Schichten wird dann beim Dreh rumgeschnitten, während ich darunter liege und zum Glück gar nichts spüre.

Die Serie spielt in den letzen beiden Jahren des Zweiten Weltkriegs, sie zeigt Medizin in einer apokalyptischen Zeit. Welche Konflikte der Geschichte sind Ihnen besonders nahe gegangen?

Der Kampf der Mutter, gespielt von Mala Emde, ihr behindertes Kind behalten zu wollen, um es vor der Euthanasie zu bewahren, ist uns allen natürlich nahegegangen. Außerdem war es spannend, die Liebesgeschichte zu spielen, in die meine Figur, Otto, hineingerät – sie erzählt von einer Leidenschaft, die damals einfach nicht sein durfte.

Ulrich Noethen, Jannik Schümann und Pierre Kiwitt (v.l.) in „Charité“.
Ulrich Noethen, Jannik Schümann und Pierre Kiwitt (v.l.) in „Charité“. © Julie Vrabelova/ARD | ARD

Bisher waren Sie eher auf die Rollen des bösen Snobs festgelegt. Als man die ersten Bilder von Ihnen in Nazi-Uniform sah, war zu vermuten dass Sie wieder den Fiesling geben.

Ich bin dieses Mal tatsächlich ein Guter. Meine Figur darf aus dem Krieg heimkehren, um sein Medizinexamen nachzuholen, weil es Ärztemangel an der Front gibt. Otto hadert sehr mit den Gedanken, zurück ins Gefecht zu müssen. Er steht absolut nicht hinter der Nazi-Ideologie und versucht auch auf seine Angehörigen diesbezüglich einzuwirken. Als Zuschauer folgt man ihm mit dem Herzen, weil er eigentlich die schönsten Werte hat.

Sie gehören zu den Künstlern der jüngeren Generation, die in sozialen Netzwerken immer wieder zu Demonstrationen aufrufen und politische Kommentare einstreuen. Wo sehen Sie Möglichkeiten und Grenzen von Prominenten, die ihre Haltung artikulieren wollen?

Es ist nicht unsere Aufgabe, auf Instagram nur jedes neue Shampoo zu bewerben. Wir haben eine große Anzahl von Menschen, die unsere Profile verfolgen, und das bringt auch die Verantwortung mit sich, diese Plattform sinnvoll zu nutzen. Und wenn ich meine Reichweite dafür einsetzen kann, Aufmerksamkeit für wichtige politische Statements zu schaffen, dann sehe ich da erst mal keine Grenzen.

Im Rahmen des „Charité“-Drehs haben Sie vier Monate lang in Prag gedreht und gelebt. Wie haben Sie diese Zeit in Erinnerung?

Ich habe in der Zeit mit den Kollegen in einem Apartmenthotel gewohnt, jeder von uns hatte eine etwa 50 Quadratmeter große Wohnung. Links von mir wohnte Artjom Giltz, rechts von mir wohnte Mala. Über mir war Luise Wolfram und unter mir Jacob Matschenz und Frida-Lovisa Hamann. Das hat sich wie eine riesige WG angefühlt. Wir sind auch mal in Unterhose oder im Pyjama in das Zimmer des anderen rübergelaufen und haben am Abend zusammen Filme geschaut. Nach wenigen Tagen sind wir bereits eng zusammengewachsen und haben schnell herausgefunden, dass wir die selben Vorstellungen von Leben haben.

Sie haben auch noch eine andere Gemeinsamkeit ...

Ja, Jacob Matschenz und Hans Löw haben den Rest mit einem Skat-Fieber angesteckt. Zusammen mit Mala und Luise hatten wir eine geheime Runde. Wir waren so süchtig, das war schon nicht mehr feierlich. Wir hatten ständig unser Skatblatt in den Arztkitteln. In unseren Wohnungen, im Film-Krankenhaus, im Bunker: Kaum war eine Szene abgedreht, ging es wieder los. Noch auf der Autofahrt zurück nach Deutschland haben wir Skat gespielt.

2018 war ein erfolgreiches Jahr für Sie, Sie haben einen Kinofilm in Portugal gedreht und mit Paul W. Anderson in Südafrika gearbeitet. Zudem werden Sie bald an der Seite von Keira Knightley in „The Aftermath“ zu sehen sein. Merken Sie, dass viele Kollegen neidisch auf Sie sind?

Nein, das spüre ich nicht, zumindest nicht offen. Durch die vielen Streamingportale gibt es sehr viele Kollege, die in den letzten Jahren genauso viele tolle internationale Angebote bekommen haben. Ich überlege gerade, ob ich mal neidisch war ...

Man ist ja nie ganz frei davon.

Das stimmt. Aber sobald ich mal ganz kurz neidisch bin, verurteile ich mich immer sofort und denke: Mensch, Jannik, es ist doch alles gut bei dir. Dann konzentriere ich mich wieder darauf, dass gönnen können viel schöner ist.

Sie wurden von einem lokalen Szenemagazin zum „schönsten Mann Berlins gewählt“. Nervt es Sie manchmal, so oft auf Ihr Aussehen reduziert zu werden?

Ja, weil es mir öfter schon Nachteile gebracht hat. Aber zuerst möchte ich anmerken, dass ich natürlich ein ganz anderes Selbstbild habe. Ich finde mich gar nicht so wahnsinnig gut aussehend. Aber 2017 habe ich hintereinander eine ganze Reihe von Absagen bekommen, mit der Begründung, dass ich zu schön für die Rolle sei. Man würde mir nicht glauben, leiden zu können. Weil mit einem Aussehen wie dem meinen könne das Leben ja nicht so hart sein. Ich fand wirklich schade, dass man mir damals diese Rollen nicht zugetraut hat. Zum Glück kamen dann Stoffe wie „Charité“, in denen ich sie vom Gegenteil überzeugen kann. Ich habe in der Vergangenheit sehr gerne den Antagonisten gespielt und auf viele spannende und skurrile Arten gemordet – aber ich freue mich, jetzt einmal Figuren darzustellen, bei denen die Zuschauer mit dem Herzen mitgehen.