Berlin. Rick Okon, das ist einer dieser Namen, der, wenn es der Träger zum Schauspieler oder Musiker bringt, von dessen Kollegen und Journalisten oft für einen brillanten Künstlernamen gehalten wird. Es ist aber auch ein Name, der, Anfang der 90er-Jahre in Schwedt/Oder an der polnischen Grenze – dort, wohin die Deutschen damals zum Tanken und Zigarettenkaufen fuhren –, für einen kleinen Jungen mit Scham verbunden sein konnte. „Ich mochte meinen Namen als Kind nicht besonders“, sagt der heute 29-Jährige. Okon komme aus dem Polnischen und bedeute „Barsch“. „Niemand hieß so, und jeder hat es falsch ausgesprochen.“
Dass der Name Rick Okon derzeit in aller Munde ist, dafür sorgen zwei prominente Hauptrollen, in denen der Wahlberliner seit Ende letzten Jahres zu sehen ist: als Kapitänleutnant Klaus Hoffmann in der aufwendigen Sky-Serie „Das Boot“ und als neuer Kriminalhauptkommissar Jan Pawlak im Dortmunder „Tatort“. Für die Weitererzählung von Wolfgang Petersens Kultfilm „Das Boot“ aus dem Jahr 1981 gab es für das Team um Okon bereits vor dem Erscheinen einen GQ Award und später neun Nominierungen für den Deutschen Fernsehpreis. Für den Schauspieler „eine schöne Anerkennung, aber es ist nicht so, dass ich Tag und Nacht danach strebe“. Vielmehr wünsche er sich von seinem Job, sich „in verschiedenen Rollen selbst zu entdecken“, sich „dadurch auszudrücken“ und – vielleicht liegt das auch an seiner Geschichte und an seinem Namen – seine Zurückhaltung abzuschütteln. „Als ich zum ersten Mal gespielt habe, hatte ich das Gefühl, etwas gefunden zu haben, womit ich meine Schüchternheit überwinden kann“, sagt Okon. „Es hat in mir ein Gefühl von Glück und Erfüllung ausgelöst. Ich würde es sogar als Berufung bezeichnen!“
Als er neun Jahre alt war, zog die Mutter mit ihm und seinem älteren Bruder für einen neuen Job nach Hamburg. Die Eltern hatten sich getrennt, als er noch sehr klein war. In der neuen Stadt sei er in der Schule erst einmal der Ossi mit Brandenburger Schnauze gewesen, erinnert sich Okon. In seiner Familie war er der Erste und Einzige, der nach einer künstlerischen Laufbahn strebte. Zur Schauspielerei kam der Junge über einen Familienfreund, der als Caster arbeitete und bis heute zu seinen engsten Beratern zählt. Ab 2005 nahm Rick Okon Schauspielunterricht an der New-Talent-Schauspielschule in Hamburg, von 2010 bis 2014 studierte er Schauspiel an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf in Potsdam, 2006 stand er erstmals für eine Episodenrolle in der Serie „Großstadtrevier“ vor der Kamera. Es folgten Engagements bei „Letzte Spur Berlin“, „Soko“, „Notruf Hafenkante“ und 2016 im Kölner „Tatort: Kartenhaus“, der ihm gemeinsam mit Ruby O. Fee als Bonnie-&-Clyde-Pärchen viel Aufmerksamkeit einbrachte.
Nun also zwei Hauptrollen. Trotzdem scheint der Schauspieler seinem Erfolg noch immer nicht richtig trauen zu wollen. Er halte sich nicht für übermäßig begabt, sagt er, dass viel Glück dabei sei und dass es im Leben keine Garantie gebe: „Ich versuche jedes Mal wieder aufs Neue, mit Liebe und Leidenschaft alles zu geben, damit Menschen mir die Berechtigung geben, in ihren Filmen mitspielen zu dürfen.“
Schauspielerei, so erzählt es Okon, sei für ihn jedes Mal wieder ein Kampf. Weil er viel Persönliches in seine Rollen gebe und sich so vor dem gesamten Filmteam offenbare. „Man muss sich immer wieder seinen Ängsten und Gefühlen stellen und sich vor fremden Leuten öffnen“, sagt er. Die Vorbereitungszeit sei für ihn deshalb immer sehr intensiv, er brauche Zeit, sich einer Figur anzunähern und sich auf sie einzulassen. Im Fall von „Das Boot“ habe er Musik verwendet, um sich in bestimmte Gefühlslagen zu versetzen, und monatelang Geschichtsbücher gelesen. Trotzdem könne er sich das klaustrophobische Gefühl an Bord und die Kriegsbegeisterung der Besatzung bis heute nicht annähernd vorstellen.
"Ich bin beruflich in einer sehr spannenden Phase"
Wenn er nach einem Drehtag das Gefühl habe, er habe nicht das transportieren können, was er sich vorgestellt habe, lasse ihn das oft tagelang nicht los. „Man kann nicht immer Höchstleistung bringen, man ist ja kein Roboter“, sagt er. „Ich möchte aber jeder meiner Rollen gerecht werden. Wenn ich merke, es ist nicht wahrhaftig genug, dann beschäftigt mich das.“ Unterstützung bekommt Rick Okon in solchen Momenten von seiner Freundin, die auch als Schauspielerin arbeitet. Beide lernen gemeinsam Text, tauschen sich über die Auslegung einer Rolle aus und schauen sich seine Filme häufig zum ersten Mal gemeinsam an. „Es hilft mir sehr, jemanden zu haben, mit dem ich mich über die von außen oft absurd anmutenden Probleme des Jobs austauschen kann“, sagt Okon.
Die rein äußeren Umstände betrachtet, dürfte sich Okon derzeit jedenfalls ein paar Sorgen weniger machen. „Das Boot“ wurde bereits um eine zweite Staffel verlängert, der „Tatort“ gebe ihm, nach eigenen Angaben, Planungssicherheit, eine finanzielle Struktur und die Möglichkeit, seine Figur in Zukunft noch mit einer bisher verborgenen Seite auszustatten. „Ich bin beruflich in einer sehr spannenden Phase meines Lebens“, stellt Okon dann auch selbst fest. „Privat bin ich schon sehr lange sehr glücklich.“
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