Berlin. Katrin Sass spricht im Interview über ihr Leben nach dem Absturz, spirituelle Gedanken und die Liebe zu sich selbst.

Nach großen Rollen wie in „Goodbye Lenin!“ und „Weissensee“ ist Schauspielerin Katrin Sass (62) seit 2014 das Gesicht der „Usedom-Krimi“-Reihe, aus der es ab Donnerstag (20.15 Uhr, ARD) wieder drei neue Folgen zu sehen gibt. Sass hat geschafft, woran sie selbst nicht mehr geglaubt hat: ein Leben und eine Karriere nach dem Alkohol. Seit ihrem 19. Lebensjahr war sie abhängig, konnte sich dann im Jahr 1998 selbst aus der Sucht befreien. 20 Jahre Trockenheit, das feiert die Wahl-Berlinerin nun jedes Jahr mit einem zweiten Geburtstag. Sie ist angekommen, macht sich Gedanken über Gott, die Welt und das Leben danach.

Frau Sass, wie gefällt Ihnen die Entwicklung Ihrer Figur, der Ex-Staatsanwältin Karin Lossow im „Usedom-Krimi“?

Katrin Sass : Beim „Usedom“-Krimi haben die starken Frauen das Sagen. Ich habe immer gesagt: Wir sind eine Familiengeschichte, wo jeder so seine Probleme hat und nebenbei passiert mal was für die Kommissarin. Ich bin gespannt, wie es mit Karin Lossow weitergeht. Meine Figur hat acht Jahre gelitten, sie saß im Knast, weil sie ihren Mann umgebracht hat und jetzt stirbt auch noch ihre Tochter. Das ist schon eine Menge. Ich frage mich manchmal, wie man das spielen soll.

Wie gehen Sie persönlich mit dem Thema Tod um?

Ich beschäftige mich sehr viel damit. Mich interessiert derzeit vor allem das Danach. Ich gehe gerade immer tiefer in die Materie, versinke fast darin. Ich muss schon aufpassen, dass ich da nicht völlig wegschwimme. Ich glaube nicht an Zufälle. Auch wenn es manchmal schwer auszuhalten ist, finde ich die Frage, was nach dem Tod kommt, sehr spannend. Ich bin gerade in solchen Sphären unterwegs.

Das klingt spirituell.

Ja. Das kam bei mir automatisch, nachdem ich aufgehört hatte zu trinken. Ich hatte einen solchen Zusammenbruch, war dem Tode näher als dem Leben. Doch dann half mir etwas Spirituelles, da rauszukommen. Um es mit „Alexis Sorbas“ zu sagen: ‚Wer nicht am Abgrund steht, dem wachsen keine Flügel.‘ Man kann keinem Alkoholiker helfen, du musst das alleine schaffen. Entweder passiert es oder eben nicht. Bei mir ist es passiert. Mir sind die Flügel gewachsen. Ich verstehe jetzt, was für ein Erwachen das war.

Sind Sie ein religiöser Mensch?

Religiös zu sein hat etwas mit Religion zu tun. Ich möchte aber nicht in eine Abhängigkeit geraten. Religionen sind doch auch manchmal sehr veraltet. Wenn die Kirche ein Problem mit Homosexuellen oder mit einem Pfarrer hat, der sich scheiden lässt und ein zweites Mal heiraten möchte, damit komme ich nicht klar. Wenn es etwas Göttliches gibt, dann nenne ich es „Om“. Wie der Neurologe Eben Alexander, der über sein Nahtoderlebnis ein Buch geschrieben hat. Ich habe mich in der letzten Zeit ganz stark mit Nahtoderfahrungen beschäftigt, weil ich das so spannend finde. Ich glaube wirklich, dass es da etwas zwischen Himmel und Erde gibt, das ich nicht beschreiben kann. Ich habe es aber gespürt, eine Art Energie. Es hat mich damals gerettet. Nachdem herauskam, dass ich Alkoholikerin bin, dachte ich, jetzt ist alles vorbei. Obwohl ich schon längst trocken war. Du bist eine Frau, kommst aus dem Osten und heißt nicht Juhnke. Keine Chance mehr. Und dann fiel die Rolle in „Goodbye Lenin!“ vom Himmel und es ging wieder bergauf.

Sie haben 2018 erstmals zwei Geburtstage gefeiert.

Eigentlich wollte ich nur auf meinem kleinen, neuen Grundstück auch mal eine Sommerparty geben. Mein Geburtstag ist ja erst im Oktober. Dann fiel mir dieses Jubiläum ein: 22. Juli, 20 Jahre Trockenzeit. Es soll so sein, dass ich das nie vergesse. Deshalb werde ich nun jedes Jahr zwei Geburtstage feiern, einen im Juli, einen im Oktober.

Wie gehen Sie heute mit Freundschaften um?

Ich habe nicht mehr so viele Freunde wie früher. Damals waren Freundschaften oberflächlicher, was sicher auch mit dem Alkohol zu tun hatte. Diejenigen, mit denen ich zusammen getrunken habe, sind ja heute alle weg. Nur ein echter Freund aus der Zeit ist geblieben, der lebt jetzt in der Schweiz. Und es gibt noch ein paar andere, die ich auch als Freunde bezeichnen würde. Ich sage das Wort Freundschaft heute aber nicht mehr so leicht. Ich brauche keine 15 engen Freunde mehr, heute reichen drei. Aber diese Freundschaften sind dann intensiv.

Wie viel Raum geben Sie der Liebe in Ihrem Leben derzeit?

Ich frage mich gerade, was Liebe eigentlich ist. Sie ist unglaublich wichtig. Wenn man es schafft, sich selber zu lieben, kann man Liebe geben. Nach der Scheidung habe ich mich damals in eine neue Beziehung geradezu gestürzt, bloß nicht allein sein. Das musste schiefgehen. Heute weiß ich, wie wichtig allein sein ist und wie gut es tut.

Würden Sie einen neuen Partner an Ihrer Seite zulassen?

Ich habe keine Ahnung. Mal schauen. Wenn das passieren sollte, dann aber nicht in der gleichen Wohnung (lacht). Ich brauche meine eigenen vier Wände.

Sind Sie jetzt an einem Punkt, an dem Sie sich selbst lieben können?

Das kann ich noch nicht hundertprozentig sagen. Es kommen immer wieder die Momente, in denen man abstürzt. Aber es ist viel besser geworden. Ich kann in den Spiegel schauen und sagen: Alles ist in Ordnung.

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