Berlin. In seiner Rolle als Winnetou wurde er bekannt. Diese Woche startet seine neue Fernsehserie „Milk & Honey“ auf dem Privatsender VOX.

Wäre seine bekannteste Rolle ein Kriterium zur Einbürgerung, dann hätte Deutschland Nik Xhelilaj schon die Ehrenstaatsbürgerschaft verleihen müssen. Vor zwei Jahren spielte der Albaner in einer RTL-Verfilmung den Winnetou. Häuptling der Mescalero-Apachen in Karl Mays millionenfach verkauften und in zahlreiche Sprachen übersetzen Romanen, Held ganzer Kindergenerationen.

Der Hauptdarsteller selbst allerdings hatte bis zur Anfrage für den Dreiteiler noch nie etwas von dem edelmütigen Indianer und seinem Blutsbruder Old Shatterhand gehört. Erst auf dem Weg zum Casting googelte Xhelilaj, auf was er sich da eigentlich eingelassen hatte. Ein Western aus Deutschland? Das kam dem 35-Jährigen rätselhaft vor.

Nik Xhelilaj als Winnetou mit Wotan Wilke Möhring (l.)
Nik Xhelilaj als Winnetou mit Wotan Wilke Möhring (l.) © RTL/ Jens Koch

Gedreht wurde hauptsächlich in Kroatien, Premiere feierte der Film in Berlin – und Nik Xhelilaj blieb gleich da. Zunächst zog er in eine WG mit seinem „Winnetou“-Kollegen Emilio Sakraya, dann in eine eigene Wohnung in der Nähe des Alexanderplatzes. „Ich wollte, dass die Stadt meine Heimat wird“, sagt er. Also ging er zur Volkshochschule, um Deutsch zu lernen. Bis zum Niveau B2 brachte er es in vier Monaten und bekam offiziell eine „selbstständige Sprachanwendung“ bescheinigt. Schließlich brauche man, so stellte er fest, in Deutschland für alles ein Dokument.

Erste Hauptrolle in "Der Albaner"

Geboren und aufgewachsen ist Nik Xhelilaj in Tirana, damals noch Hauptstadt eines kommunistischen Landes. Seine Familie lebte zu viert in einer 40 Quadratmeter großen Wohnung. In seiner Erinnerung schliefen dort jedoch häufig sieben bis acht Kinder, damit niemand allein war, wenn die Eltern im Schichtdienst arbeiteten. Beide waren für die Armee tätig, die Mutter in der Verwaltung, der Vater als Oberst. Besonders der Vater hätte es gern gesehen, wenn der Sohn in seine Fußstapfen getreten wäre und schickte ihn mit 14 auf eine Militärschule in Istanbul.

Nur sieben Monate hielt Nik Xhelilaj es dort aus, bevor er Reißaus nahm. Sein Vater habe danach ein halbes Jahr nicht mit ihm gesprochen, sagt er. „Für ihn war das furchtbar peinlich.“ Xhelilajs ältere Schwester tat ihm den Gefallen, mit der künstlerischen Berufswahl seines Sohnes tat sich der Vater erwartungsgemäß schwer. Dieser sei ohne Eltern aufgewachsen, wahrscheinlich habe er für ihn nur Sicherheit gewollt, glaubt Xhelilaj heute. Erst viel später – da hatte er die Schauspielschule schon hinter sich – entdeckte er beim Durchblättern alter Fotoalben, dass sein Vater in der Schule selbst Theater gespielt hat.

Der Schauspieler als Arian in „Milk & Honey“, der mit Freunden auf dem Land einen Escort-Service gründet.
Der Schauspieler als Arian in „Milk & Honey“, der mit Freunden auf dem Land einen Escort-Service gründet. © MG RTL D/Talpa Fiction G | MG RTL D / Talpa Fiction G

Seinen ersten Film drehte Nik Xhelilaj während seiner Zeit an der Kunstakademie. In „The Sarrow of Mrs. Schneider“ spielte er auf Tschechisch, obwohl er von der Sprache kein Wort verstand. Vielleicht war es vorbestimmt, dass er Albanien verlassen sollte, glaubt Xhelilaj. „Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich natürlich früher Englisch gelernt.“ Seinen ersten Berührungspunkt mit dem deutschen Film hatte der Schauspieler 2010. Damals bekam er die Hauptrolle in der deutsch-albanischen Produktion „Der Albaner“ von Johannes Naber.

Mindestens einmal im Jahr zurück in die Heimat

Xhelilaj spielt einen jungen Mann aus den Bergen in Nordalbanien, der illegal nach Deutschland einreist, um in der Halbwelt zwischen Menschenhandel und prekären Tagelöhnerjobs Geld für die Hochzeit mit seiner schwangeren Freundin zu verdienen. Xhelilaj erhielt für seine Rolle mehrere Preise und wurde 2011 European Shooting Star auf der Berlinale. „Danach hatte ich das Gefühl, es geht noch mehr“, sagt er. „Ich wäre schon damals gerne nach Deutschland gekommen, aber es hat nicht geklappt. Alles hat seinen Sinn. Die richtige Zeit musste erst kommen.“ Also drehte er erst einen Film in London und zog nach Istanbul, wo er für verschiedene türkische Fernsehserien vor der Kamera stand.

Die Stadt spielt in seinem Leben auch nach zwei Jahren in Berlin noch eine große Rolle. „Alle paar Monate fahre ich nach Istanbul, um meine Batterien aufzuladen.“ Das Gleiche gilt für Reisen in seine Heimat. Mindestens einmal im Jahr müsse er für ein paar Wochen nach Hause – im Sommer, wenn sich die ganze Familie zu einem großen Fest trifft. „Wenn ich das verpasse, merke ich, dass mir in der Seele etwas fehlt. Dann habe ich Heimweh.“ Und auch seine eigene Sprache fehle ihm oft, seitdem er im Ausland lebe. „Ich habe immer das Gefühl, dass die Leute nur 50 Prozent Nik kennenlernen.“

„Gerade lebe ich das Leben, das ich mir vor zehn Jahren erträumt habe“, sagt Xhelilaj dennoch. Am Mittwoch (21.15 Uhr) startet bei Vox die Serie „Milk & Honey“, in der er eine Hauptrolle spielt. Und auch in einer Folge „Alarm für Cobra 11“ ist er demnächst zu sehen. Vielleich sei es also Zeit für einen neuen Traum. „Ein Haus bauen beispielsweise“, in Italien, so wie er es als Kind in der Werbung einer Keksmarke bewundert habe. Vorerst sieht Nik Xhelilaj seine Basis aber in Berlin. Für dieses Jahr hat er alle Projekte abgedreht. Zeit also, es noch einmal mit der Volkshochschule zu versuchen, sagt er und lacht. „Ich fühle mich bereit für eine große Rolle im deutschen Kino“, nur die Sprache stehe ihm noch im Weg. Seine Aufenthaltsgenehmigung zumindest wurde gerade um zwei Jahre verlängert.

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