Berlin. In „Die Unglaublichen 2“ steht die Welt kopf. Statt Bösewichte zu jagen, sieht sich Mr. Incredible plötzlich mit der Kinderbetreuung konfrontiert, während seine Frau Elastigirl den Ruf der Superhelden retten soll. Im zweiten Teil des Animationsfilms aus dem Jahr 2004 hat Emilia Schüle (25) der Superheldentochter Violetta ihre Stimme geliehen. Wir trafen die Berliner Schauspielerin zum Gespräch.
Berliner Morgenpost: Der Film hat erfreulich starke Frauenfiguren, ohne mit dem erhobenen Zeigefinger feministisch zu sein. Können Sie sich mit dem Begriff „Feministin“ überhaupt identifizieren?
Emilia Schüle: Nein. Ich muss mich nicht mit Begriffen schmücken. Womit ich mich befasse oder was mich ärgert, ist eher, dass es für Frauen sehr viel weniger Hauptrollen gibt als für Männer. 80 Prozent der Bücher, die ich bekomme, handeln davon, dass sich die für mich vorgesehene Rolle in jemanden verliebt. Das nervt. Ich weiß nicht, ob es mit der #MeToo-Debatte zu tun hat, dass mir das gerade so stark auffällt. Vielleicht liegt es auch an meinem Alter und dass ich seit 14 Jahren drehe. Irgendwann hat man dann Lust auf weitaus mehr anspruchsvollere Rollen, die unabhängig von einer Liebesgeschichte funktionieren. Ich frage mich, ob das mit unserer Gesellschaft zu tun hat, damit, was wir sehen wollen. Mit diesem Thema kann ich etwas anfangen, das betrifft mich. Ob ich zum Beispiel weniger verdiene als meine männlichen Kollegen, weiß ich gar nicht.
Sie sind doch mit vielen männlichen Kollegen im gleichen Alter befreundet. Spricht man da untereinander nicht über das Thema?
Nein, darüber spricht man nicht. Und ich finde auch, das kann man oft schwer vergleichen. Es hängt ja immer davon ab, wie groß die Rolle und der Film ist. Ich habe aber mal gehört: Kino mit einer weiblichen Hauptperson funktioniert nicht. Das ist total frustrierend. Dabei gibt es so viele tolle Geschichten über Frauen, die erzählt werden müssen. Und das Publikum ist auch zu 80 Prozent weiblich. Und die wollen sich keine Geschichten über Frauen angucken? Das ist doch ironisch. Und traurig.
Wenn man den Film und Ihre Rolle als Violetta einmal aufs echte Leben übertragen würde: Was empfinden Sie als Ihre persönliche Superkraft?
Ich liebe es, Dinge umzusetzen, die eigentlich unmöglich erscheinen. Damit meine ich nicht, dass ich Bäume ausreißen kann, aber dass ich extreme Kräfte entwickeln kann, wenn ich ein Projekt stemmen oder eine Idee umsetzen möchte. Zum Beispiel, dass ich innerhalb von zwei Tagen die komplette Wohnung umräume und aus einem Schlafzimmer ein Wohnzimmer mache.
Violetta hat ihre Superkraft von ihren Eltern vererbt bekommen. Wie ist das bei Ihnen?
Ich glaube, ich habe das auch von meinem Vater, der war auch so ein Macher. Natürlich zeigt sich das immer anders bei den Kindern, aber diese „Nichts ist unmöglich“-Einstellung hab ich schon mitgenommen.
Sind Sie mit dem Eindruck aufgewachsen, Sie könnten als Frau genau das Gleiche erreichen wie Männer?
Schon. Ich finde, wir leben in dieser Hinsicht in Mitteleuropa an einem schönen Ort der Welt. Ich bin mit dem Bewusstsein aufgewachsen, ich könnte alles erreichen. Es wird ja auch viel Werbung gemacht, dass Frauen zum Beispiel verstärkt in technischen Berufen gesucht werden. Ich habe das Gefühl, dass es in diese Richtung ein starkes Engagement in der Gesellschaft gibt. In meinem kleinen Emilia-Kosmos bin ich, was Gleichberechtigung angeht, noch nicht oft an meine Grenzen gestoßen. Wenn man davon absieht, was ich über die Drehbücher gesagt habe. Ich glaube aber, dass man als Frau bei uns an seine Grenze stößt, wenn man schwanger wird.
Spielt das Thema in Ihren Gedanken schon eine Rolle?
Nein, eigentlich nicht. Aber zum Beispiel am Filmset hat man schon sehr extreme Arbeitszeiten, und man ist viel weg. Ganz viele Maskenbildnerinnen haben beispielsweise keine Kinder. Wenn man dann noch außerhalb Berlins dreht, ist man einfach ein bisschen raus aus der Welt. Die Filmbranche ist kein familienfreundliches Umfeld.
Im Film bleibt der Mann zu Hause und die Frau geht arbeiten. Ein Modell, das Sie sich vorstellen können und das mit den Männern, die Sie so treffen, funktionieren würde?
Ich finde, wenn man eine funktionierende Beziehung führt, sollten sich beide gegenseitig nicht ihrer Freiheiten berauben. Das sollte sich abwechseln, damit niemand eingeht. Ich habe da noch keine Analyse bei den Männern gemacht, die mir begegnen, aber viele meiner Freunde bekommen gerade Kinder. Und ich habe schon das Gefühl, dass die Männer dieses Wunder auch mitfühlen und dafür total bereit sind. Mein bester Freund zum Beispiel bleibt ganz viel zu Hause, damit seine Freundin arbeiten gehen kann. Das ist aber auch ein Toller.
Gibt es so einen tollen Mann denn gerade in Ihrem Leben?
Nein, gerade nicht. Aber ich möchte auf jeden Fall Kinder haben. Das wird schon klappen.
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