Um kurz nach halb acht am Freitagmorgen muss die kulinarische Reisegruppe ihren Plan spontan ändern. Der kroatische Ministerpräsident ist noch nicht da, heißt es. Der Auftaktbesuch bei dem Stand des Partnerlandes der diesjährigen Grünen Woche fällt deswegen zwar nicht aus, muss aber verlegt werden.
Der Eröffnungsrundgang mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD), EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski, Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied und Messe-Chef Christian Göke strömt deswegen in entgegenliegender Richtung los und trifft ein paar Schritte später am Stand von Ungarn ein.
Dort steht Mark mit seinem Tablett. „Pálinka“, einen ungarischen Obstbrand hat er dabei. Doch Klöckner, Müller und Co. machen am frühen Morgen noch einen weiten Bogen um das klare Hochprozentige. Ohne Alkohol geht es wenig später am Messeauftritt von Bulgarien trotzdem heiter weiter. Dort führt eine Gruppe einen Volkstanz auf.
Erst danach trifft die prominente Reisegruppe endlich auf den kroatischen Ministerpräsidenten Andrej Plenković. Ob er sich für seine Verspätung entschuldigt, ist nicht überliefert. Plenković überreicht Berlins Regierungschef Müller jedenfalls noch auf der Bühne einen Olivenbaum als Geschenk. Mindestens bis zum Ende des Rundgangs bleibt das Gewächs vor dem kroatischen Stand stehen.
Bio-Schnitzel für 24 Euro pro Kilogramm
Um acht Uhr hält Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner ein Mikro in der Hand und ergreift das Wort. Mittlerweile ist der Rundgang in der Halle des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft angekommen. In diesem Jahr stehe bei dem Auftritt ihres Hauses der Verbraucher im Mittelpunkt, sagt Klöckner und bleibt vor einem großen Bildschirm stehen. „Wir stehen hier in einer digitalen Metzgerei“, erklärt sie. An dem Screen können Besucher beobachten, wie sich der für das Fleisch an Theke gezahlte Preis auf die Haltung der Tiere auswirkt.
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7,90 Euro pro Kilogramm würden die Schnitzel kosten, die Klöckner ausgewählt hat. Für das Geld müssten die Schweine zwar immer noch im Stall gehalten werden, hätten aber immerhin Auslauf. Dennoch: Was das Tierwohl angeht, hätte auch die Ministerin an diesem Tag noch Luft nach oben. 24 Euro pro Kilogramm würden Schnitzel mit dem Bio-Siegel kosten – gutes Gewissen inklusive.
Forstwirtschaft lobt Berliner Senat
Nach Kurz-Besuchen an den Ständen von Tunesien und Litauen steht Klöckner auch am Auftritt Schwedens im Fokus. Dem Zeitgeist entsprechend haben die Nordlichter sogar vegane Köttbullar mit in die Berliner Messehallen gebracht. Diana Rios hingegen, die an einer Theke lehnt und das Geschehen beobachtet, setzt eher auf althergebrachte Braukunst. Rios bietet auf der Grünen Woche 42 Biersorten unterschiedlicher schwedischer Brauereien an. Natürlich schmecke jedes davon, sagt sie. Schnell steckt sie einige Flaschen in einen gelb-blauen Beutel und schlägt sich zur Ministerin durch. Rios streckt Klöckner ihre Hand entgegen, die beherzt zugreift.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hat am Stand der deutschen Forstwirtschaft seinen großen Auftritt. Müller steht dort neben Klöckner und dem Präsidenten des Deutschen Forstwirtschaftsrats, Georg Schirmbeck. Deutschlands oberster Förster lobt dann den Beschluss des Berliner Senats, Holzbauten in der Stadt besonders zu fördern. „Ohne Holzbau werden wir die Klimaprobleme nicht lösen“, sagt Schirmbeck. Er hoffe, dass sich noch weitere Bundesländer ein Beispiel an Berlin nehmen.
Klöckner sieht Verständnisprobleme zwischen Stadt und Land
Der Tross des Eröffnungsrundgangs – inzwischen ist der kroatische Ministerpräsident nicht mehr mit dabei – bewegt sich dann weiter über die Auftritte Sri Lankas, der Schweiz und Österreichs bis nach Russland. Auf der Bühne gibt es Salz und Brot, überreicht von Standbetreuern, die typisch russische Tracht tragen. Messechef Christian Göke und Müller tuscheln auf der Bühne.
Vielleicht hat Göke dem Regierenden auch erzählt, dass Russland bei der Grünen Woche in diesem Jahr der größte Einzelaussteller ist. Für das Land ist es der erste Auftritt auf der Agrarschau seit dem Inkrafttreten der EU-Sanktionen. Das Thema allerdings umschifft die Bundeslandwirtschaftsministerin geschickt. Ihren russischen Amtskollegen begrüßt Klöckner lediglich mit einem „Nice to see you again“.
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Als die Politiker längst weg sind, sorgt das Veterinäramt kurzzeitig für Aufregung. Weil bei Kontrollen an zwei Ständen Schweinefleisch-Würste aus Russland entdeckt worden sind, wird ein Teil der Messehalle eineinhalb Stunden lang gesperrt. Grund sind die Einfuhrverbote, die für Fleischprodukte aus Nicht-EU-Ländern gelten. Damit soll verhindert werden, dass Tierseuchen eingeschleppt werden, etwa die für Menschen ungefährliche Afrikanische Schweinepest.
Das Thema der Ministerin an diesem Tag ist ohnehin das etwas schwierige Verhältnis von Stadt-Bewohnern und Landwirten. Die Grüne Woche bringe das Land in die Stadt, sagt Klöckner zwischendurch. „Es gab wohl keine Zeit, in der das nötiger war“, so die Politikerin auch mit Blick auf die derzeit immer wieder stattfindenden Bauern-Proteste. Man müsse es hinbekommen, dass es bei der Stadtbevölkerung ein Landwirtschaftsbewusstsein gebe, gleichzeitig brauche die Landwirtschaft aber auch ein Konsumentenbewusstsein, sagt Klöckner. Immer mehr Menschen würden nachhaltige erzeugte Lebensmittel bevorzugen, erzählt sie.
Müller will Brandenburger Tor aus Schokolade verkosten
Michael Müller kann am Messestand von Berlin erstmal durchatmen. Bundes- und Europapolitik sind längst weg, als Müller beim Berliner Start-up „Spree Gin“ ankommt und darüber sinniert, dass es bei früheren Rundgängen auf der Grünen Woche ja mehr Alkohol gab. „Das hat sich geändert“, sagt Müller zu Dirk Behrendt (Grüne), der seinen Regierungschef als zuständiger Landwirtschaftsminister über den Berlin-Stand führt. Den Gin, der mit echten Spreewaldgurken angereichert wurde, will Müller dann gern probieren.
Ins Auge fällt Berlins Regierendem auch der Messeauftritt des Chocolatiers Rausch. Aus 485 Kilogramm Schokolade hat das Unternehmen das Brandenburger Tor nachgebaut. Wo er denn reinbeißen könne, will Müller scherzhaft von Firmenchef Robert Rausch wissen. Natürlich ist die Schokolade zum Essen da, entgegnet Rausch. Müller allerdings solle sich noch gedulden. Erst nach dem Ende der Grünen Woche dürfe dieser ein Stück der Touristenattraktion verspeisen.