Berlin. Was wissen Kinder heute über die Grundlagen der Ernährung? Ein Besuch auf dem Erlebnisbauernhof.
Paul Schulze sitzt an einem langen Tisch in einem ausgebauten Doppeldeckerbus auf dem Erlebnisbauernhof der Grünen Woche. Ein Mann mit weißer Kochkleidung gibt ihm etwas Teig in die Hand, den er nach anfänglichem Zögern mit der flachen Hand zu einer kleinen Rolle formt. „Cool, dass ich das selbst machen kann“, sagt der Vierjährige leise, als seine kleine Teigbrezel fertig ist. Zu Hause kocht und backt er oft selbst mit, erzählt seine Mutter Annett Schulze. Sie arbeitet für das Bundesinstitut für Lebensmittelforschung – das Thema Ernährung ist der Familie aus Prenzlauer Berg deshalb besonders wichtig. „Wir wollen, dass er die richtigen Nährstoffe zu sich nimmt und auch selbst lernt, was für ihn gut ist“, sagt Annett Schulze.
Wie wichtig es ist, dass Kinder frühzeitig etwas über ihre Ernährung lernen, weiß Martin Schneider. Der Koch backt während der Grünen Woche jeden Tag mit Schulklassen aus Berlin und Brandenburg. „Ich will den Kindern vermitteln, wie wichtig das Handwerk für unsere Ernährung ist“, sagt der 48-Jährige. Mit dem sogenannten Kochbus fährt er schon seit mehr als zehn Jahren durch ganz Deutschland und zeigt beim gemeinsamen Kochen, wie gesunde Ernährung funktioniert. Im Backbus auf der Grünen Woche, der im letzten Jahr seine Deutschlandtour startete, erklärt er den Schülern außerdem, wie schädlich Zusatzstoffe in Lebensmitteln sind.
Das zeigt er an einem praktischen Beispiel: „Weiße Zuckerperlen, die oft zur Verzierung von Gebäck eingesetzt werden, enthalten Ausscheidungen von Lackschildläusen, die silbernen Aluminium“, sagt der Koch. Das Pulver des Leichtmetalls finde man auch manchmal zwischen Käsescheiben, damit sie in der Verpackung nicht zusammenkleben. Bei den Schulklassen komme das gemeinsame Kochen und Backen gut an, doch am wichtigsten ist Martin Schneider, dass sich die Eltern mit ihren Kindern zu Hause mit dem Thema Ernährung beschäftigen. Doch auch für viele Erwachsene gibt es in dem Bereich Nachholbedarf, stellt Patrick Simon, Geschäftsführer von information.medien.agrar (ima) fest. Der gemeinnützige Verein ist für die Kommunikation der deutschen Bauernverbände zuständig und informiert Schulklassen über landwirtschaftliche Themen.
Auch Lehrer müssen beim Thema Ernährung dazulernen
„Wie die Schüler wissen auch Lehrer oftmals nicht, woher unsere Lebensmittel kommen und wie sie hergestellt sind“, sagt Patrik Simon. Besonders groß seien die Wissenslücken in Städten. Der Verein will dieser Entfremdung von der Landwirtschaft entgegenwirken und lädt dazu regelmäßig Schulklassen aus Berlin und Brandenburg zu Informationsveranstaltungen ein. Auf der Grünen Woche empfing er am Mittwoch rund 300 Redakteure von Schülerzeitungen sowie Schulkinder aus Medien-Arbeitsgruppen zu einer einstündigen Pressekonferenz zum Thema „Brot, Brötchen und Co.: Coole Körner und ihr Mehrwert beim Nährwert“.
Was in unserem Brot steckt, wie es hergestellt wird und worauf man beim Kauf von Backwaren achten sollte, erklärten drei Experten auf dem Podium. Henrik Wendorff, Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg, erzählte von seinem eigenen Landwirtschaftsbetrieb an der polnischen Grenze. „Um gute Körner zu bekommen, muss die Pflanze das ganze Jahr über mit genug Nährstoffen versorgt werden. Bei der Ernte ist vor allem der Zeitpunkt wichtig“, erklärt er. Auch wenn es etwas teurer ist, empfiehlt Margareta Büning-Fesel, Ernährungsexpertin und Leiterin des Bundeszentrums für Ernährung, zu Vollkornbrot zu greifen. „Je mehr Korn in eurem Brot ist, desto mehr Vitamine und Ballaststoffe kann euer Körper daraus ziehen“, erklärt sie den Nachwuchsjournalisten.
Viele der Fragen richten sich an den gelernten Bäcker Julien Busch, der den Kindern von seiner täglichen Arbeit im Betrieb erzählt. „Während die Brötchen im Supermarkt in der Maschine und am Fließband entstehen, stellen wir unsere Backwaren mit viel Sorgfalt und Liebe von Hand her“, sagt er. Für ein Brot verwende er 2070 Körner.
Miriam (11) von der Kolumbus-Grundschule in Reinickendorf würde gern im Unterricht mehr über Landwirtschaft erfahren. „Meiner Mutter ist gesunde Ernährung wichtig, aber mein Bruder isst zu viel Fleisch“, erzählt die Elfjährige. Die Schüler der Prinz-von-Homburg-Schule in Neustadt (Dosse) im brandenburgischen Landkreis Ostprignitz-Ruppin lernen seit der dritten Klasse im Sachkunde- und Biologieunterricht, was gesunde Lebensmittel sind – im Sommer besuchen sie Landwirte auf dem Feld. „Die Eier legen unsere eigenen Hühner, die Kartoffeln kaufen wir beim Bauern in unserem Dorf“, sagt Leonie (11). „Schade, dass die Bauern so wenig Geld verdienen und es deswegen schwer haben, gesundes Getreide anzubauen“, sagt ihr Mitschüler Colin (12).
Gemeinsam kochen, gemeinsam essen bei den Finnen