Potsdam (dpa/bb). Seit dem Angriff der Hamas auf Israel haben antisemitische Anfeindungen und Straftaten in Deutschland zugenommen. Die jüdische Bevölkerung hat Angst. Die Gedenkveranstaltungen 85 Jahre nach der Pogromnacht sind vor allem ein Aufruf zur Solidarität.
Am 85. Jahrestag der Pogromnacht haben viele Städte in Brandenburg der Opfer des Nationalsozialisten gedacht und zum Eintreten gegen Antisemitismus in Deutschland aufgerufen. Politiker legten am Donnerstag bei Gedenkveranstaltungen Kränze nieder und verurteilten Angriffe auf Jüdinnen und Juden. Gerade nach dem Angriff der Hamas auf Israel vor gut einem Monat lösen antisemitische Vorfälle in Deutschland Angst in der jüdischen Bevölkerung aus.
Stargeiger Daniel Hope sagte bei einer Gedenkveranstaltung auf dem jüdischen Friedhof in Potsdam: „Ich bin heute hier, um meine Solidarität mit der jüdischen Bevölkerung in Deutschland zu zeigen.“ Er sei besonders stolz auf den jüdischen Teil seiner Familie, der auf den ersten Rabbiner Potsdams, Michel Hirsch, zurückgehe. Sein Vorfahre, der als Rabbiner im 18. Jahrhundert wirkte, liegt auf dem jüdischen Friedhof begraben.
„Wir sind in Deutschland verpflichtet aufgrund der Geschichte dieses Landes, das Judentum und das jüdische Leben für immer zu schützen. Da gibt es keine Diskussion“, sagte der in Südafrika geborene Musiker. Jüdinnen und Juden müssten am Leben teilnehmen können, ohne sich zu fürchten. Die Hoffnung auf Frieden dürfe nie aufgegeben werden, sagte Hope. Er erzählte auch, wie bewegend es gewesen sei, als er 2015 vom Grab seines jüdischen Vorfahren in Potsdam erfahren habe. Den Erhalt des Friedhofes wolle er mit einer Spende unterstützen.
Mit seinen historischen Grabanlagen und den Friedhofsbauten ist der Friedhof laut Kulturministerium das besterhaltene Zeugnis jüdischer Sepulkralkultur im Bundesland. Er steht seit 1977 unter Denkmalschutz und ist seit 1999 Teil des Unesco-Kulturerbes.
Kulturministerin Manja Schüle (SPD) sagte bei dem Gedenken: „Warum erinnern wir jedes Jahr an die Pogrome vom 9. November 1938? Weil es geschehen ist und folglich wieder geschehen kann. Das hat der 7. Oktober 2023 auf tragische Weise gezeigt.“ Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der krankheitsbedingt nicht dabei sein konnte, betonte anlässlich des Jahrestages, der Erhalt und die Pflege jüdischer Traditionen seien heute mehr denn je Auftrag und Verpflichtung.
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) sagte in einem Video auf der Plattform X, es sei eine historische Verpflichtung, „dafür zu sorgen, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland nie wieder Angst um ihr Leben haben müssen“. Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) zeigte sich ebenfalls besorgt. „Die Spannungen, die sich derzeit auf Israel explosionsartig entladen, führen auch zu Rissen in unserer Gesellschaft. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Antisemitismus um sich greift“, sagte Schubert nach Angaben der Stadt.
In Brandenburg wurde an vielen Orten an die Opfer der Nationalsozialisten erinnert etwa in Cottbus und Frankfurt(Oder). In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 hatten die Nationalsozialisten landesweit eine Gewaltwelle gegen Juden begonnen. In der Folge wurden nach Angaben des Deutschen Historischen Museums mehr als 1300 Menschen getötet, 1400 Synagogen zerstört und beschädigt, 7000 Geschäfte überfallen sowie 30 000 Juden in Konzentrationslager verschleppt.
© dpa-infocom, dpa:231109-99-887043/2 (dpa)