Berlin. Interessenvertreter von Mietern und Wohnungsunternehmen aus Berlin nehmen Stellung zu den Erlebnissen der Wohnungssuchenden.

Monatelange Suche, hohe Preise, renovierungsbedürftiger Zustand: Auch wenn die von den Reportern der Berliner Morgenpost (Links siehe unten) genannten Beispiele herausstechen, können viele Mietinteressenten in Berlin ebenfalls von abenteuerlichen Erlebnissen bei der Wohnungssuche erzählen. So sehen Berliner Mieterverein auf der einen und Unternehmen aus der Immobilienwirtschaft auf der anderen Seite die Situation.

Was Interessenten bei der Wohnungssuche erleben:

„Die Mieter müssen sich auf alles Mögliche einstellen“, bestätigt Ulrike Hamann-Onnertz, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins. Die Macht der Vermieter sei äußerst stark. Es sei verwerflich, wenn diese Situation ausgenutzt werde. „Denn Wohnen ist kein Luxus, für den man sich entscheiden kann, es ist eine existenzielle Frage“, betont die Geschäftsführerin.

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Inzwischen sei der Druck, eine Wohnung zu finden, häufig so groß, dass Mietinteressenten bereit seien, auch in völlig unrenovierte Wohnungen zu ziehen. In Anzeigen seien diese dann häufig als für „handwerklich begabte Mieter“ inseriert, so Hamann-Onnertz. Im Zweifel sei es eine Möglichkeit, erst einmal zuzusagen und bei Vorlage des Mietvertrags prüfen zu lassen, ob die Wohnung dem beschriebenen Zustand auch entspricht. Wenn nicht, bestehe Anspruch auf eine Mietminderung. Hamann-Onnertz empfiehlt, bei Gesprächen um eine Wohnung einen Zeugen dabei zu haben, um Belästigung und Diskriminierung vorzubeugen. Und sollte sie vorkommen, sie auch zur Anzeige zu bringen.

Gleichzeitig dürfen Wohnungen, die nicht in einem Neubau liegen oder umfassend saniert wurden, bei Neuvermietung in der Regel nur maximal zehn Prozent mehr kosten, als die ortsübliche Vergleichsmiete.Das regelt die Mietpreisbremse. Unter den Mietern, die ihre Zahlungen beim Mieterverein überprüfen lassen, liegt die Erfolgsquote jedoch offenbar hoch. „In 98 Prozent der Fälle haben sie Recht“, bestätigt die Geschäftsführerin. So liege die geforderte Summe teilweise nicht nur zehn bis 20 Prozent darüber, sondern sogar 50 Prozent. „Das grenzt an Mietwucher“, sagt Ulrike Hamann-Onnertz.

Mehr Menschen mit Anspruch auf Sozialwohnungen

Hinzu komme ein weiterer Faktor, der gerade die Schwächsten betreffe: „Die Politik hat den Kreis der Berechtigten von Sozialwohnungen erweitert“, sagt die Geschäftsführerin. Dabei sei die Zahl der Berechtigten fast verdoppelt worden. Das klingt zunächst gut – allerdings erhöhte sich Zahl entsprechender Wohnungen nicht. Im Gegenteil. „In der Stadt fallen bis Ende nächsten Jahres 30.000 Wohnungen aus der Sozialbindung“, sagt Ulrike Hamann-Onnertz. Letztendlich erhöhe das Preisniveau die Gefahr, mehr auszugeben, als man sich eigentlich leisten könne. „Die Miete ist heute ein Armutsrisiko“, sagt sie. Gleichzeitig sei es schwer, eine Wohnung überhaupt zu bekommen, wenn die Brutto-Kaltmiete (ohne Heizung, Warmwasser und Strom) mehr als 40 Prozent des Netto-Einkommens betrage. Außerdem bestehe kein Rechtsanspruch auf eine Auskunft, wenn eine Bewerbung abgelehnt werde.

Immer wieder lange Schlangen, wie hier bei einer Wohnungsbesichtigung in Berlin-Schöneberg.
Immer wieder lange Schlangen, wie hier bei einer Wohnungsbesichtigung in Berlin-Schöneberg. © BM

Kerstin Huth, die als Vorsitzende des IVD Berlin-Brandenburg die Interessen unter anderem von Immobilienmaklern und Hausverwaltern vertritt, kann zumindest einen Teil der Kritik nachvollziehen. Sie sagt aber: „Der Schwarze Peter wird weitergeschoben.“ Es brauche einfach ein größeres Angebot. Ihrer Auffassung wird dies durch mehr und schärfere Regulierung jedoch eher erschwert. Um heute noch zu annehmbaren Preisen bauen zu können, sollten Bauvorschriften zum Beispiel zur Energieeinsparung zumindest nicht weiter verschärft werden.

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Auch habe die Regelung, dass Makler vom Auftraggeber und damit in der Regel dem Vermieter bezahlt würden, die Situation verschärft. „Auf die Bedürfnisse der Mieter wird deswegen weniger Rücksicht genommen“, sagt sie. Ein weiteres Problem sei die Regelung, dass Makler heute in der Regel vom Vermieter bezahlt würden. „Jetzt ist der Eigentümer der Kunde.“ Als Mieter selbst einen Makler zu beauftragen, scheide in der Praxis oft auch aus. „Die dürfen dann nämlich keine Wohnungen anbieten, die sie bereits im Bestand haben.“ Damit spiele diese Möglichkeit im Alltag fast keine Rolle mehr.

Auf Seiten der Mietinteressenten sieht die Vorsitzende allerdings auch Probleme: Oft würden Anfragen unvollständig ausgefüllt, was mitunter auch an mangelnden Kenntnissen der Bewerber liege. „Teilweise bekomme ich nur eine E-Mail-Adresse“, sagt sie. Sie regt deswegen an, dass es mehr Unterstützungsangebote gerade für Wohnungssuchende mit kleinem Geldbeutel geben müsse.

Bewerberflut auch für Immobilienwirtschaft Herausforderung

Susanne Klabe, die als Geschäftsführerin des BFW Berlin-Brandenburg die mittelständischen Immobilien- und Wohnungsunternehmen in der Region vertritt, sagt: „Unsere Mitgliedsunternehmen haben an individuellen Entscheidungen ein hohes Interesse“, sagt sie. Auf diese Weise werde sichergestellt, dass eine Mieterstruktur geschaffen werde, die ein gutes Miteinander ermögliche. Rein computerbasiert werde bei den Mitgliedsunternehmen nicht ausgewählt, höchstens eine Vorauswahl anhand der Vollständigkeit der Unterlagen getroffen.

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Um der Bewerberflut zu begegnen, schalteten die Firmen Anzeigen teilweise tatsächlich nur wenige Minuten frei oder inserierten nur eine Wohnung, obwohl mehrere verfügbar seien. „Die Vielzahl der Bewerber wird dann auf diese verteilt“, sagt sie. Oder die Wohnungen würden gar nicht erst öffentlich angeboten, sondern über eigene Wartelisten vergeben. Entscheidendes Kriterium sei dabei: „Eine Hausverwaltung wird im Zweifel immer den Mieter auswählen, bei dem die Mietzahlung sicher ist“.

Unseriöse Anbieter stuft Susanne Klabe als ernstes Problem ein. „Sie bringen immer wieder die ganze Branche in Verruf.“ Der BFW habe sich deswegen in diesem Somme einen Verhaltenskodex gegeben. Bei neuen Mitgliedern werde überprüft, ob diese in der Vergangenheit öffentlich auffällig geworden sind. Gleichzeitig engagiere sich der Verband die Einrichtung einer unabhängigen Stelle beim Land Berlin, um die Einhaltung der Mietpreisbremse überprüfen zu lassen. Zumindest, wenn ein Mitgliedsunternehmen nach solchen „amtlichen“ Zahlen auffällig werde, „hätten wir tatsächlich Gesprächsbedarf“, betont die Vorsitzende des BFW. Einzig: noch gibt es so eine Stelle nicht.