Berlin. Mit Hangar 1 schreitet Berlin bei der dringenden Suche nach Unterkünften für Flüchtlinge voran. An mancher Stelle hapert es aber noch.
Der Rundgang durch das Containerdorf im Hangar 1 des ehemaligen Flughafens Tempelhof ist relativ straff getaktet. Viele Asylbewerber, die dort einziehen, warten bereits nebenan, um noch an diesem Tag ihre Betten beziehen zu können. Rund 600 Personen sollen hier fortan in 150 Containern unterkommen.
„Es entstehen Großunterkünfte in einem Ausmaß, die es bundesweit nicht gibt“, erklärte Cansel Kiziltepe, Berlins Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung (SPD), vor der Eröffnung der großen Unterkunft am Freitagmittag. Angesichts stark zunehmender Flüchtlingszahlen und einer großen Belastung der Unterkünfte ist das Land Berlin auf dringender Suche nach weiteren Unterbringungsmöglichkeiten.
So viele Geflüchtete können auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof untergebracht werden
Hangar 1 sei laut Kiziltepe ein weiteres Puzzlestück. Insgesamt leben ab sofort zwischen 2500 und 3000 Asylbewerber und Ukraineflüchtlinge auf dem ehemaligen Flughafengelände – in den Hangars 2 und 3 sind bereits rund 800 Asylbewerber untergebracht, in den Tempohomes neben dem Tempelhofer Feld ähnlich viele. Damit zählt der gesamte Standort am Tempelhofer Feld zu einer der größten Geflüchtetenunterkünfte in Berlin. Derzeit werde außerdem die Nutzung des Parkplatzes P2 auf dem vormaligen Flughafenareal geprüft, so Kiziltepe – das wären etwa weitere 200 Plätze.
In Hangar 1 werden ausschließlich alleinreisende männliche Geflüchtete untergebracht. Die meisten von ihnen kommen aus der Türkei, Syrien, Afghanistan, Georgien und Moldau. Weil es sich bei dem neu eröffneten Containerdorf nicht um eine Gemeinschaftsunterkunft handelt, gibt es keine Gemeinschaftsküche, sondern einen Catering-Service und einen Speiseraum.
Was Hangar 1 von den anderen Flughafenhangars unterscheidet
In den Containern finden jeweils vier Personen auf 12 Quadratmetern Platz. Sie haben ein eigenes Bett und einen eigenen Schrank, den Tisch teilen sie sich. Mittels eines Farbensystems werden sich die neuen Bewohner in der großen Halle orientieren können und beispielsweise den Weg zu den Sanitäranlagen finden können, die sich im Außenbereich befinden.
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In die Planung der neuen Großunterkunft seien Erfahrungen aus den anderen Hangars und aus den Jahren 2015/16 eingeflossen, wie Ellen Wölk berichtete. Sie hat als Projektleiterin den Aufbau im Hangar 1 mitverantwortet, der ihrer Aussage nach innerhalb von elf Tagen gestemmt wurde. In jedem Container stehe WLAN zur Verfügung, die Fenster seien zwecks Privatsphäre blickdicht gemacht worden und die nächtliche Notbeleuchtung sei deutlich wärmer als zuvor. „Das ist ein Faktor, der nicht zu unterschätzen ist“, erklärte Wölk beim Rundgang.

Nicht zu unterschätzen seien auch die zwischenmenschlichen Beziehungen, die sich aufgrund der Kontinuität der Betreiber der Großunterkunft ergäben, erklärte Jörn Oltmann, Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg (Grüne). Hinter Pankow, Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg sind nach Auskunft des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) in Tempelhof-Schöneberg die meisten Geflüchteten untergebracht. „Das ist ein Schritt nach vorne“, lobte er die Ausstattung der Container mit Blick auf das, was vor sieben Jahren den Asylsuchenden angeboten wurde.
Wo es bei der Versorgung von Geflüchteten hapert
Gleichzeitig mahnte Oltmann an, dass der Senat eine gesundheitliche Grundversorgung für die Menschen bereitstellen müsse, in Form einer Anlaufstelle mit medizinischem Personal direkt vor Ort. Viele Menschen, die in den Geflüchtetenunterkünften leben, erhalten noch keine Grundleistungen nach dem Asylbewerbergesetz und daher noch keine medizinische Grundversorgung. Grund ist der Rückstau von Registrierungen, der beim LAF weit mehr als 2000 Asylbewerber betrage, wie LAF-Sprecher Sascha Langenbach erklärte. „Das ist eine sehr, sehr unangenehme Zahl.“
Aus diesem Grund werden laut Langenbach im November und Dezember 27 neue Mitarbeitende beim LAF angestellt – in Rekordzeit, wie er meint, angesichts der Zeit, die Einstellungen in der Regel in Anspruch nehmen. Gleichzeitig wäre es wünschenswert, wenn Kolleginnen und Kollegen aus anderen Behörden aushelfen würden.
Mehr Personal, mehr Unterkünfte, mehr Geld: Die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten frisst Ressourcen auf verschiedenen Ebenen. Die Tagessätze für die Kosten der Unterkunft im Hangar 1 des ehemaligen Flughafens Tempelhof seien laut Kiziltepe vergleichbar mit denen der Unterkunft Tegel. Für diese fielen monatlich zwischen 35 und 40 Millionen Euro an.

Sozialsenatorin Kiziltepe fordert bundesweite „Flüchtlingsnotlage“
Vor dem Hintergrund, dass sich alle Bundesländer in einer angespannten Lage befinden, fordert die Sozialsenatorin mehr Unterstützung durch die Bundesregierung und eine bundesweite „Flüchtlingsnotlage“. Trotz der hohen Zahlen und der Unterbringung in Großunterkünften dürfe nicht die Integration vernachlässigt werden, vor allem in den Arbeitsmarkt. Migration müsse aufgrund des Fachkräftemangels in Deutschland als Chance begriffen werden.
Vor allem Berlin befindet sich aktuell einer enormen Belastungsprobe ausgesetzt. Die Auslastung der regulären Unterkünfte für Geflüchtete liegt laut dem LAF bei 98,78 Prozent, während immer mehr Menschen in der Stadt Asyl beantragen: Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet die Behörde eine Zunahme von knapp 40 Prozent. Hinzu kommen Geflüchtete aus der Ukraine, die separat von Asylsuchenden erfasst werden.
Wie viele Menschen es bis zum Ende des Jahres werden, könne nicht prognostiziert werden, so Kiziltepe. Sicher ist hingegen das ausgegebene Ziel der Senatsintegrationsverwaltung, insgesamt 8000 Unterbringungsplätzen bis zum Ende des Jahres zu schaffen. Erstmals sollen damit Reserven gestellt werden, um die ankommenden Menschen angemessen zu versorgen.