Berlin. 700 Jahre lag das stille Örtchen verborgen unter der Erde auf der Fischerinsel. Jetzt wird es dort öffentlich ausgestellt.

Eine Latrine aus dem Mittelalter, die im Jahr 2016 bei archäologischen Ausgrabungen auf der Fischerinsel entdeckt wurde, ist am Mittwoch mit einem Schwerlastkran wieder dorthin verlegt worden. Sie war 2021 wegen der Arbeiten am Neubau der Wohnungsbaugesellschaft Berlin Mitte (WBM) an anderer Stelle zwischengelagert worden. Nun sind die 210 Mietwohnungen fertiggestellt und das historische Plumpsklo soll von nächstem Frühjahr an, geschützt hinter Glas in einem kleinen Pavillon, auf der Grünfläche neben dem Gebäude ausgestellt werden.

Archäologen hatten vor Beginn der Bauarbeiten den historisch bedeutsamen Standort durchsucht. Sie waren bei den Grabungen – bis zu fünf Meter tief – auf Fundamente von Gebäuden, Kellern, Hof- und Wegebefestigungen, Brunnen und die Latrine gestoßen. Die ältesten Funde auf dem Areal sollen bis in die Gründerzeit Berlins um das Jahr 1200 zurückreichen.

Vorrangig traten bei den Grabungen Keller aus dem 18. bis 20. Jahrhundert zutage. In Hofbereichen und unter flachen Steinkellern fand man mittelalterliche Fundschichten, die die sehr frühe Besiedlung des Areals belegen. Mittelalterliche Gräben bezeugen die Trockenlegung des ursprünglich feuchten Geländes, das am Rande der Spree lag.

Forscher vermuten, die Latrine stammt aus dem 14. Jahrhundert

Das stille Örtchen lag etwa 700 Jahre verborgen unter der Erde. Forscher vermuten, dass die Latrine zu einem Haushalt im 14. Jahrhundert passen könnte. Sie ist laut Senat von hoher stadthistorischer Bedeutung, weil sie eines der ältesten Ziegelbauwerke der Stadt ist. Damals war Holz als Baustoff üblich, ein gemauertes Klo noch eine Seltenheit. Andere Plumpsklos, Anbauten zur Entsorgung, aus der Zeit hat man deshalb nicht finden können, sie sind längst zerfallen.

Blick auf und in die Latrine: So soll der kleine Ausstellungsort für den mittelalterlichen Fund von nächstem Frühjahr an aussehen.
Blick auf und in die Latrine: So soll der kleine Ausstellungsort für den mittelalterlichen Fund von nächstem Frühjahr an aussehen. © Baumgart_Architekten

Die Latrine ist quadratisch und fast zwei Meter tief, ein oben offener Quader mit einer Seitenlänge von 1,80 Meter, Sie wurde aus großformatigen Ziegelsteinen aufgeschichtet. Latrinen waren nicht nur Plumpsklos, sondern laut Fachleuten auch Abfallbehälter, die geleert und wieder befüllt wurden. In der Latrine auf der Fischerinsel sollen sich vor allem Keramik und Tierknochen, meist von Geflügel, befunden haben.

Historische Erzeugnisse sollen für die Öffentlichkeit erlebbar gemacht werden

„Dass ein ganzes Bauteil – in diesem Fall eine komplette Latrine – erhalten wird, ist eine Besonderheit“, sagte Landeskonservator Christoph Rauhut, Direktor des Landesdenkmalamtes. Auch freue er sich, dass die Latrine wieder an ihren Fundort umgesetzt wurde und zugänglich gemacht wird. Dies sei „ein weiterer wichtiger Schritt, um vergangene Geschichtserzeugnisse für die Öffentlichkeit erlebbar zu machen“. Lars Dormeyer WBM-Geschäftsführer, sagte, die WBM wolle sich mit der Ausstellung dieses besonderen Fundstücks neben dem Neubau auch für den Erhalt des historischen Erbes Berlins einsetzen.

WBM-Sprecher Matthias Borowski erläuterte, die Latrine werde im Verlauf des Monats Oktober einer gründlichen Begutachtung durch Restauratoren unterzogen und danach sicher für die Wintermonate eingelagert. Ab dem Frühjahr 2024 hätten Besucherinnen und Besucher Gelegenheit, sie zu besichtigen.

Der Neubau selbst, mit dem die WBM bezahlbare Wohnungen im Stadtkern geschaffen hat, war umstritten: Der ursprüngliche Hochhausentwurf für einen 58 Meter hohen Bau am Mühlendamm war nach Protesten gekippt worden. Aber auch der dann entwickelte Plan hat breite Kreise enttäuscht. Jetzt orientiere sich das WBM-Gebäude, das im nächsten Jahr bezogen werden soll, in der Höhe zwar an den Bauten der Umgebung, heißt es. Ansonsten lasse es Bezüge zur stadtgeschichtlichen Bedeutung des Ortes vermissen.

Die Fischerinsel und der Petriplatz gelten als die Wiege Berlins

Die Fischerinsel, 1237 erstmals als Stadt Cölln erwähnt, gehört zu den ältesten innerstädtischen Siedlungsgebieten Berlins. Dazu gehört auch der Petriplatz gegenüber, auf dem ebenfalls jahrelang gegraben wurde. Was man heute weiß: Wo heute tausende Autos entlang fahren, stand die Wiege Berlins, genauer gesagt, es lebten hier die Bewohner der Stadt Cölln, die mit Berlin eine Einheit bildete.

Archäologen konnten auf der Fischerinsel mit Spaten, Kelle und Pinsel Reste mittelalterlicher Bebauung und Zeugnisse uralter Lebensweise freilegen. Ans Tageslicht gelangten vor allem Gefäßfragmente, Ziegelsteine, aber auch Werkzeuge der Fischer, die hier gelebt und gearbeitet haben, ein kleiner Würfel aus Knochen.

Durch die Grabungen wollte man Aufschluss über die Besiedelungsstruktur von Cölln bekommen, um am Schluss sagen zu können, wo Häuser standen, und wie diese bewirtschaftet wurden. Da Urkunden und Chroniken nichts oder nur wenig darüber aussagen, wie die Menschen damals ihren Lebensunterhalt verdienten, gelten Bodenurkunden dafür als wichtige Quellen.