Berlin. Zwei Jahre nach dem erfolgreichen Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienkonzerne nimmt die Initiative neuen Anlauf.
Exakt zwei Jahre nach dem gewonnen Volksentscheid zur Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne in Berlin hat die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ nachgelegt. Wie die Initiative bei einer Open-Air-Pressekonferenz vor dem Roten Rathaus am Dienstag mitteilte, werde man ein neues Volksbegehren starten.
Diesmal allerdings wird der Senat nicht erneut aufgefordert, ein Gesetz zur Vergesellschaftung von Wohnungskonzernen zu erarbeiten. „Die Verzögerungstaktik des Berliner Senats hat uns gezeigt, dass wir dies selbst in die Hand nehmen müssen“, so Achim Lindemann, Sprecher der Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen.
Konkret werde die Initiative, so Lindemann weiter, ein eigenes Vergesellschaftungsgesetz erarbeiten und einen Gesetzesvolksentscheid einleiten, über den die Berlinerinnen und Berliner erneut abstimmen können. „Vor genau zwei Jahren haben wir einen historischen Erfolg gefeiert“, ergänzte Veza Clute-Simon.
59,1 Prozent beziehungsweise eine Million Wahlberechtigte hätten für die Vergesellschaftung von Wohnungskonzernen mit mehr als 3000 Wohnungen gestimmt und den Senat aufgefordert, ein entsprechendes Gesetz zu erarbeiten. „Doch anstatt dem Willen der Berliner nachzukommen, hat die Politik immer wieder versucht, die Umsetzung auf die lange Bank zu schieben“, so Clute-Simon weiter.
Initiative: Rahmengesetz des Senats ist „Verschleppungsgesetz“
Schon die Einsetzung der Expertenkommission durch den rot-grün-roten Vorgängersenat im April 2022 wertet die Initiative als Versuch, das demokratisch abgestimmte Vorhaben zu verzögern. „Doch die Rechnung ist nicht aufgegangen, die Expertenkommission unter der Vorsitzenden ehemaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) sei zu dem Ergebnis gekommen: „Es ist machbar, finanzierbar und auch das geeignete Mittel“, so die Sprecherin.
2024 soll ein Enteignungsgesetz vorgelegt werden
Allerdings hat der schwarz-rote Senat nicht vor, diese Möglichkeit schnell zu nutzen. Er hat angekündigt, zunächst ein Vergesellschaftungsrahmengesetz auszuarbeiten, das erst zwei Jahre nach seiner Verkündung in Kraft treten soll. Davor soll es vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden. Aus der CDU gab es außerdem mehrfach Äußerungen gegen die Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen, zuletzt erst bei der Plenarsitzung im Abgeordnetenhaus am vergangenen Donnerstag.
Das Rahmengesetz des Senats wertet die Initiative als „juristischen Unsinn“, es sei ein Gesetz, das keine unmittelbare Wirkung habe. Angesichts der zahlreichen Versuche, den erfolgreichen Volksentscheid zu begraben, haben sich die Initiative daher entschlossen, das Gesetz nun selbst zu erarbeiten: „Wir werden parallel zum Verschleppungsgesetz des Senats ein echtes Vergesellschaftungsgesetz erarbeiten und dies anschließend in einem Volksbegehren zur Abstimmung vorlegen.“
Die Initiative rechnet damit, diesen Prozess im Laufe des Jahres 2024 erfolgreich abschließen und den Berlinern zur Abstimmung vorlegen zu können. Ob dies zur nächsten Berlin-Wahl 2026 geschehen könne, sei aber noch offen, so der Sprecher weiter.

Neue Kampagne benötigt 100.000 Euro
Um das Vorhaben zu einem Erfolg zu bringen, benötige man die Unterstützung der Berlinerinnen und Berliner. Deshalb starte die Initiative heute eine Crowdfunding-Kampagne. „In den kommenden Monaten werden wir mit fachkundigen Juristinnen und Expertinnen aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft zusammenarbeiten, um ein rechtssicheres und verlässliches Vergesellschaftungsgesetz zu erarbeiten“, kündigte Lindemann an.
Dafür brauche es finanzielle Unterstützung. Auch Büros, Plakate und Infomaterial für das neue Vorhaben müssten bezahlt werden. Jeder Euro hilft, um den skrupellosen Machenschaften der Immobilienkonzerne etwas entgegenzusetzen.“ Das Ziel sei, 100.000 Euro einzuwerben, um in den neuen Prozess zu starten.
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Auf die Frage, warum Deutsche Wohnen und Co enteignen 2021 nicht gleich ein selbst erarbeitetes Vergesellschaftungsgesetz zur Abstimmung gebracht und damit viel Zeit eingespart habe, entgegnete die Initiative, dass der Initiative dazu damals das nötige Fachwissen gefehlt habe. Der erfolgreiche Volksentscheid habe ja erst zu der Fachdebatte geführt, die nun Klarheit geschaffen habe, dass ein solches Gesetz möglich ist. „Zudem hatten wir damals darauf vertraut, dass der Senat ein so starkes Votum nicht einfach ignoriert“, sagte Lindemann.
Die Initiative knüpft große Erwartungen an das Enteignungsgesetz. Werde das Gesetz per Volksentscheid in Kraft treten, „werden die Angebotsmieten in Berlin sofort sinken, denn es gibt keinen Profitdruck mehr“, sagte Clute-Simon. Auch außerhalb der enteigneten Bestände wäre die Auswirkung auf dem Mietwohnungsmarkt spürbar, denn die deutlich niedrigeren Mieten würde sich unmittelbar auf den Mietspiegel auswirken.
Grüne und Linke sichern Unterstützung zu
Unterstützung erhielt die Initiative am Dienstag von Grünen und Linken. Die Linke-Landesvorsitzende Franziska Brychcy betonte, der „jetzige Anlauf für einen zweiten Volksentscheid über ein konkretes Vergesellschaftungsgesetz ist folgerichtig und wir wollen den gemeinsamen Erfolg wiederholen und 240.000 Wohnungen in öffentliche Hand holen.“
Philmon Ghirmai, Landesvorsitzender der Grünen machte die „Verschleppungspolitik der schwarz-roten Koalition“ für den erneuten Vorstoß der Initiative verantwortlich: „ Wir freuen uns darauf, uns in die Debatte um ein konkretes Vergesellschaftungsgesetz einzubringen“, so der Grünen-Politiker.