Berlin. Senat und landeseigene Wohnungsbaugesellschaften haben eine neue Kooperationsvereinbarung geschlossen. Was ab 2024 gelten soll.
Eineinhalb Jahre galt für die Bewohner von rund 358.000 landeseigenen Wohnungen ein Mietenstopp, in den drei Jahren zuvor war die jährliche Mietsteigerung auf ein Prozent begrenzt. Doch ab kommenden Jahr sollen die Mieten wieder deutlich steigen: Um 2,9 Prozent jährlich, beziehungsweise 8,7 Prozent in drei Jahren. Das sieht die neue Kooperationsvereinbarung zwischen Berliner Senat und den landeseigenen Wohnungsunternehmen vor, die am Montag veröffentlicht wurde.
„Dieser Wert liegt 40 Prozent unter der gesetzlichen Obergrenze, 20 Prozent unter den im Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbare Mieten vereinbarten Grenzen und 45 Prozent unter der Steigerung des Mietspiegels“, sagte Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) bei der Vorstellung der Kooperationsvereinbarung. Gelten soll diese ab 1. Januar 2024 bis Ende 2027 nicht nur bei Degewo, Gesobau, Gewobag, Howoge, Stadt und Land sowie WBM, sondern auch in den Beständen der ebenfalls landeseigenen Berlinovo mit rund 24.000 klassischen Mieteinheiten.
Mietobergrenzen orientieren sich an der Wohnfläche
Neu sind auch generelle Mietobergrenzen, die sich an der Wohnungsgröße orientieren. So darf eine 65 Quadratmeter große Wohnung maximal um 50 Euro erhöht werden, 100 Quadratmeter um 75 Euro und bis zu 125 Quadratmeter um bis zu 100 Euro.
Bei Modernisierungsvorhaben dürfen zudem maximal zwei Euro je Quadratmeter Wohnfläche monatlich innerhalb von sechs Jahren auf den Mieter umgelegt werden.
Senat gibt ein „Leistbarkeitsversprechen“
Damit müssen in Berlin nun rund 750.000 Mieterinnen und Mieter in mehr als 370.000 Wohnungen ab kommenden Jahr mit einer entsprechenden Mieterhöhung rechnen. „Nur so können sie die Bestände instand halten sowie in den dringend benötigten bezahlbaren Wohnungsneubau und die klimagerechte Sanierung investieren“, begründete der Stadtentwicklungssenator. Ein sogenanntes Leistbarkeitsversprechen soll gewährleisten, dass Haushalte mit niedrigeren Einkommen keine oder nur sehr geringe Mieterhöhungen erhalten.
„Berlin gibt den Mieterinnen und Mietern seiner Wohnungsunternehmen ein Versprechen: Niemand soll künftig mehr als 27 Prozent seines Haushaltseinkommens für die Miete aufwenden müssen“, ergänzte Stefan Evers, Senator für Finanzen (CDU). Vorher lag die Belastungsgrenze bei 30 Prozent.
Miete nicht höher als 27 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens
Konkret bedeutet dies, dass die Belastung des jeweiligen Haushalts durch die Nettokaltmiete nicht mehr als 27 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens beträgt – sofern nicht die für einen Wohnberechtigungsschein (WBS) maßgebliche Wohnungsgröße überschritten wird. Bei Überschreitung der Wohnflächengrenze erfolgt die Absenkung der Miete anteilig.
Neu sind auch die Obergrenzen, die bei der Vermietung von neu gebauten Wohnungen verlangt werden dürfen. Diese dürfen im freifinanzierten Segment bis zu 15 Euro je Quadratmeter betragen - bisher lag die Obergrenze bei 11,50 Euro.
Vereinbart wurde zudem, dass 63 Prozent der zur Wiedervermietung kommenden Wohnungen im Bestand der Landeseigenen zu 63 Prozent an WBS-berechtigte Haushalte gehen - und zwar hälftig an Haushalte mit einem Einkommen Menschen mit kleinem Einkommen (bis WBS 140) und an Haushalte mit mittleren Einkommen (WBS 140 bis WBS 220).
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Bausenator: Vereinbarung keine Ideallösung
Evers und Gaebler begründeten die Neufassung der Kooperationsvereinbarung mit den stark veränderten Rahmenbedingungen. Dazu zählten etwa die gestiegenen Personal-, Bau- und Finanzierungskosten. Zudem habe der Senat mit den Landeseigenen angesichts des starken Bevölkerungswachstums das Ziel von 6500 Neubauwohnungen jährlich sowie die Klimaneutralität des Bestands bis 2045 vorgegeben.
Gaebler räumte ein, dass die Vereinbarung keine Ideallösung sei. Es gebe einen Zielkonflikt. Auf der einen Seite brauche man wirtschaftlich erfolgreiche Wohnungsbaugesellschaften, die Neubau, energetische Sanierung und höhere Kosten für die Bezahlung der Mitarbeiter stemmen sollen. Auf der anderen Seite hätten Mieterinnen und Mieter Anspruch auf gute und gleichzeitig bezahlbare Wohnungen.
Lob von den Wohnungsbaugesellschaften, Kritik von Mieterverein und Opposition
Gesobau-Vorstandsmitglied Jörg Franzen, gleichzeitig Sprecher der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, sagte, man habe sich vergleichsweise schnell nach nur zwei Treffen geeinigt. Die Vereinbarung sei ein Kompromiss, der den Unternehmen Luft zum Atmen gebe. Mieterhöhungen sind aus seiner Sicht unvermeidlich. Schließlich seien für die nächsten Jahre mehr als 50.000 neue Wohnungen geplant. Zusätzlich sollen die Wohnungsbestände bis 2045 klimaneutral sein. Es sei klar, dass das nicht mit den Regeln der bisherigen Kooperationsvereinbarung gestemmt werden könne.
Kritik kam dagegen vom Berliner Mieterverein und der Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus. „Menschen mit kleinem Einkommen werden durch diese neue Kooperationsvereinbarung benachteiligt, sie ist im Vergleich zur vorherigen Vereinbarung eine wesentliche Verschlechterung für alle Mieterinnen und Mieter“ so Ulrike Hamann, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins (BMV). Ein Skandal seien auch die hohen Einstiegsmieten im Neubau, sagte Hamann.
„Wir brauchen gezielte Entlastungen einkommensschwacher Mieterinnen und Mieter statt Mieterhöhungen mit der Gießkanne“, monierte Katrin Schmidberger (Grüne), Sprecherin für Wohnen und Mieten. Und für die Linksfraktion sprach Niklas Schenker, Sprecher für Mieten und Wohnen sogar vom „sozialen Kahlschlag“. Angesichts von Inflation und steigenden Kosten sei es unverantwortlich, dass die Mieten um fast 9 Prozent bis zum Ende der Legislaturperiode steigen sollen.