Berlin (dpa/bb). Linke und Grüne werfen dem schwarz-roten Senat bei Wohnungsbau und Mietenpolitik Versagen vor. Bausenator Gaebler hält dagegen - und die CDU an ihrer Skepsis gegenüber Vergesellschaftung fest.
Beim Thema Wohnungsbau und Mietenpolitik gehen die Ansichten zwischen schwarz-roter Landesregierung und Opposition deutlich auseinander. Die Landesregierung sieht sich nach rund fünf Monaten im Amt auf dem richtigen Weg, Linke und Grüne werfen ihr Versagen vor. Das Thema Vergesellschaftung von großen Wohnungsunternehmen polarisierte erneut. Die CDU steht der Idee weiter ablehnend gegenüber. Bei der Debatte über Wohnungsnot im Abgeordnetenhaus in Berlin, warnte CDU-Wirtschaftsexperte Christian Gräff am Donnerstag davor und griff vor allem die Linke scharf an.
„Wohnungsbau ist Ihnen egal“, kritisierte er und sagte, mit der CDU werde es keine Enteignungen geben. Auf diesem Weg würden keine neuen Wohnungen geschaffen. Schwarz-Rot sei die einzige Koalition, die den nötigen Wohnungsbau stemmen könne. Die Diskussion über das Thema hat neuen Auftrieb bekommen, nachdem die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ am Mittwoch mitgeteilt hatte, Anfang kommender Woche weitere Schritte für ihr Anliegen bekanntzugeben. Es wird erwartet, dass sie einen zweiten Volksentscheid plant, bei dem diesmal direkt über ein Gesetz zur Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen abgestimmt werden soll.
Gräff sagte, ausreichend Wohnungen zu schaffen, sei in Berlin die größte Herausforderung seit der Wiedervereinigung. Er versicherte, der Senat werde das Thema Wohnungsnot angehen. Schwarz-Rot werde dafür neue Stadtquartiere schaffen, die Bauordnung ändern und den Ausbau von Dachgeschossen erleichtern.
Stadtentwicklungs- und Bausenator Christian Gaebler (SPD) stimmte Gräff in vielen Punkten zu. Auch er nannte bezahlbares Wohnen die große Herausforderung für Berlin und sagte, der Senat habe sich in dieser Hinsicht vieles vorgenommen. Daran mehr Wohnungen zu bauen, führt aus seiner Sicht kein Weg vorbei.
Die Bevölkerung wachse, die hohe Nachfrage treffe auf ein zu geringes Angebot, argumentierte der SPD-Politiker. Gaebler warf dem ehemaligen Koalitionspartner von der Linken vor, in den Wohnungsbauprojekten, die die Partei verhindert habe, könnten schon Zehntausende Berlinerinnen und Berliner wohnen und lobte Schwarz-Rot: „Diese Koalition ist die richtige, wenn es um Wohnungsbau geht.“
Gaebler verteidigte auch die Überlegungen zu neuen Regeln bei der Wohnungsvergabe bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Die Zahl der Zimmer soll sich künftig mehr als bisher an der Haushaltsgröße orientieren. Es sei ein richtiges Anliegen, mehr darauf zu achten, wie viele familiengerechte Wohnungen zur Verfügung stehen und ob dort Singles oder Familien einziehen sollten, so der Senator.
Harald Laatsch von der AfD kritisierte diese Pläne von Schwarz-Rot als „sozialistische Wohnungswirtschaft“. Ein wichtiger Grund für den Wohnungsmangel sei die Zuwanderung, sagte er. Es fehle an genügend Wohnungen für Berliner, für sie werde nichts getan. Zuletzt sei nur so viel gebaut worden, dass der Bedarf durch Zuwanderung gedeckt worden sei.
Auch der Linke-Abgeordnete Niklas Schenker griff Schwarz-Rot und insbesondere die CDU an: „Sie erzählen die gleiche Soße seit zehn Jahren: „Bauen, Bauen, Bauen““, sagte er. Die wohnungspolitische Bilanz nach knapp einem halben Jahr der neuen Landesregierung falle bescheiden aus. „Sie wollen die Mieten für die ärmsten Mieterinnen und Mieter anheben“, kritisierte er. „Das Gegenteil wäre richtig.“ Schenker sprach sich für eine Verlängerung des Mietenstopps aus.
Außerdem sei es notwendig, die landeseigenen Unternehmen so zu stärken, dass sie mehr bauen könnten. Private Konzerne versagten beim Wohnungsbau komplett. „Die wahren Bauverhinderer sitzen im Senat“, sagte Schenker. Beim sozialen Wohnungsbau attestierte er Schwarz-Rot eine „Vollkatastrophe“. Der Senat bleibe weit hinter den eigenen Zielen zurück.
Zur Diskussion um Vergesellschaftung ergänzte er: „Nicht enteignen schafft auch keine einzige neue Wohnung.“ Bauen und Wohnen seien zu wichtig, um sie dem Markt zu überlassen. Der Senat lege die Vergesellschaftung leichtfertig ad acta. „Der Volksentscheid muss endlich umgesetzt werden.“ Sollte es zu einem zweiten Volksentscheid kommen, sagte Schenker dem Senat eine Niederlage voraus.
Katrin Schmidberger von den Grünen hielt der CDU vor, sie sei beim Mieterschutz ein Totalausfall. Die Wohnungspolitik-Expertin forderte eine Schärfung des Zweckentfremdungsverbots, um Abriss von Wohnhäusern zu verhindern, und ein Miet- und Wohnkataster, das mehr Transparenz bei den Besitzverhältnissen ermöglichen soll.
Das von Schwarz-Rot angekündigte Vergesellschaftungsrahmengesetz kritisierte sie als überflüssig und warf der SPD in dieser Hinsicht Arbeitsverweigerung vor. Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ müsse jetzt den Job des Senats machen.
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