Berlin. Im laufenden Tarifkonflikt kündigt die Gewerkschaft ab Donnerstag einen dreitägigen Streik an. Welche Folgen für Berlin absehbar sind.
Die Gewerkschaft Verdi will mit einem dreitätigen Streik den Druck auf die Arbeitgeber in den festgefahrenen Tarifverhandlungen für den Einzelhandel in Berlin und Brandenburg erhöhen. Wie Verdi am Mittwoch mitteilte, habe man von Donnerstag, dem 14. September, bis einschließlich Samstag, 16. September zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen.
Die Beschäftigtenvertreter begründeten den Schritt damit, dass die Arbeitgeber weiterhin an ihrer Forderung nach Reallohnverlusten für die Beschäftigten festhielten. Verdi hingegen bestehe dagegen in Berlin-Brandenburg und bundesweit auf einer Lohnerhöhung, die die Reallöhne sichere, hieß es laut Mitteilung.
Verdi Berlin: Arbeitgeber müssen sich im laufenden Tarifkonflikt „deutlich bewegen“
Konkret fordert die Gewerkschaft 2,50 Euro mehr Lohn pro Stunde. Diese deutliche Lohnerhöhung sei auch deshalb nötig, weil vielen Beschäftigten im Einzelhandel bereits jetzt die Altersarmut drohe. Arbeitgeber böten bislang umgerechnet auf den Stundenlohn eine Erhöhung der Gehälter um lediglich 90 Cent an, so die Gewerkschaft.
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„90 Cent im Vergleich zu 2,50 Euro. Das ist eine Differenz, bei der es nicht möglich ist, in konstruktive Tarifverhandlungen einzusteigen. Die Arbeitgeber müssen sich endlich deutlich bewegen. Das zeigt auch die Beteiligung der Beschäftigten an den Streiks. Bisher zeigen die Unternehmen ihre Kreativität nur, wenn es darum geht, den Kund:innen immer neue Ausreden aufzutischen, weil das Warenangebot in den Filialen streikbedingt ausgedünnt ist“, sagte Conny Weißbach, Verdi-Landesfachbereichsleiterin für den Handel in Berlin und Brandenburg.
Mehr als 100.000 Beschäftigte sind bei Unternehmen des Handels in Berlin tätig
In der deutschen Hauptstadt arbeiten etwas mehr als 100.000 Beschäftigte für Unternehmen des Einzelhandels. Der Handelsverband Berlin-Brandenburg (HBB) hält die Auswirkungen der angekündigten dreitägigen Arbeitsniederlegung für gering. HBB-Chef Nils Busch-Petersen sagte am Mittwoch der Berliner Morgenpost in einer ersten Reaktion: „Der angekündigte Streik bleibt für die Gesamtheit der Berliner Läden ohne Relevanz“. Denkbar sei, dass es kurzzeitig zu längeren Warteschlangen an den Kassen komme. „Der Berliner Handel mit seinen gut 21.000 Geschäften wird seinen Gästen weiterhin zu Verfügung stehen“, so Busch-Petersen weiter.
Der HBB zweifelt auch deshalb an gravierenden Folgen mit Blick auf Öffnungszeiten oder Warenverfügbarkeit, weil die gewerkschaftliche Durchdringung bei den Beschäftigten im Handel nicht sonderlich hoch sei. Experten schätzen, dass weniger als zehn Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Berliner Handel gewerkschaftlich organisiert sind.
Handelsverband hält eigenes Angebot für gut
Verdis Vorwurf, der Vorschlag der Arbeitgeber würde einem Reallohnverlust gleichkommen, wies Busch-Petersen zurück. „Das ist kein schlechtes Angebot“, sagte er. Konkret bietet der Handelsverband eine Erhöhung der Löhne im ersten Tarifjahr ab 1. Oktober um 5,3 Prozent an. Ab 1. Juli 2024 sollen die Gehälter noch einmal um 3,1 Prozent steigen. Zudem soll einmalig eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 450 Euro gezahlt werden. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrags soll 24 Monate betragen. In dem Zeitraum soll der tarifliche Mindestlohn auf 13,50 Euro steigen.
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Verdi ist das nicht genug. „Während sie auf der einen Seite den Fachkräftemangel beklagen, vertreiben die Arbeitgeber die Beschäftigten mit ihrer Lohnpolitik geradezu aus dem Handel. Bei so einer Unternehmenspolitik wird auch ein Bündnis für Ausbildung keine Abhilfe schaffen können“, erklärte Andrea Kühnemann, Verdi-Landesleiterin für die Hauptstadtregion.
Eine Streikkundgebung ist auf dem Breitscheidplatz geplant
Neben der Entgelterhöhung will die Gewerkschaft auch eine Angleichung der Laufzeit Tarifverträge durchsetzen. Hintergrund der Forderung ist dass in Berlin und Brandenburg die Verhandlungen auf Grund der Laufzeit der Tarifverträge erst drei Monate nachgelagert zu den Verhandlungen in den anderen Bundesländern beginnen würden. Damit hätten Unternehmen und Beschäftigten in der Hauptstadtregion nicht die Möglichkeit, von Beginn an in die Verhandlungen einzugreifen. „Dies wird der Bedeutung der Hauptstadtregion und der Stellung des Handels als zweitgrößter Arbeitgeber nicht gerecht“, hieß es von Verdi.
Eine Streik-Kundgebung ist am Donnerstag ab 11 Uhr auf dem Breitscheidplatz geplant. Neben Verdi-Vertreten werden dort auch die DGB-Vorsitzende von Berlin-Brandenburg, Katja Karger, und der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erwartet.