Berlin. Macht es Berlin wie Bremen? In der Hansestadt ist eine Ausbildungsplatzumlage beschlossene Sache. Firmen sind erbost, die Kammer klagt.

Michael Zeimet (52) kann man guten Gewissens als Kenner der Wirtschaft in seinem Bundesland bezeichnen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Zeimet für die Industrie- und Handelskammer (IHK) in Bremen tätig. Die letzten vier Jahre lang kümmerte er sich dabei als Geschäftsführer um den Bereich Aus- und Weiterbildung. In der Hansestadt ist das neuerdings ein Thema mit viel Sprengkraft.

Denn im März hatte die Koalition aus SPD, Grünen und Linken in der bremischen Bürgerschaft die Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe beschlossen. Ab 2025 müssen – so sehen es die Pläne vor – fast alle Unternehmen im Land Bremen eine Umlage zahlen. Von dem so eingesammelten Geld sollen dann die Betriebe unterstützt werden, die ausbilden.

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Ausbildungsplatzumlage in Bremen: Ausbildende Betriebe erhalten 2250 Euro je Azubi

Wie erbost die Wirtschaft darüber nicht erst seit dem Bürgerschaftsbeschluss ist, hat Michael Zeimet beobachtet. Nicht so sehr die Zahlung an sich, aber das „bürokratische Monster“, das damit entstehe, hätte die sonst als so besonnen geltenden Bremer Unternehmer regelrecht aufgebracht, berichtet Zeimet. Gleich zweimal seien die hanseatischen Kaufleute vor die Bürgerschaft gezogen, um gegen die Umlage zu protestieren. Genützt hat das nichts.

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Konkret sieht das Gesetz vor, dass Unternehmen im Land Bremen 0,27 Prozent ihrer Bruttolohnsumme in einen Fonds einzahlen. Bildet eine Firma aus, erhält sie knapp 2250 Euro je Azubi zurück. Kleinstbetriebe mit drei bis vier Mitarbeitern und einer maximalen Bruttolohnsumme von 135.000 Euro sind davon ausgenommen. Diese Firmen würden dann aber auch – selbst wenn sie ausbilden – keine Zahlungen aus der Umlage erhalten.

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Millionen Euro bewegt: So viel Geld erwartet man in Bremen aus der Ausbildungsumlage

Insgesamt geht Bremens Senat davon aus, dass pro Jahr rund 39 Millionen Euro an Zahlungen der Betriebe in den sogenannten Ausbildungsunterstützungsfonds fließen werden. Davon sollen 31 Millionen Euro wieder an Firmen mit Lehrlingen zurücküberwiesen werden. Der Rest des eingesammelten Geldes soll in weitere Projekte und Maßnahmen fließen, um Ausbildung und Berufsorientierung zu fördern.

Bremen ist das erste deutsche Bundesland, das eine solche Ausbildungsplatzabgabe eingeführt hat. In einigen Branchen, zum Beispiel auf dem Bau, gibt es bereits eine solche Umlage. So etwas für alle Unternehmen einzuführen, ist aber Neuland. Auch in Berlin zeigt sich der neue Senat aus CDU und SPD offen für eine solche Umlage. Noch hat man das hier aber aufgeschoben.

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Auch in Berlin könnten eine Ausbildungsabgabe kommen

Die Hauptstadt-Wirtschaft muss nun 2000 zusätzliche Ausbildungsverträge unter Dach und Fach bringen. Erreicht werden soll dieses Ziel bis zum Stichtag 31. August 2025. Als Basis gilt der 31. August diesen Jahres. Schon die Vorgänger-Regierung aus SPD, Grünen und Linken hatte sich die Einführung einer solchen Abgabe in den Koalitionsvertrag geschrieben. Die SPD hielt daran fest, weil sie eine „Schieflage auf dem Berliner Ausbildungsmarkt“ erkannt habe. Heißt: Trotz Fachkräftemangel bilden Berliner Betriebe zu wenig aus. Berlins IHK und andere Wirtschaftsverbände sehen das naturgemäß anders, verweisen auch auf die hohe Zahl an angebotenen Lehrstellen, die Jahr für Jahr unbesetzt bleiben.

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In Bremen hat die dortige Kammer längst juristische Schritte gegen die beschlossene Ausbildungsplatzumlage eingeleitet. Mit einem Antrag auf ein Normenkontrollverfahren ist man im Juli vor den Bremer Staatsgerichtshof gezogen. Unterstützt wurde die Kammer dabei von einem breiten Bündnis: Auch Handwerks-, Apotheker-, Rechtsanwalts- und Zahnärztekammer hätten sich diesem rechtlichen Schritt angeschlossen, so IHK-Geschäftsführer Michael Zeimet. Vor allem „schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken“, führen die Kläger an. Damit einher schwingt die Hoffnung, dass der Gerichtshof die politisch gewollte Abgabe doch noch kippt. Die IHK rechnet damit, dass im nächsten Jahr dazu eine Entscheidung fällt.

Kammer in Bremen bemängelt bürokratischen Aufwand für die Umlage

Dann würde sich auch das Bürokratische an der Umlage erledigen. Im Moment geht das Land Bremen davon aus, dass sich in der Verwaltung bis zu zwölf Vollzeitmitarbeiter mit der Umlage werden beschäftigen müssen. Dafür soll ein neues Referat – voraussichtlich bei der Arbeitsverwaltung – aufgebaut werden. Zusätzlich muss man innerhalb der Landes-IT die Voraussetzungen dafür schaffen, die Umlage auch umsetzen zu können. Der Aufwand dafür dürfte in die Millionen gehen. Finanzieren wollte das das Land zunächst über die Umlage selbst. Dieser Plan aber ist im letzten Moment aus der Beschlussformulierung gestrichen worden. Nun müssen dafür Haushaltsmittel aufgebracht werden.

Finanziell profitieren von der Abgabe könnten am Ende kleinere Unternehmen, die ausbilden. Großkonzerne mit Standorten in Bremen wie Mercedes Benz, ArcelorMittal oder Airbus dürften zwar auch die höchsten Beträge in den Fonds einzahlen, hätten aber im Verhältnis zu einem 20-Mann-Betrieb mit zwei Azubis eine geringere Ausbildungsquote. „Kleine Firmen, die ausbilden, kriegen wahrscheinlich was raus“, sagt Zeimet.

Dass die Umlage letztlich dafür sorgt, mehr junge Menschen in Ausbildung zu bringen, bezweifelt die Kammer. Einer Umfrage zufolge, gelingt es schon heute der Hälfte der Unternehmen in Bremen nicht mehr, alle angebotenen Ausbildungsplätze zu besetzen. „Jeder Unternehmer läuft doch den jungen Leuten hinterher“, sagt Zeimet. Auch die Umlage wird daran wohl nichts ändern.