Berlin. In zwei Wochen wollen die Klimaaktivisten wieder Berlin „lahmlegen“. Mittlerweile werben sie auch unter der Polizei um Unterstützung.
Knapp zwei Wochen, bevor die Klimaaktivisten der Letzten Generation die Hauptstadt erneut mit ihren Straßenblockaden „lahmlegen“ wollen, haben Berliner Polizei und Senat ein konsequentes und zügiges Vorgehen gegenüber den Aktionen der so genannten „Klimakleber“ angekündigt. Hierzu wolle man die bisher gesammelten Erfahrungen mit der Gruppe nutzen und Polizisten offen und verdeckt an möglichen Blockadeorten postieren, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses.
Die Letzte Generation hatte vor einigen Tagen in ihrem Messengerkanal große Blockaden für die Wochen vom 18. bis 22. September, vom 23. bis 27. Oktober und vom 27. November bis 1. Dezember bekannt gegeben. Sie forderte alle Unterstützer auf, ab dem 13. September nach Berlin zu kommen. Um „strategische Akzente“ bei den Forderungen nach mehr Klimaschutz zu setzen, werde es Wochen geben, „in denen wir geballte Kraft auf den Straßen brauchen“. Bis Montag hatten sich laut der Internetseite der Gruppe 329 Menschen als Teilnehmer für diese Proteste in Berlin angemeldet.
Polizei Berlin: 484.713 Einsatzstunden wegen Klimaaktivisten
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und Slowik betonten derweil, dass Politik und Polizei die Störungen nicht hinnehmen werden. „Die Polizei weiß genau, an welchen Brennpunkten am liebsten festgeklebt wird“, warnte Spranger. Slowik erklärte, grundsätzlich sei zwar die Kommunikation das stärkste Mittel der Polizei. Wenn es allerdings, wie bei diesen Blockaden, um angekündigte Straftaten gehe, werde die Polizei „die Kommunikation deutlich verkürzen“ und schnell und gezielt eingreifen.
Wie enorm die Belastung ist, der die Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden durch die Klimaaktivsten ausgesetzt sind, zeigten dabei die frischen Zahlen, die Slowik und Spranger mit im Gepäck hatten. Bisher habe die Polizei demnach seit Anfang 2022 insgesamt 484.713 Einsatzstunden in diesem Bereich leisten müssen. Es habe 619 Blockaden und andere Aktionen vor allem von der Letzten Generation, aber auch von anderen Gruppen wie „Extinction Rebellion“ gegeben. Für die Polizei seien diese Blockaden ein Riesenaufwand, so Spranger: „Ich würde die Polizei lieber dazu einsetzen, um gegen Drogendealer vorzugehen.“
Ganze achtzehn Kriminalpolizisten befassten sich im Landeskriminalamt (LKA) nur mit den Ermittlungen zu dem Themenkomplex Klimaaktivismus. Die Polizei habe in diesem Zuge 1200 Verdächtige festgestellt und 465 Gefährderansprachen gehalten. 4892 Strafanzeigen seien zusammengekommen. Mit bisher 1294 Gebührenbescheiden habe die Polizei zudem von den Blockierern Geld zur Erstattung von Kosten gefordert.
Spranger: Auch gegen Selbstjustiz wird vorgegangen
Bei der Feuerwehr wiederum seien 119 Verzögerungen bei Einsätzen registriert worden. Das bedeute in Zahlen einen Zeitverlust von insgesamt 21 Stunden und 28 Minuten. In 99 Fällen gab es allerdings auch Strafanzeigen wegen Straftaten gegen die Aktivisten selbst - etwa durch Autofahrer, die wegen den Blockaden im Stau standen und handgreiflich wurden. Spranger versicherte, die Polizei werde auch diese Art von Selbstjustiz nicht hinnehmen, sondern konsequent unterbinden.
Sie betonte jedoch in Bezug auf die Blockaden: „Es sind Straftaten und es bleiben Straftaten.“ Dieses Verhalten sei nicht vom Demonstrationsrecht gedeckt und verlasse die „Grundlage des demokratischen Diskurses“. Spranger reagierte damit auf den Linken-Abgeordneten Ferat Kocak, der betont hatte, ziviler Widerstand für besseren Klimaschutz wie im Falle der Letzten Generation sei keine Straftat.
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Eine in Teilen der Stadt salonfähige Einstellung, die die Berliner Polizeigewerkschaft GdP schockiert. „Wer unser Versammlungsrecht missachtet, begeht Rechtsbrüche, für die es im Rechtsstaat keinerlei Verständnis geben kann, nur weil man sich das Label Klimaschutz gibt“, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro der Morgenpost. „Jeder, der die Aktionen unterstützt, solidarisiert sich mit einer Organisation, die sämtliche Parameter einer kriminellen Vereinigung erfüllt.“
Aktivisten werben unter Polizisten um Unterstützung
Dementsprechend kritisch sehe man es auch, wenn Mitglieder der Letzten Generation an Hochschulen, an denen Polizeinachwuchs ausgebildet wird, ein Forum erhalten „Die teils sehr jungen Anwärterinnen und Anwärter im ersten Ausbildungsjahr unterliegen bereits dem Legalitätsprinzip, wissen aber vielleicht noch nicht alles über die Rechten und Pflichten ihres Berufs“, so Jendro. Es sei problematisch, dass hier über das berechtigte Anliegen des Klimaschutzes Sympathien für Straftaten aufgebaut würden, eine Unterstützung der Aktivisten sei nicht wirklich mit den beamten- und dienstrechtlichen Pflichten vereinbar.
Zuletzt hatte es entsprechende Podiumsdiskussionen mit Aktivisten auch an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) gegeben, an der Studierende des gehobenen Polizeidienstes ausgebildet werden. Am Wochenende hatte ein öffentlicher Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zudem gezeigt, wie intensiv die Klimaaktivisten der Letzten Generation mittlerweile versuchen, auch unter Polizisten Anhängerinnen und Anhänger zu rekrutieren.
mit dpa