- Zähne putzen völlig anders: Das Berliner Unternehmen Denttabs produziert Zahnputztabletten
- Die Alternative zur Zahnpasta hat sich bereits millionenfach verkauft, aber einige Zahnärzte sind skeptisch
- Gründer Axel Kaiser sagt hingegen: "Zahnpflege, so wie wir es kennen, war schon immer falsch"
Berlin. Axel Kaiser (60) hat Kfz-Mechaniker gelernt, fotografierte Musiker wie Michael Jackson bei Konzerten und brachte Ingenieuren bei, wie das so geht mit den neuen Computerprogrammen. Jetzt sitzt Axel Kaiser auf einem silberfarbenen Fass und sagt: „Mein Plan ist es, die Zahnpasta abzuschaffen“.
Das ist zwar leicht gesagt, aber wohl kaum als vergleichsweise kleiner Berliner Gründer einfach umzusetzen. Denn Zahnpasta ist rund um den Globus ein gutes Geschäft. Bis zu 1,5 Milliarden solcher Tuben gehen jeden Monat weltweit über den Ladentisch, in Deutschland sind es gut 40 Millionen, schätzen Branchenkenner. Konzerne wie Colgate, GSK, Procter & Gamble oder Unilever verdienen Milliarden mit der schäumenden Masse. Und Verbraucher würden ihren Konsum ohnehin nicht hinterfragen, so Kaiser. Sollten sie jedoch, fragt man den Unternehmer.
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Zahnputztabletten: Zähne polieren, anstatt putzen
Der Berliner hat bereits vor 20 Jahren seine ersten Zahnputztablette produzieren lassen. Es ist ein Produkt, das man erklären muss. Die kleine, weiße Pille wird zwischen den Zähnen zerdrückt. Mit der schaumigen Masse und einer weichen Zahnbürste wird dann geputzt. Oder wie Kaiser es formuliert: poliert. „Wir putzen gar nicht, wir polieren. Man fühlt beim ersten Mal, dass sich die Zähne wahnsinnig glatt anfühlen. An glatten Oberflächen kann nichts haften, keine Beläge, kein Zahnstein und vor allen Dingen kein Karies“, erklärt Kaiser.
Das silberfarbene Fass, auf den Kaiser gerade sitzt, steht in einer Fabrikhalle in Wedding unweit des Volksparks Humboldthain. Bis zu 400.000 Pillen passen in ein solches hinein. Denttabs, das Unternehmen, das Kaiser gründete, hat an einem der Innenhöfe auf dem alten Gelände seinen Sitz. Kaisers Mitarbeiter verpacken hier noch Reste, manchmal tüftelt der Gründer selbst in einem Labor noch an neuen Geschmacksrichtungen. Aber eigentlich lässt Denttabs die Zahnputzpillen längst in Polen beim einem Lohnfertiger herstellen. 75 Millionen Stück haben die Berliner im vergangenen Jahr verkauft. in 40 Länder exportiert man mittlerweile.
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Zahnputztabletten sind eigentlich wegen Nachhaltigkeit und nicht wegen Zahnpflege berühmt geworden
In Deutschland gibt es die Tüten bei Drogeriemärkten wie DM oder Budni. 4,95 Euro kostet eine Packung mit 125 Tabletten. Die sollen reichen, um zwei Zahnpastatuben zu ersetzen. Im vergangenen Jahr erzielte Denttabs gut 1,5 Millionen Euro Umsatz. Drei Millionen waren es 2019, als das Produkt erstmals in den Regalen von DM zu finden war. Kaiser erklärt den Rückgang auch mit einer „Corona-Delle“. Die Menschen hätten andere Sorgen gehabt und seien deshalb zu Gewohnheiten wie dem Zähneputzen mit Zahnpasta zurückgekehrt.
Bei den Restposten sind die Zahnputztabletten deswegen allerdings nicht gelandet. Inzwischen gebe es mehr als 100 Anbieter auf der Welt. Vor fünf Jahren hingegen sei er noch größtenteils alleine gewesen. Großgeworden ist die Tablette ursprünglich in den sogenannten Unverpackt-Läden. „Wir sind nicht bekannt geworden wegen der Zahnpflege, sondern wegen der Nachhaltigkeit“, sagt Kaiser. Anders als Zahnpasta kommt Denttabs ohne Wasser und natürlich auch ohne Kunststofftube aus. Die Tabletten werden in einer kompostierbaren Verpackung ausgeliefert.
Hauptbestandteil der Zahnputztabletten ist Holz
Die kleinen Tabs selbst bestehen zu 70 Prozent aus Holz. „Schwedische Fichte“, sagt der Gründer. Die Zellulose-Fasern sorgen laut Denttabs vor allem für ein glattes Gefühl auf den Zähnen nach dem Putzen. Hinzu kommen laut Inhaltsstoffliste unter anderem Zitronensäure, Kieselerde, Stevia, Rote Beete Wurzelpulver und auch Natriumfluorid. Anders aber als einige Zahnpasten kämen seine Tabletten ohne Konservierungsstoffe, Keimhemmer, Stabilisatoren und eben Wasser aus, sagt Denttabs-Chef Kaiser.
Das wiederum würde sich auch gesundheitlich auswirken. 13 klinischen Studien und sechs Laboruntersuchungen würden die Wirksamkeit der Denttabs belegen, so Kaiser. Menschen, die mit den Tabletten für Mundhygiene sorgen würden, hätten zudem keine Symptome wie Zahnfleischbluten, freiliegende Zahnhälse oder sogenannte Landkartenzungen mehr, behauptet Kaiser. Erfahrungsberichte der Nutzer würden das belegen. Schadet Zahnpasta also langfristig? Axel Kaiser jedenfalls geht davon aus. „Zahnpflege, so wie wir es kennen, war schon immer falsch. Es war zu keiner Zeit richtig, es war nur das Beste, was wir hatten“, sagt er.
Zahnputztabletten: Zahnmediziner sind sich nicht einig
Aus Sicht von Zahnmedizinern hingegen gibt es nur wenig Zuspruch: Kaiser selbst sagt, er sei bislang wohl rund 1000 Zahnärzten begegnet, lediglich drei hätten ihn und sein Produkt unterstützt. Es sei eben schwer etwas nicht mehr zu empfehlen, woran man geglaubt und es auch stets eigenen Patienten weitererzählt habe, vermutet der Unternehmer.
Zahnmedizin-Experte Stefan Zimmer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Präventive Zahnmedizin, weist auf Kariesprophylaxe durch Fluorid als wichtigste Aufgabe für Zahnpasta hin. Fluorid wirkt festigend auf Zähne und Knochen und schützt damit auch vor Karies. „Die Denttabs grün enthalten zwar mit 1.450 ppm genauso viel Fluorid wie eine gute Zahnpasta für Kinder ab 6 Jahren und Erwachsene. Allerdings wiegt die Tablette nur circa 0,33 Gramm, was etwa einem Drittel der Zahnpasta-Menge entspricht, die dieser Personenkreis beim Zähneputzen verwenden sollte“, sagt Zimmer.
Professor: Zahnputzmittelmenge kein Faktor für Fluoridgehalt im Mund
Er sehe deshalb das Risiko einer geringeren kariesprophylaktischen Wirksamkeit im Vergleich zu einer guten Zahnpasta. „Vermutlich lässt sich das ausgleichen, indem man jeweils zwei bis drei Tabletten für das Zähneputzen verwendet. Belege im Sinne klinischer Kariesstudien gibt es für diese Vermutung allerdings nicht“, sagt der Professor. Denttabs-Gründer Kaiser hält die enthaltende Menge Fluorid für ausreichend.
Auch Peter Gängler, emeritierter Professor für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin und Mit-Erfinder der Zahnputztabletten sieht das so. „Aus der Menge eines Zahnputzmittels kann man nicht die Verfügbarkeit von Fluorid in der Mundhöhle ableiten“, sagt er. Spüle man nicht mit Wasser aus, habe man sogar über Tablettenreste eine längere Verfügbarkeit von Fluorid. „Mit der Zahnpasta erreiche ich hingegen nur, dass ich den ganzen Mund voller Schaum habe. Also spüle ich aus und habe damit auch das ganze Fluorid wieder ausgespült“, erklärt Gängler, der an der Universität Witten/Herdecke gelehrt hat. Gängler hat seit seiner Erfindung nur noch die kleinen, weißen Pastillen an seine Zähne gelassen. „Seitdem habe ich kein Karies mehr“, sagt der Experte für Zahnerhalt.
Zahnputztabletten: Gründer will, dass große Konzerne in den Markt einsteigen
Axel Kaiser will ohnehin einfach weiter machen. In seinem Labor entwickelt er ab und an neue Kreationen. Geschmacksrichtungen wie Orange gab es schon oder auch Zimt für den amerikanischen Markt. Zuletzt hatte Denttabs endlich Mundwassertabletten zur Marktreife gebracht. Und die Sache mit den Zahnpasta-Konzernen? Kaiser will weiter an einem „Entry“ arbeiten – also daran, dass eines der großen Unternehmen endlich auf den Zahnputztabletten-Zug aufspringt. „Meine Aufgabe ist es, weiter so viel Krach zu machen, dass sie nicht umhinkommen, in dieses Geschäft einzusteigen“, sagt Kaiser, der sich sowieso nie entmutigen ließ.
Nach dem Abitur machte er zunächst eine Ausbildung zum Automechaniker, brachte sich selbst das Programmieren bei, arbeitete als Dozent und auch als Fotograf. 1992 gründete er dann zusammen mit seinen Brüdern ein Dentallabor, das heute eines der größten in Deutschland ist. Ende der 1990er-Jahre unterstützte Kaiser dann einen Zahnarzt bei seiner Doktorarbeit zum Thema wasserfreies Zähneputzen, um potenziell kritischen Inhaltsstoffen in Zahnpasten aus dem Weg zu gehen. Daraus entstand zunächst ein Granulat und später dann die Tablette.