Die Mitarbeiter schildern die Zustände im Bad – und stellen Forderungen. Bürgermeister Kai Wegner will kurzfristig Maßnahmen ergreifen.
- Das Columbiabad in Neukölln bleibt wohl die ganze Woche geschlossen
- Der offizielle Grund lautet: ein zu hoher Krankenstand
- Jetzt ist allerdings ein Brandbrief der Belegschaft an die Öffentlichkeit gelangt
Berlin. Die Lage im Sommerbad Neukölln spitzt sich zu: Am Sonntag wurde das Freibad am Columbiadamm erneut von der Polizei geräumt, seit Montag hat es zu, offiziell wegen Krankmeldungen des Personals. Das Freibad sei vermutlich die gesamte Woche zu, es werde von Tag zu Tag neu entschieden, hieß es am Mittwochmorgen von Seiten der Einrichtung. Auf der Internetseite war zu lesen: „Das Bad ist derzeit aus betrieblichen Gründen geschlossen.“
Nun ist am Mittwoch auch noch ein Brandbrief aufgetaucht, den die Belegschaft bereits Mitte Juni an die Leitung der Berliner Bäder-Betriebe (BBB) geschickt haben soll. Darin berichteten Mitarbeiter, sie seien bespuckt und bedroht worden. Lesen Sie auch: Randale in Bädern! Prinzenbad hat nun eine Polizei-Wache

Das Personal wolle auf das „untragbare Ausmaß der Umstände im Sommerbad Neukölln“ aufmerksam machen, heißt es im Schreiben, das der „Tagesspiegel“ veröffentlicht hatte und dessen Authentizität der Morgenpost bestätigt wurde. Man habe von 15-Jährigen Sätze gehört wie „Sie haben es verdient bespuckt und geschlagen zu werden“ oder Drohungen wie: „Hier werden silvesterähnliche Zustände herrschen.“ Mitarbeiter, Frauen und Minderheiten würden terrorisiert. Das zweiseitige Schreiben ist vom 13. Juni, darin wird geschildert, täglich würden vorsätzlich Haus- und Bäderordnung missachtet, Mitarbeitern, Frauen und Minderheiten werde Gewalt angedroht, verbale Attacken wie Spucken und Pöbeln seien üblich.
Columbiabad Neukölln: Sicherheitspersonal überfordert – Was die Bediensteten fordern
Das Sicherheitspersonal sei überfordert und nicht in der Lage, Hausverbote durchzusetzen oder Straftaten anzuzeigen. Die Bediensteten schreiben demnach von einer „eklatanten Unterbesetzung des Personals“. Sie fordern unter anderem in der Hauptzeit Zugang und Tageskarten nur für Familien mit Kindern, ständig Polizei vor Ort, nur Online-Tickets und namentlichen Einlass.
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In der Regel seien es Jugendliche aus arabischen oder tschetschenischen Familien, die sich nichts sagen ließen und das Personal psychisch terrorisierten. „Irgendwo wird die Aggression in der Gesellschaft rausgelassen und im Freibad sind das Bademeister, Sicherheitsleute und Kassierer“, sagt jemand, der sich im Columbiabad auskennt, der Morgenpost. „Das Problem ist, dass es oft ohne Konsequenzen bleibt.“ Hausverbote könnten realistischerweise nicht kontrolliert werden. Die Polizei sei zumindest „als optische Verstärkung präsent“, aber nicht immer.
Innenministerin fordert mehr Polizei
Selbst Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) äußerte sich zur Debatte und sprach sich für mehr Polizeipräsenz in Freibädern aus. Der Rechtsstaat müsse in öffentlichen Schwimmbädern, wo viele Kinder und Jugendliche seien, hart gegen Gewalt vorgehen, sagte Faeser am Mittwoch bei einem Termin an der Charité dazu. Die Ministerin verwies zudem auf die große Bedeutung von Prävention.

Einnahmen von bis zu einer Million Euro entgehen – zu viele Kürzungen?
Den Bäder-Betrieben entgehen durch die Schließung in jedem Fall größere Einnahmen. Zwar bestreiten die BBB ihr finanzielles Auskommen dank eines großen Zuschusses des Landes Berlin, der im Jahr 2022 bei rund 67,5 Millionen Euro lag. Aktuell entstünden Einnahmeausfälle, teilten die BBB mit, aber die Betriebe wollten sich nicht zur Höhe äußern. Am vergangenen Sonntag habe das Bad rund 6000 Badegäste gehabt. Wenn man annähme, dass alle Tickets zum Haupttarif hatten, wären das Tageseinnahmen von 33.000 Euro. Eine Woche Schließung würde so 231.000 Euro an Einnahmen kosten, ein ganzer Monat über eine Million Euro.
Die Linke Neukölln fordert in einer Mitteilung die schnelle Wiederöffnung des Columbiabades, führte das Problem auch auf Einsparungen bei Personal und Modernisierungen zurück. Durch kommunale Kürzungspolitik werde hier zuerst gespart, der Bezirk habe zu wenige Frei- und Schwimmbäder, die zu oft geschlossen seien. Die aktuelle Debatte sei rassistisch, die Ursachen seien struktureller Natur.
Bad-Besucherin: Problem wird sich verlagern, Schließung keine Lösung
Geändert hat sich seit dem Brandbrief offenbar wenig, obwohl die BBB Sicherheitspersonal erhöht haben sollen. Eine gute Woche nach dem Brandbrief randalierten 50 Jugendliche im Columbiabad, als Reaktion wurden Sprungtürme und Rutschen dauerhaft gesperrt. Nachdem es vergangenen Sonntag Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und Security gab, half die Polizei das Bad zu räumen. Dann kam der Krankenstand. Seitdem ist es für die Allgemeinheit geschlossen.
„Das ist sehr schade und wird sich auch bei anderen Bädern bemerkbar machen, in die Leute ausweichen und jetzt schon aus allen Nähten platzen, gerade bei Hitze und Ferienstart“, sagte eine regelmäßige Besucherin der Columbiabades, die die Mitarbeiter dort aber verstehen kann. „Ich bekomme den Stress da täglich mit, dass sie respektlos behandelt, werden.“ Dauerhaft die Rutsche oder das komplette Bad zu schließen, könne aber keine Lösung sein.
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Berlins Justizsenatorin Badenberg zu Freibädern: Müssen als Gesellschaft sehr aufmerksam sein

Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg rief dazu auf, sich genauer mit dem Thema Jugendgewalt zu beschäftigen. „Wir müssen als Gesellschaft insgesamt sehr aufmerksam sein“, sagte Badenberg. Kinder würden nicht als Kriminelle geboren, einige entwickelten sich aus unterschiedlichen Gründen mit der Zeit aber in diese Richtung. „Da müssen wir als Gesellschaft einfach aufmerksam sein, um möglicherweise auch auf solche Fehlentwicklungen hinzuweisen“, sagte Badenberg.
Insgesamt müsse beim Thema Jugendgewalt genauer hingeschaut und sich mit dem Thema beschäftigt werden. Die Senatorin verwies auf einen Jugendgipfel für Berlin, der im Herbst stattfinden soll. Dabei stünden unter anderem die Themen Prävention, Bildung und Strafverfolgung auf der Tagesordnung. Auch sprach sie davon präventive Maßnahmen weiter auszubauen. Sie sagte auch, diese Ausschreitungen und die Silvesternacht gehören zu dem Gesamtkontext Jugendkriminalität. „Da müssen wir genauer hinschauen und uns mit dem Phänomen beschäftigen.“
Eine Arbeitsgruppe der Senatsverwaltung für Inneres und Sport will bisherige Maßnahmen zur Gewaltprävention überprüfen. „Auftrag der Arbeitsgruppe ist es ebenso, sich mit den Ursachen auseinanderzusetzen und hierfür Vorschläge zur Begegnung zu entwickeln“, teilte die Senatsverwaltung für Inneres und Sport mit.
Kai Wegner: "Wir brauchen schöne und vor allem sichere Bäder"

Kai Wegner (CDU), der Regierende Bürgermeister von Berlin, sagte: „Die Situation in einigen Freibädern werden wir uns gemeinsam mit der Innensenatorin genau anschauen und kurzfristig Maßnahmen ergreifen.“ Man werde nicht dulden, dass Bäder zu rechtsfreien Räume würden. Aber er sehe auch die Überlastung der Berliner Polizei. "Mir ist wichtig, dass Familien in unserer Stadt, die jetzt Schulferien haben, dass sie schöne Ferien haben - und dafür brauchen wir schöne und vor allem sichere Bäder." Und weiter: „Wir müssen schauen, dass wir mit den Sicherheitsfirmen, die wir da einsetzen, gute Bedingungen schaffen.“
Merz für konsequentes Durchgreifen der Polizei gegen Freibad-Randale

CDU-Chef Friedrich Merz verlangte ein konsequentes Durchgreifen der Polizei. „Hier wird an einer höheren Polizeipräsenz in den Freibädern nichts vorbeiführen“, sagte Merz, der auch Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag ist, am Mittwoch nach Beratungen der Spitzengremien seiner Partei in Berlin auf eine entsprechende Journalistenfrage. „Das muss auch so vollzogen werden, dass diese Jugendlichen auf absehbare Zeit die Freibäder nicht gleich wieder betreten dürfen“, ergänzte er. Es seien genügend rechtsstaatliche Mittel vorhanden, um dies auch durchzusetzen.
Die CDU nehme mit großem Befremden zur Kenntnis, was in sehr vielen Freibildern in Deutschland in diesem Jahr erneut passiere, sagte Merz. „Das sind offensichtlich größere Gruppen von enthemmten Jugendlichen, bei weitem nicht nur mit Migrationshintergrund, aber auch mit Migrationshintergrund.“ Für alle gleichermaßen könne nur gelten: „Hier muss die Polizei eingreifen und hier müssen auch Platzverweise und Betretungsverbote ausgesprochen werden. Und das muss auch kontrolliert werden.“
Berliner Grüne fordern Hausverbot für Mehrfachtäter in Freibädern
Die Berliner Grünen-Fraktion forderte ein Hausverbot für Gewalttäter. Wenn „einige Hitzköpfe“ in den Bädern immer wieder bewusst über die Stränge schlagen würden, sei das nicht hinnehmbar und vor allem für die Beschäftigten in den Bädern ein Risiko, erklärte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Vasili Franco, am Mittwoch. „Deshalb sollte bei gewalttätigen Mehrfachtätern ein berlinweites Hausverbot für die Berliner Bäder ausgesprochen werden.“ Generell sei ein kluges Sicherheitskonzept nötig, das Prävention und Ansprechbarkeit von Sicherheitspersonal in den Vordergrund stelle. Zur Frage, wie das Hausverbot umgesetzt und kontrolliert werden soll, äußerte sich Franco in der Mitteilung nicht.
Der Berliner Sozialarbeiter Kazim Erdogan hat hingegen den Vorschlag unterbreitet, auf die Eltern von auffälligen Jugendlichen zuzugehen. „Ich bin mir sicher, wenn ich zu den Familien dieser jungen Menschen gehen würde und das darstelle, was sich abgespielt hat, dann werden 90 Prozent der Familien sagen, wir haben davon nichts gewusst“, sagte Erdogan, Vorstand des sozialen Vereins Aufbruch Neukölln und Vorsitzender des Berliner Beirats für Familienfragen, der dpa.
Nach der Schließung des Columbiabades: Verlagern sich die Probleme?
Die Schließung des Columbiabads in Neukölln hat vorerst noch nicht zum Ansturm auf andere Berliner Freibäder und zur Verlagerung von Problemen geführt. Das Sommerbad Kreuzberg war am frühen Nachmittag gut gefüllt, aber nicht überfüllt. Zum Ferienstart waren viele Familien vor Ort. „Es ist ruhig“, sagte der Einsatzleiter einer Sicherheitsfirma, der vor Ort patrouillierte. Weiter äußern wollte er sich aber nicht, etwa dazu ob es sonst nicht so ruhig sei. Am Sonntag hatte es neben dem Polizei-Einsatz am Columbiabad auch einen Einsatz im Prinzenbad gegeben. Mehrere junge Männer hatten sich eine Schlägerei geliefert. Eine Mitarbeiterin der Bäder-Betriebe, die in verschiedenen Freibädern zum Einsatz kommt, sagte es sei okay im Prinzenbad, in den Sommerbädern Pankow und am Insulaner in Schöneberg sei es schlimmer. „Dort sind Leute, die Probleme machen“, sagt sie.
mit dw, jp, wue