Berlin. Es wird ein Wochenende für Naturfreunde: Der 16. Lange Tag der StadtNatur bietet Sonnabend und Sonntag berlinweit 580 Veranstaltungen. Da gibt es ein Bienenwettfliegen in Steglitz, eine Nachtfalterführung im Tiergarten oder eine Kräuter- und Baumwanderung an der Wuhle entlang, bei der man die Vielfalt und Schönheit der heimischen Pflanzen entlang dieses völlig unscheinbaren Flusses entdecken kann.
„Die Ausgangslage für Naturfreunde in Berlin ist großartig“, schwärmt Ralf Liebau von der Stiftung Naturschutz. „Ein Drittel des Stadtgebiets sind Wälder und Gewässer. Aber natürlich ist die Situation in den Randbezirken besser als in den Innenstadtbezirken, wo der Druck auf die Grünflächen viel größer ist“, so der Organisator des Langen Tages weiter.
Offizielle Eröffnung ist darum im grünen Norden, in Tegel beim frisch sanierten Wasserwerk (Bernauer Straße 140) am Samstag um 13 Uhr. Der Bau ist für die Trinkwasserversorgung wichtig, aber auch Heimat von Mauerseglern und Fledermäusen. Anschließend gibt es diverse weitere Veranstaltungen über die ganze Stadt verteilt: Dem eiszeitlichen Erbe Berlins ist eine Führung durch die Karlshorster Binnendünen auf der Spur. Im Gutsgarten Hellersdorf kann man lernen, wie Gießwasser für die eigenen Beete aufbereitet wird. Im Gleisdreieckpark können Kinder ihre ganz persönlichen Pflanzenkunstwerke aus Blumen, Blättern und Ton erschaffen. Und wer lernen möchte, wie man selber essbare Pilze anbaut, sollte sich das Angebot „DIY Pilzanbau“ nicht entgehen lassen.
Am Jagdschloss Glienicke lockt ein großes Sonderprogramm und im Gewölbe der Spandauer Zitadelle werden Besucher zu den Winterquartieren der Fledermäuse geführt. Zu den absoluten Highlights zählen Ausflüge mit den Stadtnatur-Rangern und die begehrten Schiffstouren mit dem Wildtierexperten Derk Ehlert durch Berlins wilde Mitte. Das Programm ist üppig und kann nach Schlagworten, Zeiten und Bezirken unter www.langertagderstadtnatur.de durchsucht werden.
Vögel singen lieber in Berlin als Brandenburg
Die „Lyrische Vogelführung im Spreepark“ ist leider bereits ausverkauft. Und das trotz der Uhrzeit: Sonntagmorgen um sieben Uhr. Aber das sei nicht schlimm, versichert Liebau, man müsse nur die Ohren aufmachen. „In Berlin sind die morgendlichen Konzerte der Singvögel mittlerweile spektakulärer als in Brandenburg. Das hat auch damit zu tun, dass das Nahrungsangebot in Brandenburg durch die eintönige Landwirtschaft nicht mehr abwechslungsreich ist. In der Stadt finden zum Beispiel Singvögel ein riesiges Angebot an Nahrung.“
Zum Beispiel in den Kleingartenkolonien. Auch diese sind mit einigen Veranstaltungen vertreten. „Die Kolonien haben einen Run von jungen Mitgliedern erfahren und in der Folge öffnen sie sich ein Stück weit für die Öffentlichkeit, einige haben sogar Naturlehrpfade eingerichtet“, erzählt Liebau.
Laubenpieper zeigen das sich wandelnde Verhältnis zur Natur
Für den Naturschützer sind die Berliner Laubenpieper ein gutes Beispiel dafür, wie sich der Umgang mit der Natur in der Stadt generell verändert hat. Nach dem Krieg waren die Gärten zum Gemüseanbau da. Über die Jahrzehnte entwickelte sich der Garten mehr zur Schmuck- und Erholungsoase. „Heute geht es stark in Richtung urbane Landwirtschaft – in dem Bewusstsein, dass man genau weiß, wie man was vor Ort selbst angebaut hat und dass man es nicht erst vor dem Verzehr durch die halbe Welt transportieren muss.“ Ökologisches Interesse ziehe sich allmählich durch die ganze Stadtgesellschaft, erkennbar sei es an Insektenhotels, begrünten Hinterhöfen und Baumscheiben sowie der Hobbyimkerei auf Hausdächern inmitten der Stadt.
Natur kann überall in der Stadt sein, das zeigt die Führung „Wie sieht’s denn hier aus? Wiesen, die wachsen dürfen“, indem sie die wilden Potenziale erklärt, die in jedem Berliner Rasenstück schlummern. Auf dem Tempelhofer Feld hingegen gibt es die Gelegenheit, den Schäfer bei der Schur seiner Schafe zu beobachten (Samstag 13-17.30 Uhr, Beweidungsfläche, ab Eingang Crash Gate gegenüber vom Skatepark Vogelfreiheit) und dabei Fragen rund um die wolligen Rasenmäher zu stellen.
Das andere ehemalige Flughafengelände in Tegel können mobilitätseingeschränkte Personen erstmals in einem Elektrocar erkunden (Samstag 13 Uhr) – alle anderen mit dem Fahrrad. Die karge Heidelandschaft des ehemaligen Flugfeldes hat sich inmitten der Hauptstadt ein sensibles Ökosystem entwickelt, das vielen vom Aussterben bedrohten Pflanzen und Tieren eine Zufluchtsstätte bietet.
Die Heidelandschaft in Tegel wird bald bebaut
Doch in Tegel wird bald gebaut, und auch beim Tempelhofer Feld ist nun wieder eine Randbebauung im Gespräch. „Es braucht ein Konzept für die ganze Stadt, wenn man die Freiflächen bebaut“, sagt Liebau, man könne eine Entscheidung nicht isoliert betrachten, dabei gesteht er zu, dass man wohl nicht alle Freiflächen erhalten kann. „Es wird bei jeder Bebauung Leute geben, die sagen: ,Das ist aber mein Naherholungsgebiet’.“ Aber in Tegel solle man man sich wirklich um Kompromisslösungen bemühen: „Was ist da schützens- und erhaltenswert und wie kann es aussehen, dass man dort nicht nur graue Häuserblöcke hinbaut.“
Sonnabend 13 Uhr bis Sonntag 17 Uhr. Tickets (4, ermäßigt 2 Euro, unter 14 Jahre frei) über die Website oder vor Ort. Schiffstouren kosten 6/3 Euro, Telefon: 263 941 41, www.langertagderstadtnatur.de
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