Unterbringung

Berlin rechnet mit mehr minderjährigen Flüchtlingen

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Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch und Staatssekretär Falko Liecke besuchten eine Erstaufnahmeeinrichtung für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in Charlottenburg.

Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch und Staatssekretär Falko Liecke besuchten eine Erstaufnahmeeinrichtung für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in Charlottenburg.

Foto: Sergej Glanze / FUNKE Foto Services

Bis Mai suchten schon 802 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Schutz in der Hauptstadt. Wie sie in Berlin betreut werden.

Berlin.  Dreimal pro Woche lernt Baran fleißig mit seinem Betreuer Deutsch. Die ersten Sätze, wie er heißt und wie alt er ist, klappen schon ganz gut. Der 16-Jährige kam ohne seine Eltern und Brüder vor zweieinhalb Monaten aus der Türkei nach Berlin. Er lebt in einer neu eröffneten Erstaufnahmeeinrichtung für unbegleitete minderjährige Geflüchtete im Charlottenburger Norden. Das umgebaute Hostel bietet Platz für insgesamt 102 Jugendliche, aktuell sind 70 Plätze belegt. „Einrichtungen wie diese sind unverzichtbar“, sagte Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) bei ihrem Besuch. „Jeden Tag kommen unbegleitete Jugendliche in Berlin an, die wir unterbringen müssen.“

Bereits seit dem vergangenen Jahr steigen die Zugangszahlen unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge deutlich an. 2022 suchten insgesamt 3205 minderjährige Flüchtlinge zwischen 14 und 17 Jahren Schutz in Berlin, so viele wie seit 2015 nicht mehr. 1157 der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge kamen aus der Ukraine, 618 aus Afghanistan, 428 aus Syrien, 403 aus der Türkei und 93 aus dem Libanon. In diesem Jahr waren es allein bis Mai bereits 802 – zumeist männliche – Jugendliche. Deshalb gehe man in der Bildungsverwaltung davon aus, dass die Zahl in diesem Jahr ähnlich hoch werde. Allerdings sinke die Zahl der Jugendlichen aus der Ukraine. Im April kamen die meisten Jugendlichen aus Syrien (33) und aus Afghanistan (31), aus der Ukraine suchten 25 Jugendliche Schutz.

Flüchtlinge in Berlin: Erste Schritte in ein neues Leben

Das umgebaute Charlottenburger Hostel ist eine von 36 Erstaufnahmeeinrichtungen. Sie wird von einem sozialen Träger im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie betrieben. Hier werden die Jugendlichen von Pädagogen und Psychologen betreut, erfahren praktische Beratung zu ihrem neuen Leben in Berlin, lernen Deutsch und können Freizeitangebote nutzen. „Wir gehen mit den Jugendlichen auch in den Park und zum Einkaufen“, sagt Peter Werner vom Betreiber der Einrichtung. „Es sind die ersten Schritte bei der Alltagsbewältigung.“

Die Jugendlichen wohnen in der Einrichtung in Zweier- oder Viererzimmern. Alle Zimmer sind mit Etagenbetten, einem Bad, Schreibtisch, Schrank und Fernseher ausgestattet. Auf jeder Etage des umgebauten Hostels gibt es außerdem einen Gemeinschaftsraum und ein Zimmer, in dem ein Betreuer übernachtet. Verpflegt werden die Jugendlichen im Foyer, im Keller ist noch ein Sport- und Freizeitraum geplant. Normalerweise bleiben junge Geflüchtete nur kurze Zeit in Erstaufnahmeeinrichtungen. Da aber reguläre Plätze in der Jugendhilfe der Bezirke fehlen, leben sie zurzeit fünf bis sechs Monate dort.

Berlins Bildungssenatorin lobt gelungene Willkommenskultur

Rund 280 Plätze stünden in Berlin aktuell noch zur Verfügung, sagte Falko Liecke, Staatssekretär für Jugend und Familie. „Wir sind dabei, noch weitere Einrichtungen zu schaffen.“ Dringend benötigt würden auch gezielte Angebote zur Sprachförderung.

„Das Thema wird uns in diesem und im nächsten Jahr noch sehr umtreiben“, sagte Günther-Wünsch. Die Aufnahme, Versorgung und Betreuung junger unbegleiteter Flüchtlinge sei herausfordernder und aufwendiger als bei erwachsenen Zuwanderern. Denn sie seien traumatisiert, hätten keine familiären Ansprechpartner und benötigten Begleitung praktisch rund um die Uhr. Günther-Wünsch lobte das neue Wohnheim als Beispiel für gelungene Willkommenskultur. „Hier kommen die Jugendlichen nach oft schlimmen Fluchterfahrungen zur Ruhe.“

Baran hat jedenfalls schon ein Ziel vor Augen. „Ich will gut Deutsch lernen und dann in die Schule gehen“, sagt er, „Später würde ich dann am allerliebsten Flugzeuge bauen.“