Gewalt im Fußball

Nach Tod eines 15-Jährigen: Deutliches Zeichen im Live-TV

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Alexander Rothe
Beim Hinspiel der Bundesliga-Relegation zwischen dem Hamburger SV und dem VfB Stuttgart gab es eine Schweigeminute.

Beim Hinspiel der Bundesliga-Relegation zwischen dem Hamburger SV und dem VfB Stuttgart gab es eine Schweigeminute.

Foto: Tom Weller/dpa

Ein Berliner Jugendlicher wurde nach einem Fußballspiel in Frankfurt/Main tödlich verletzt. Nun setzte die DFL ein Zeichen.

  • Ein 15 Jahre alter Spieler des JFC Berlin ist bei einem Fußball-Jugendturnier in Frankfurt/Main lebensgefährlich verletzt worden
  • Am Mittwoch erlag er seinen Hirnverletzungen
  • Beim Hinspiel der Bundesliga-Relegation zwischen dem VfB Stuttgart und dem Hamburger SV (3:0) am Donnerstagabend gab es eine Schweigeminute

Berlin/Frankfurt am Main. Nur ein Bündel Rosen am Zaun des Vereinsgeländes erinnert an das tragische Ereignis, das mit dem Jugendfußballclub Berlin e. V. (JFC) in Berlin-Lichtenberg fortan verbunden sein wird: Am vergangenen Sonntag kam es bei einem internationalen Turnier in Frankfurt am Main zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen der U17-Jungenmannschaft des Vereins und einem französischen Team, was im Tod eines JFC-Spielers endete.

Was war geschehen? Nach dem Halbfinale des JFC gegen das französische Team der Jugendakademie vom FC Metz, das die Berliner gewonnen hatten, kam es Berichten zufolge zu einem Handgemenge zwischen den Spielern beider Teams. Ein 16 Jahre alter Franzose soll den Berliner Jungen an Kopf und Hals geschlagen haben. Dieser sank zu Boden und wurde in ein Krankenhaus gebracht.

JFC Berlin: 15-Jähriger soll nach gewaltsamen Tod Organspender werden

Die Diagnose zunächst: Hirntod. Sie bedeutet, dass die noch funktionsfähigen Organe des 15-Jährigen nur durch Maschinen am Leben gehalten werden. Bei Bewusstsein ist das Opfer nicht, eine Rückkehr ins Leben gilt als medizinisch ausgeschlossen. Am Mittwochnachmittag vermeldete die Frankfurter Polizei, dass der Berliner Jugendliche den schweren Hirnverletzungen erlag. Die Todesursache werde noch geklärt, ebenso wie der genaue Tathergang.

Wie die Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft, Nadja Niesen, bereits am Mittwoch ankündigte, werde er nach seinem Tod zum Organspender: „Zur Vorbereitung der Entnahme von Spenderorganen wird er derzeit noch an Maschinen gehalten.“

Der mutmaßliche Täter sitzt in Untersuchungshaft. Er beteuert laut Mitteilung seines Vereins, das Opfer nicht absichtlich verletzt zu haben. Der FC Metz stehe den Behörden zur Aufklärung der Vorfälle zur Verfügung. Der JFC teilte auf seiner Homepage mit, sich aus Respekt vor dem Opfer und dessen Familie derzeit nicht öffentlich äußern zu wollen.

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DFB und DFL mit Zeichen gegen Gewalt

Beim Hinspiel der Bundesliga-Relegation zwischen dem VfB Stuttgart und dem Hamburger SV (3:0) am Donnerstagabend wurde eine Schweigeminute eingelegt. Auch bei den weiteren Relegationsspielen der Bundesliga, 2. Bundesliga und 3. Liga sind in den kommenden Tagen entsprechende Aktionen geplant.

Der Deutsche Fußball-Bund plant indes mehrere Aktionen zum Gedenken an den Jugendspieler und als Zeichen gegen Gewalt. Zunächst soll es beim EM-Finale der U17 zwischen Deutschland und Frankreich am Freitagabend in Budapest ein gemischtes Mannschaftsfoto hinter einem zweisprachigen Banner mit der Botschaft „Gemeinsam gegen Gewalt“ geben. Beide Teams werden mit Trauerflor auflaufen, zudem ist vor dem Anpfiff eine Gedenkminute geplant. Auch beim DFB-Pokalfinale zwischen Eintracht Frankfurt und RB Leipzig am Samstag in Berlin sowie den 21 Endspielen in den Landespokal-Wettbewerben sollen Zeichen der Trauer gesetzt werden.

„Diese unfassbar traurige und schockierende Tat im Rahmen eines Fußballturniers für Junioren macht uns sprachlos, aber nicht tatenlos. Ganz im Gegenteil: Sie ist eine ultimative Aufforderung an uns alle, uns Gewalt noch entschiedener entgegenzustellen – im Fußball wie in der gesamten Gesellschaft“, sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf am Donnerstag.

Innensenatorin Spranger spricht von „dunkelster Stunde“

Reaktionen kamen auch aus der Politik und der Fußballwelt. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) schrieb auf Twitter: „Dass nach einem Fußballspiel in Frankfurt a. M. ein junger Spieler aus dem Leben gerissen wurde, macht mich fassungslos, lässt mich sprachlos zurück. Ich wünsche den Angehörigen, den Freundinnen und Freunden, dem Team unendlich viel Kraft in dieser dunkelsten Stunde.“

Auch der DFB-Vizepräsident, Ronny Zimmermann, zeigte sich schockiert: „Wir müssen wieder lernen, anständig - und das heißt zuallererst gewaltfrei - miteinander umzugehen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Bernd Schultz, Präsident des Berliner Fußball-Verbandes, teilte mit, dass dem JFC Berlin nun zur Seite gestanden werde.

Berliner Fußball-Verband: 1936 Gewaltvorfälle in vergangener Saison

Sein Verband hat im April diesen Jahres erstmals einen Gewaltreport zur Saison 2021/22 publiziert, in der sportgerichtlich erfasste Gewaltvorfälle im Berliner Amateurfußball dokumentiert werden. Demnach wiesen für die betrachtete Saison 2,8 Prozent aller Fußballbegegnungen mindestens einen Gewaltvorfall auf – insgesamt 1936 Fälle.

Rund die Hälfte davon waren verbaler Natur, die andere physische Gewalt. Der Großteil ereignete sich zudem im männlichen Spielbetrieb, dort wiederum vor allem bei den Herrenmannschaften (48,37 Prozent). Doch auch bei den männlichen A- bis E-Junioren wurden viele Gewaltvorfälle gemeldet (43,5 Prozent), die vor einem Sportgericht landeten. Wie bei dem eskalierenden JFC-Spiel in Hessen kam es laut Report bei den meisten Spielen in der Saison 2021/22 Mitte der zweiten Halbzeit oder in der Schlussphase zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Wie umgehen mit der Gewalt auf den Fußballplätzen? Der Berliner Fußball-Verband baut dahingehend auf zwei Bausteinen auf: Der Prävention in Form von Aus- und Fortbildungen für Verantwortungsträger und öffentlichkeitswirksamen Kampagnen sowie der Nachsorge. Letztere bezieht sich beispielsweise auf Anti-Gewalt-Kurse, nachdem eine Person, die auf oder neben dem Platz gewalttätig geworden ist, vor dem Sportgericht stand. Das schreckliche Ereignis in Frankfurt am Main wird jedoch nicht vor einem Sport-, sondern einem Strafgericht verhandelt werden.

Jugendlicher tot: Polizei sucht Zeugen

Die Polizei sucht weiter nach Zeugen. Videos und Fotos könnten online an die Polizei geschickt beziehungsweise auf einer speziellen Seite hochgeladen werden. Die Auswertung sei noch nicht abgeschlossen, sagte ein Sprecher des Frankfurter Polizeipräsidiums.

( mit dpa )