Feuerwehreinsatz

Brand in Wilmersdorf: Barbesitzer rettet Menschen das Leben

| Lesedauer: 7 Minuten
Birgit Lotze
Barbesitzer Murat Köse vor dem Brandhaus. Er stellte eine Leiter an und rettete wohl zwei Menschen das Leben.

Barbesitzer Murat Köse vor dem Brandhaus. Er stellte eine Leiter an und rettete wohl zwei Menschen das Leben.

Foto: Sergej Glanze

Eine Wohnung in Wilmersdorf steht im Vollbrand, acht Menschen werden verletzt. Ein Barbesitzer verhindert Schlimmeres.

Heftig lodern die Flammen aus den Fenstern der Wohnung im Berliner Stadtteil Wilmersdorf. Schwarzer Rauch steigt auf. Auf der Straße flackern die Blaulichter von Feuerwehr und Polizei, wie das Video eines Beobachters sowie Fotos der Feuerwehr aus der Nacht zu Dienstag zeigen. Die Wohnung im ersten Stock des sechsgeschossigen Mietshauses steht in „Vollbrand“, alle Zimmer brennen, wie ein Feuerwehrsprecher sagt. An einem Fenster lehnt eine lange Leiter aus Metall.

Nur mit viel Glück konnten sich eine 49-jährige Frau und ihr 16-jähriger Sohn über diese Leiter eines Nachbarn aus der Wohnung retten. Dabei stürzte die Frau ab und verletzte sich lebensgefährlich. Andere Mieter wurden mit schweren Rauchvergiftungen von der Feuerwehr aus dem Haus geholt.

Brand in Wilmersdorf: Um 2.40 Uhr geht der Alarm ein

Es war gegen 2.40 Uhr, als der Alarm bei der Feuerwehr eingeht. Als die Feuerwehrleute den Brandort in der Aachener Straße im Westen der Hauptstadt erreichen, brennt die Wohnung schon lichterloh. Auf der Straße liegen eine schwer verletzte Frau und ihr Sohn.

„Ich bin immer noch im Schock“, sagt Joachim Münch. Er wohnt in der dritten Etage. „2.28 Uhr – ein Erdbeben, dachte ich, schlaf weiter.“ Seine Frau schubste ihn, er sah vom Balkon aus hinunter. Sie rannte sofort durch das Treppenhaus auf die Straße, Joachim Münch schnappte sich noch eine Decke, wickelte seinen Hund in ihr ein. „Ich bin durchs Haus gerannt, aber habe dreimal dabei das Bewusstsein verloren.“ Schuld war der Rauch.

Unter einem Arm hatte er den Hund geklemmt, mit dem anderen versuchte er, sich festzuhalten. Er erinnert sich noch, dass er kräftig auf die benachbarten Wohnungstüren eingedroschen hat. Nicht jeder habe darauf sofort reagiert. „Eine Nachbarin hat gedacht, da kämen Einbrecher.“ Ein anderer hatte einen Schlaganfall hinter sich und war nicht sehr schnell. Später habe er seine Nachbarn dann im Rettungsbus wiedergesehen. „Sie saßen da – das war das schönste Erlebnis dieser schrecklichen Nacht.“

Brand in Wilmersdorf: "Der wahre Held der Nacht ist Murat"

Nein, er sein kein Held, sagt Joachim Münch. Er fühle sich in etwa so, als ob er den Helden habe spielen müssen. „Der wahre Held der Nacht ist Murat. Murat sollten sie das Bundesverdienstkreuz geben. Ohne ihn wären zwei Menschen verbrannt. Er hat einen klaren Kopf behalten und sofort reagiert.“

Murat heißt Murat Köse und ist Betreiber der Bar „San Franz-isco“, die Eckkneipe unten im Haus. „Ich habe Schreie gehört“, berichtet er. „Schreiende Rufe wie 'Hilfe! Hilfe! Das Haus brennt'.“ Er sei sofort rausgerannt. Eine Frau und ein etwa 16-, 17-Jähriger Jugendlicher hätten am Fenster im ersten Stock gestanden. Das Feuer sei bereits an der Hauswand nach oben geschlagen. Er sei zurück in seine Bar, habe schnell eine Leiter geholt und sie an die Hausmauer angelehnt. Der Junge sei zügig nach unten geklettert. Doch die Frau sei nach zwei, drei Stufen abgestürzt. „Sie war in Panik. Deswegen.“ Sie habe bestimmt viele Knochenbrüche. „Aber beide sind gerettet.“

Die Polizei sei gekommen, dann die Feuerwehr. Das ganze Haus wurde evakuiert. „Alle mussten raus und hier weg.“

Rauchmelder warnten viele Bewohner vor dem Brand

Die Frau wird nachts von Rettungssanitätern wiederbelebt und sofort in ein Krankenhaus gefahren, wie ein Sprecher der Feuerwehr berichtete. Auch ihr Sohn erlitt schwere Verletzungen durch den Rauch und das Feuer. Zunächst war die Feuerwehr beim Eintreffen und angesichts der beiden Verletzten davon ausgegangen, dass die beiden aus der Wohnung gesprungen waren.

Der größerer Teil der Mieter in den anderen Wohnungen war durch laut piepende Rauchmelder auf das Feuer aufmerksam geworden und konnte rechtzeitig durch das anfangs noch rauchfreie Treppenhaus aus dem Haus fliehen.

Ein Bewohner aus der Wohnung darüber muss wiederbelebt werden

Die Flammen brachen allerdings schnell durch die Wohnungsdecke im ersten Stock in die darüberliegende Wohnung, aus der die Feuerwehr zwei schwer verletzte Menschen aus dem Rauch holte. Einer von ihnen musste ebenfalls wiederbelebt werden. Vier weitere verletzte Menschen wurden von den Feuerwehrleuten mit sogenannten Rettungshauben über dem Kopf durch das inzwischen völlig verrauchte Treppenhaus nach unten gebracht. Alle erlitten Rauchvergiftungen, manche auch Verbrennungen.

Mehr als 140 Feuerwehrleute waren im Einsatz, mit Druckluftschaum löschten sie die Flammen in den Wohnungen. Die Nachlöscharbeiten dauerten bis zum Morgen.

Nach Brand in Wilmersdorf - Haus nicht mehr bewohnbar

Am Dienstag ist die Fassade teilweise vom Ruß geschwärzt, zerstörte Möbel liegen in einem großen Haufen auf dem Weg, es stinkt nach Qualm. Das Haus ist zunächst nicht mehr bewohnbar. Alle Bewohner sind laut Feuerwehr bei Verwandten oder Freunden untergekommen. Nur eine Katze wurde tot in der ausgebrannten Wohnung gefunden. Warum das Feuer ausbrach, ist bislang unklar. Wie üblich ermitteln Brandexperten der Kriminalpolizei.

Es herrscht geordnetes Chaos. Viele Anwohner kommen gucken, auch der Briefträger bleibt stehen. Nur die Mitarbeiter der Müllabfuhr, die am Dienstagvormittag den Restmüll aus dem Innenhof abholen, tun dies völlig ungerührt, wie immer. Kein Blick auf die schwarzen Hauswände, auch nicht auf die Reste der Inneneinrichtungen, die die Feuerwehr nach ihrer Löschaktion aus den Fenstern geworfen hat.

Die Polizei ist da und sorgt dafür, dass niemand das Haus betritt. Der Statiker sei der erste, der das Haus betreten dürfe, heißt es. Er müsse sich alles ansehen, wegen der Einsturzgefahr. Solange müssten die Ermittler der Kripo und des Landeskriminalamts warten. „Das wird noch bis heute Abend dauern, bis wir mehr sagen können“, sagt ein Beamter. Die Brandursache ist noch unklar.

Holzbalken lasten verkohlt und mit Löschwasser vollgesogen auf der Decke

Statiker Matthias Dorn von der CPR Bauingenieure GmbH bewertet die Standsicherheit. Im ersten und zweiten Stock gebe es kritische Stellen, sagt er nach der Begutachtung der Holzbalken. Einige seien stark verkohlt, hätten sich mit Löschwasser vollgesogen. „Das liegt jetzt mit dem ganzen Gewicht auf der Decke, oder auf dem, was von der Decke noch da ist.“ Sobald die Kripo das Haus verlassen habe, müssten die Balken sofort rausgeholt werden. Ebenso sei eine Querwand zwischen zwei Wohnungen problematisch.

Matthias Dorn vermutet, dass die Kripo entscheiden wird, dass die Bewohner des dritten und vierten Stocks ihre Sachen aus ihren Wohnungen holen können. „Die sind nicht mehr bewohnbar, aber man kann reingehen.“ Joachim Münch, der einzige Hausbewohner, der nach der Nacht schon wieder zurückgekommen ist und – noch unter Schock – am Haus hochguckt, interessiert das gar nicht. „Sachen rausholen? Ist mir doch egal. Hauptsache ich habe meine Familie und meinen Hund.“

( mit dpa )