Wirtschaftsverkehr

Handwerk für weniger private Parkplätze in der Innenstadt

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Joachim Fahrun
Kein Platz für Handwerker: So wie hier in Friedrichshain sieht es vielerorts in der Berliner Innenstadt aus.

Kein Platz für Handwerker: So wie hier in Friedrichshain sieht es vielerorts in der Berliner Innenstadt aus.

Foto: Jens Kalaene / picture alliance / ZB

Reine Ladezonen würden die Probleme der Betriebe nicht lösen, so die Handwerkskammer. Manche Kunden würden bereits nicht mehr versorgt.

Berlin.  Das Berliner Handwerk fordert vom neuen schwarz-roten Senat deutliche Nachbesserungen im Mobilitätsgesetz. „Die Regeln für den Wirtschaftsverkehr müssen grundlegend auf den Prüfstand“, sagte Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, am Dienstag bei der Präsentation der Konjunkturdaten. Statt reiner Ladezonen, die nur kurzfristig etwa von Lieferanten genutzt werden dürfen, bräuchten viele Handwerksbetriebe auch längerfristige Parkmöglichkeiten in Gebieten mit Parkraumbewirtschaftung, wenn sie etwa beim Ausbau eines Gebäudes beschäftigt seien.

Letztlich müsse es weniger Parkplätze für private Fahrzeuge geben, um Platz für Handwerker zu schaffen, räumte Wittke auf Nachfrage ein. „Der Individualverkehr muss andere Regeln bekommen als Wirtschaftsverkehr für Servicewagen und Material“, so der Hauptgeschäftsführer. Der Handwerkerparkausweis reiche nicht aus. Zudem bräuchten Handwerker in den Kiezen auch Betriebsparkvignetten und Abstellflächen, wo sie nach Betriebsschluss ihre Fahrzeuge lassen können.

Berlin: Handwerkskammer will grundsätzlich neu über den Mobilitätsmix diskutieren

Der Senat aus CDU und SPD hatten das von den rot-grün-roten Vorgängern übernommene Wirtschaftsverkehr-Kapitel des Mobilitätsgesetzes angehalten und so den Start der parlamentarischen Beratung verzögert. „Das begrüßen wir ausdrücklich“, sagte Wittke. Nun gebe es Gelegenheit, noch einmal über den besten Verkehrsmix in der Stadt zu diskutieren.

Wittke schilderte aber die Probleme, die viele Betriebe und in der Folge auch Kunden in der Innenstadt hätten. Weil es dort immer voller werde und es kein Möglichkeiten gebe, das Fahrzeug in der Nähe abzustellen, würden manche Handwerker Aufträge in bestimmten Kiezen schon ablehnen. Dort Platz zu schaffen, diene den Menschen: „Die Verbraucher wollen ja versorgt werden.“

Kammer-Präsidentin Zarth warnt vor Verdrängung des Handwerks aus der Stadt

Kammer-Präsidentin Carola Zarth warnte vor einer zunehmenden Verdrängung von Handwerksbetrieben aus der Stadt. Jedes Jahr würden in Berlin Gewerbeflächen im Umfang von 34 Fußballfeldern für andere Zwecke umgewidmet, sagte Zarth. Mehr als jeder zehnte Betrieb sehe sich in den nächsten zwei Jahren mit einem Standortwechsel konfrontiert. Wegen steigender Mieten, heranrückender Wohnbebauung oder zu viel Bürokratie. Manche machten zu, andere wechselten nach Brandenburg.

„Berlin verliert dadurch Zukunftspotenzial“, warnte Zarth, die in Charlottenburg eine Autowerkstatt betreibt. Kleine Handwerksbetriebe gehörten zur Lebensqualität, sagte die Kammer-Chefin: „Ich kann und will mir Berlin nicht ohne kleine und mittlere Handwerksbetriebe in den Kiezen vorstellen.“ Berlin brauche beides: bezahlbaren Wohnraum und Handwerksbetriebe. Wo es zur Umnutzung von Gewerbeflächen kommen, müsse es in der Nähe des Standortes einen Ausgleich geben, formulierte Zarth die Forderung der Kammer an die Politik.

Berlins Handwerk ist deutlich besser durch die Krise gekommen als befürchtet

Insgesamt ist das Berliner Handwerk deutlich besser durch die Krise gekommen, als es die Unternehmen noch im Herbst erwartet hatten. Der Geschäftsklimaindex legte seit der Herbstumfrage 2022 um 21 auf nun 112 Punkte zu. Inzwischen schätzen 38 Prozent die Aussichten ihres Betriebes als gut ein, 51 Prozent halten die Lage für befriedigend und nur elf Prozent bewerten die Zukunftschancen als schlecht. Vor wenigen Monaten waren noch 41 Prozent der befragten Unternehmer pessimistisch. „Der Winterblues ist vorbei“, sagte Kammer-Geschäftsführer Wittke: „Viele hatten erhebliche Befürchtungen, jetzt geht es wieder aufwärts.“ Nur jeder fünfte Betrieb rechne damit, das sich die Lage verschlechtert.

Die Kammer führt diese Entwicklung auch auf die Milliardenschweren Hilfszahlungen von Bund und Land an viele Betriebe zurück. Positiv gestimmt sind vor allem das Ausbaugewerbe, wo die Auftragsbücher noch für 16 Wochen gefüllt sind, und die Kfz-Betriebe. Weniger euphorisch ist die Stimmung in den Nahrungsmittelgewerken und bei den Dienstleistern für den persönlichen Bedarf. Besonders groß sei die Verunsicherung hingegen im Bauhauptgewerbe, hieß es. Die Auftragslage sei eingebrochen, die Unternehmen arbeiteten ihr Auftragspolster ab, das im Durchschnitt noch 20 Wochen betrage.

Start des Heizungsgesetzes 2024 schwierig, warnt die Handwerkskammer

Hauptthema für das Handwerk bleibt der Mangel an Fachkräften und Auszubildenden. Insgesamt sei die Zahl der Handwerksbeschäftigten sogar gesunken. Die „Klimaretter-Berufe“ etwa in den Bereichen Heizung, Sanitär, Klima verzeichneten hingegen einen leichten Aufwuchs. Die Branche leide aber an unklaren politischen Vorgaben. So sei klar, dass die Betriebe die Anforderungen des geplanten Heizungsgesetz des Bundes nicht ab 2024 erfüllen könnten.