Berlin. Der prämierte Computerspielehersteller Paintbucket verbindet in seinen Spielen Spaß und Bildung – Zeichen gegen Rassismus.

Frank Schwarz späht durch den Schlitz der Jalousien. Der Vermieter bespitzelt im Auftrag der Regierung die Mieterinnen und Mieter in seinem Haus. Das Ziel: Alle Personen loswerden, die sein Vorgesetzter von der Bildfläche verschwinden lassen möchte.

Schwarz ist der Protagonist in dem Computerspiel „Beholder 3“ des Indie-Studios Paintbucket aus Berlin, das kürzlich beim Deutschen Computerspielpreis gleich doppelt ausgezeichnet wurde. Nämlich sowohl für erwähntes Spiel als bestes „Serious Game“, wie auch als „Bestes Studio“ insgesamt.

Paintbucket aus Berlin: „Irgendwann hat es nicht gereicht, Spiele über Zombies zu machen“

„Wir entwickelt keine Bildungssoftware, die Spiele sollen auch Spaß machen“, erklärt Jörg Friedrich, der zusammen mit seinem Kollegen Sebastian St. Schulz Paintbucket 2018 gegründet hat. Sie setzten sich mit Themen auseinander, die nach Friedrichs Einschätzung sonst nicht in der Branche behandelt werden.

Vorlage für das Spiel „Beholder 3“ von Paintbucket ist das totalitäre System in der ehemaligen Sowjetunion. In vormaligen Mitgliedsstaaten wie Russland und der Ukraine erfreut es sich besonders großer Beliebtheit.
Vorlage für das Spiel „Beholder 3“ von Paintbucket ist das totalitäre System in der ehemaligen Sowjetunion. In vormaligen Mitgliedsstaaten wie Russland und der Ukraine erfreut es sich besonders großer Beliebtheit. © Paintbucket

Zwangsarbeiter und Widerstandskämpfer während der Nazizeit oder Spitzel in einem totalitären Staat: Mit ihren Spielen will das Unternehmen ein Zeichen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wie Rassismus oder Antisemitismus setzen und Gamerinnen und Gamer für diese Inhalte sensibilisieren.

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„Wir waren schon immer politische Menschen und haben uns irgendwann gefragt, wie wir durch unser Medium Haltung zeigen können“, so Friedrich über die Gründungsidee von Paintbucket, das mittlerweile 20 Mitarbeitende beschäftigt, darunter viele Frauen – in der Gaming-Branche unüblich. Die Frage sei in einer Zeit aufgekommen, in der es aufgrund des Brexits und dem Aufstieg von Trump und der AfD politisch kriselte. „Irgendwann hat es nicht gereicht, Spiele über Zombies zu machen.“

Verwendung von Hakenkreuzen im Spiel schlug hohe Wellen

Ihr Debüt feierten die Game-Entwickler mit „Through the Darkest of Times“, einem Videospiel, in dem die spielende Person eine zivile Widerstandsgruppe in NS-Deutschland koordiniert. Das Spiel gewann nicht nur viele Auszeichnungen, sondern schlug auch hohe Wellen, weil es in einer Hinsicht ein Novum war: „Es war das erste Spiel, in dem Hakenkreuze verwendet wurden“, erinnert sich Friedrich.

Paintbucket-Mitgründer Sebastian St. Schulz malte dieses Bild von einem Widerstandskämpfer in der NS-Zeit. Das Bild mit dem Farbeimer (Englisch: Paintbucket) wurde zum Namensgeber für das Indie-Games-Studio.
Paintbucket-Mitgründer Sebastian St. Schulz malte dieses Bild von einem Widerstandskämpfer in der NS-Zeit. Das Bild mit dem Farbeimer (Englisch: Paintbucket) wurde zum Namensgeber für das Indie-Games-Studio. © Paintbucket

Gesetzlich sei das nie verboten gewesen, doch Hersteller mussten lange Zeit damit rechnen, keine Altersfreigabe für ihr Produkt zu erhalten und dieses nicht bewerben zu dürfen. Eine Woche vor der Gamescom, der größten Videospielmesse in Deutschland, wurde dies jedoch geändert – ein Segen für das kleine Berliner Gaming-Studio, doch nicht von jedem zunächst goutiert: Franziska Giffey, damals Bundesfamilienministerin, kritisierte öffentlich die Verwendung der verfassungswidrigen Symbole. „Auf Social Media ist sie später aber zurückgerudert“, sagt Friedrich.

Giffey spielt auch heute noch eine Rolle für Paintbucket: In ihrer neuen Funktion als Wirtschaftssenatorin forderte sie jüngst, die Gamescom von Köln nach Berlin zu verlegen. Ein Schritt, an dessen Machbarkeit Friedrich seine Zweifel hat. „Ich glaube, der Wechsel wäre nicht einfach. Köln hat die Nähe zum internationalen Flughafen Frankfurt am Main und liegt im dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen, wodurch es viele Besucher gibt.“

Berlin bietet guten Standort für Gaming-Industrie, doch Mieten sind Problem

Dennoch würde der 47-Jährige den Wechsel begrüßen und sieht überhaupt die Vorzüge Berlins als Standort für die Gaming-Industrie. „Es gibt viele andere Entwickler in der Stadt, Studiengänge, Vernetzungs- und Förderungsmöglichkeiten“, erklärt der studierte Game-Programmierer. Zudem sei die Stadt international beliebt, Überredungskunst für eine Wohnsitzwechsel stelle bei der Rekrutierung kein Problem dar.

Allerdings mache ihm die Mietensituation in der Hauptstadt Sorgen. „Vorher waren wir in der Adalbertstraße in Kreuzberg, mussten jedoch dort raus, nachdem die Miete verdoppelt wurde.“ Derzeit teilt sich Paintbucket mit sieben weiteren Indie-Game-Studios ein Großraumbüro in der Singerstraße in Mitte – dem sogenannten Saftladen. „Bald müssen wir aber wieder umziehen, weil die Miete zu teuer wird.“

Trotz einer Höhe von 120.000 Euro wird das Preisgeld, das Paintbucket beim Deutschen Computerspielpreis erhalten hat, beim Mietenproblem keine Abhilfe schaffen, da es bereits für einen anderen Zweck reserviert ist: „Wir werden mit dem Geld neue Spiele entwickeln“, schießt es aus Friedrich bei der Frage nach dem Verwendungszweck heraus.

Das nächste sei bereits veröffentlichungsfähig, soll aber noch größer werden und mehr Inhalte bekommen. „Wir glauben, dass es das Spiel verdient hat. Selbst, wenn wir nicht die gleiche Reichweite wie die großen Computerspielehersteller haben: Indie-Games sind wichtig.“