Berlin. Zum Internationalen Tag der Pflegenden kam es in Berlin zu zahlreichen Protestaktionen. Zustände in der Branche besorgniserregend.
Zum internationalen Tag der Pflegenden wurde es laut in Berlin. Mit Kundgebungen, Demonstrationszügen und Protestaktionen machten am Freitag Pflegekräfte, Pflegeschüler und Branchenvertreter im Bezirk Mitte lautstark auf sich und auf die aus ihrer Sicht dramatische Situation in der Pflege aufmerksam. Auch die geplante Pflegereform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wurde während der einzelnen Veranstaltungen mehrmals als unzureichend kritisiert.
Los ging es Freitagmittag vor dem Berliner Hauptbahnhof, schräg gegenüber den Entscheidern von Bundestag und Kanzleramt, symbolisch um 12.05 Uhr. Denn: „Fünf nach Zwölf“ lautete das Motto der Kundgebung. Mit Trillerpfeifen, Megafonen, selbst gebastelten Schildern und Sprechchören zogen rund 300 Pflegekräfte aus Berlin und Brandenburg sowie pflegende Angehörige die Blicke der Passanten auf sich.
Berlin: Immer mehr Menschen in Deutschland werden pflegebedürftig
„Wir retten Leben, wer rettet uns?“, ertönte es aus der Menge. Unter den Teilnehmenden befanden sich unter anderem Beschäftigte der Johanniter, der Johannesstift Diakonie und der Stephanus Tagespflege. Aufgerufen hatten die Diakonie Deutschland und der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP).
„Ich bin hier, weil wir sehenden Auges in eine Pflegekatastrophe laufen“, sagte eine Mitarbeiterin der Johanniter. „Durch die älter werdende Babyboomergeneration werden immer mehr Menschen pflegebedürftig werden, aber kaum einer will unseren Job noch unter diesen Umständen machen.“
Pflegenotstand noch nicht in den Köpfen angekommen
Eine Meinung, die auf dem Podium geteilt wurde. „Die Pflege selbst ist schon längst ein Pflegefall“, sagte Maria Loheide, Sozialpolitische Vorständin der Diakonie Deutschland. Leider würden viele Menschen diesen Notstand erst wahrnehmen, wenn sie selbst oder Angehörige pflegebedürftig würden. „Wir brauchen dringend eine grundlegende Pflegereform, um in den nächsten Jahren eine würdevolle Pflege für alle Menschen zu sichern“, so Loheide.
Knapp 1,3 Millionen Pflegekräfte seien in den herausfordernden Jahren der Corona-Pandemie in der Langzeitpflege beschäftigt gewesen und hätten unter hohem persönlichem Einsatz die Pflegebedürftigen weiter versorgt und geschützt, erinnerte Wilfried Wesemann, Vorstandsvorsitzender des DEVAP: „Wir brauchen Mut auf allen Ebenen und müssen die Pflege gesamtgesellschaftlich in den Blick nehmen, damit dieser großartige Beruf weiterhin attraktiv bleibt.“
Demonstranten bilden Menschenkette um Gesundheitsministerium

Laut einer aktuellen Studie der Techniker Krankenkasse (TK) leidet das Pflegewesen in Deutschland massiv unter einem hohen Krankenstand, Versorgungsunsicherheit und einem gravierenden Personalnotstand unter seinen Beschäftigten. Das Beschäftigungswachstum in der Pflege fällt seit Januar 2022 schwächer aus als im Durchschnitt aller anderen Berufe. „Der Internationale Tag der Pflegenden gibt Anlass, die so wichtige Arbeit der unter hoher Belastung stehenden Pflegenden wertzuschätzen“, sagte Berlins Pflegesenatorin Ina Czyborra. „Und er gibt Anlass, über Herausforderungen und Lösungsansätze zu sprechen.“
Schwerpunkte der Berliner Pflegepolitik in den kommenden Jahren seien dementsprechend die konsequente Ausweitung von Maßnahmen der Fachkräftesicherung und die Entwicklung von Strategien zur Gewinnung ausländischer Pflegefachkräfte, der Ausbau der Infrastruktur in der Pflege und präventiver Angebote sowie die stärkere Unterstützung pflegender An- und Zugehöriger, so Czyborra.
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Am Freitagnachmittag zog außerdem eine Demonstration von knapp 700 jungen Pflegenden und Auszubildenden vom Invalidenpark in Mitte über die Luisenstraße zum Bettenhochhaus der Charité, wo es zu einem Flashmob mit gespielter Gegendemonstration kam.