Berlin. Die Mietpreisbremse wird in Berlin von Vermietern häufig ignoriert oder umgangen – zu diesem Ergebnis kommt der Berliner Mieterverein (BMV) auf Basis einer Studie, bei der 935 Beratungsfälle juristisch geprüft und ausgewertet wurden. Demnach wurde in rund 98 Prozent der Fälle die zulässige Miete entsprechend der Regelung der Mietpreisbremse überschritten. Eigentlich ist dort festgeschrieben, dass bei Abschluss eines neuen Mietvertrags die Miete nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf.
Für eine Generalisierung und Hochrechnung auf die gesamte Berliner Mieterschaft ist die Datenbasis laut BMV allerdings zu gering, zumal bei allen untersuchten Fällen bereits der Anfangsverdacht bestand, dass die zulässige Miete nicht eingehalten wird. Dennoch zeigte sich bei der Studie, dass die gezahlte Miete häufig deutlich zu hoch ist: Bei etwa der Hälfte aller Fälle lagen die Überschreitungen bei mehr als 50 Prozent über der zulässigen Miethöhe, so der BMV. Wibke Werner, BMV-Geschäftsführerin, nannte dies „besorgniserregend“. „Es gab die Tendenz: Wenn ein Verstoß stattfand, dann auch mit erheblicher Auswirkung.“ Im Durchschnitt sei die zulässige Miete um 287 Euro überschritten worden, hieß es.
Berliner Mieterverein: Vor allem private Vermieter verstoßen gegen Mietpreisbremse
Verstöße stellte der BMV vor allem bei privaten Vermietern fest: Rund zwei Drittel der Prüffälle gingen auf Überschreitungen durch private Wohnungsunternehmen zurück, auf private Einzelvermieter entfiel ein Anteil von 30 Prozent. Allerdings ist hierbei zu berücksichten, dass bei der Überprüfungsaktion auch kaum Fälle behandelt wurden, bei denen es sich um Mietverträge bei landeseigenen Wohnungsbauunternehmen oder Genossenschaften handelte. Der BMV erklärt das damit, dass deren Mieter nur in seltenen Fällen den Anfangsverdacht auf Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorschriften hätten.
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In den Blick genommen hat der BMV auch die festgelegten Ausnahmeregelungen der Mietpreisbremse. Das betrifft beispielsweise Neubauwohnungen, die nach dem 1. Oktober 2014 erstmals genutzt und vermietet wurden oder Wohnungen, die nach umfassender Modernisierung neu vermietet werden. Auch wenn die Miete der Vormieter rechtmäßigerweise bereits über der eigentlich zulässigen Grenze lag, darf diese im nachfolgenden Mietverhältnis weiter gefordert werden. Von den 912 Fällen, in denen der BMV einen Verstoß gegen die Mietpreisbremse feststellte, beriefen sich Vermieter den Angaben nach in nur 228 Fällen auf Ausnahmen. Hinreichend belegt wurden die Tatbestände demnach aber lediglich in 35 Fällen, was einem Anteil von gut 15 Prozent entsprach.
Berlin: Mieterverein fordert, Ausnahmen der Mietpreisbremse zu streichen
Der Berliner Mieterverein fordert deshalb, Ausnahmetatbestände der Mietpreisbremse – mit Ausnahme der Regelung für Neubauwohnungen – zu streichen, außerdem solle es künftig Sanktionen bei Verstößen geben. Ebenso halten die Experten Anpassungen mit Blick auf möblierte Wohnungen für nötig. Demnach sollte künftig der Möblierungszuschlag transparent im Mietvertrag ausgewiesen werden, was bislang häufig nicht der Fall sei.
Möblierte Wohnungen nehmen einer aktuellen Auswertung zufolge stark zu und machten zuletzt – unter den inserierten Angeboten in Berlin – rund 50 Prozent aus. „Das ist ein Riesenproblem und wird auch weiter zunehmen“, prognostizierte Werner, weil viele Vermieter so versuchen würden, die Mietpreisbremse zu umgehen. „Solange der Möblierungszuschlag nicht extra ausgewiesen ist, ist es extrem schwierig, die zulässige Wiedervermietungsmiete zu berechnen“, sagte sie. Zudem fordert der BMV, Indexmieten zu verbieten und bei bestehenden Mietverträgen eine Kappungsgrenze einzuführen. Seit der starken Inflation haben auch solche Verträge laut BMV deutlich zugenommen.
Werner bilanziert: „Das Instrument der Mietpreisbremse führt offensichtlich nicht dazu, dass der Mietenanstieg in irgendeiner Weise gebremst wird.“ Der IBB Wohnungsmarktbericht hatte zuletzt ergeben, dass sich die Angebotsmieten von 2021 auf 2022 um rund zehn Prozent auf nun gut 11,50 Euro pro Quadratmeter erhöht haben. Seit 2012 sind die mittleren Angebotsmieten demzufolge sogar um 60,3 Prozent gestiegen.