Berlin. Die Polizei Berlin steht erneut vor einem Großeinsatz wegen geplanter Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs. Für Montag, den 8. und Dienstag, den 9. Mai seien bislang insgesamt 31 Versammlungen angekündigt, sagte ein Polizeisprecher am Freitag. Angesichts des andauernden russischen Angriffskrieges auf die Ukraine geht die Polizei weiter von einer „sensiblen Gefährdungslage“ aus.
Deswegen hat die Behörde für den 8. und 9. Mai ein Verbot für russische und ukrainische Flaggen rund um die Sowjetischen Ehrenmale in Treptow, Tiergarten und Schönholzer Heide erlassen. Gegen diese Auflage ging der ukrainische Verein "Vitsche" gerichtlich mit einem Eilantrag vor - mit Erfolg. Das Verwaltungsgericht Berlin hob am Freitagabend das Verbot für ukrainische Flaggen auf. Russische Flaggen dürfen aber weiterhin nicht gezeigt werden. Das berichteten der Sender RBB sowie die Zeitungen BZ und Tagesspiegel. In der Begründung des Gerichts, die den Medien vorliegt, hieß es, die Allgemeinverfügung sei "offensichtlich rechtswidrig". Es fehlten "jegliche Anhaltspunkte, um von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auszugehen." Die Polizei Berlin kann gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einlegen.
Patrick Heinemann, der Anwalt von "Vitsche", sagte dem RBB: "Das Verwaltungsgericht hat unsere Rechtsauffassung bestätigt: Das Verbot ukrainischer Flaggen ist - mit den Worten des Gerichts - offensichtlich rechtswidrig. Wer von seinem Grundrecht Gebrauch macht, sich öffentlich zur ukrainischen Nation und ihren historischen Opfern bei der Niederringung des Nationalsozialismus zu bekennen, ist keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit."
Ein solches Fahnenverbot gab es bereits im Vorjahr. Es sorgte damals für viel Kritik von ukrainischer Seite, unter anderem vom damaligen ukrainischen Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk.
Verbot soll würdevolles Gedenken an gefallene Soldaten ermöglichen
Mit Auflagen will die Polizei "ein würdevolles Gedenken an den Sowjetischen Ehrenmälern ermöglichen und Auseinandersetzungen verhindern", wie Polizeipräsidentin Barbara Slowik in der vergangenen Woche der Berliner Morgenpost im Interview sagte. Da dort auch gefallene Soldaten beigesetzt seien, gelte es, „die Würde der Toten vor dem Hintergrund der historischen Verantwortung Deutschlands zu schützen“.
Neben dem Flaggenverbot ist auch das Abspielen von russischen Marsch- und Militärliedern verboten. Darüber hinaus ist ebenfalls untersagt, „Ausrufe zu tätigen, die aufgrund der aktuellen Situation geeignet sind, den Krieg in der Ukraine zu billigen, zu glorifizieren oder zu verherrlichen“. Es ist auch verboten, sogenannte Georgsbänder sowie „Uniformen oder Uniformteile auch in abgewandelten Formen“ zu zeigen.
Nicht von dem Verbot betroffen seien demnach „Veteraninnen und Veteranen des 2. Weltkrieges, Diplomatinnen und Diplomaten sowie Vertretende und Delegationen von Staaten, die stellvertretend für die unmittelbar an der Befreiung Deutschlands beteiligten Staaten an den Gedenkveranstaltungen teilnehmen werden“.
Die Allgemeinverfügung gilt in diesem Jahr nur im Umfeld der drei großen Ehrenmale. Im vergangenen Jahr wurden entsprechende Verbote für 15 Orte erlassen – darunter etwa auch das Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Wittenau oder der Gedenkstein am Ostseeplatz. Dadurch sei der Einsatz 2022 „weitestgehend störungsfrei“ verlaufen, sagte Slowik.
Polizei rechnet auch wieder mit Gedenkfahrt der Nachtwölfe
Für alle Veranstaltungen, die abseits der drei Sowjetischen Ehrenmale stattfinden, gelten die Verbote nicht. Die Polizei rechnet laut Präsidentin Slowik außerdem wieder mit einer Gedenkfahrt der Nachtwölfe. Nach Angaben eines Sprechers wurden rund 130 Teilnehmer für den 9. Mai angekündigt. Die Gruppe gilt als Unterstützerin des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Im vergangenen Jahr sei das Auftreten des russisch-nationalen Rockerclubs in Berlin allerdings störungsfrei verlaufen.
„Putins Motorradgang“ wolle vor allem provozieren, sagte der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Polizei sei jedoch geübt im Umgang mit Rockern. „Den Nachtwölfen werden klare Grenzen aufgezeigt werden“, so Kopelke. (mit dpa)
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