Politik

Abstimmung der SPD Berlin: Tag der Entscheidung ist da

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Jens Anker
Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hofft auf einen erfolgreichen Mitgliederentscheid, damit sie ihr Amt an Kai Wegner übergeben kann.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hofft auf einen erfolgreichen Mitgliederentscheid, damit sie ihr Amt an Kai Wegner übergeben kann.

Foto: Monika Skolimowska / dpa

Die Mitglieder der SPD Berlin haben abgestimmt. Heute wird das Ergebnis präsentiert. Kommt die große Koalition?

Berlin.  Mit Spannung wird an diesem Sonntag die Auszählung des SPD-Mitgliederentscheids erwartet. Die 18.500 Berliner Parteimitglieder stimmen über die Annahme des zwischen CDU und SPD ausverhandelten Koalitionsvertrages ab und damit über das Zustandekommen der künftigen Landesregierung.

Nach letztem Stand haben sich 11.450 Mitglieder beteiligt. Das entspricht fast zwei Dritteln der stimmberechtigten Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in der Hauptstadt. Die erforderliche Mindestbeteiligung von 20 Prozent der Stimmberechtigten war bereits lange vor Fristende erreicht.

SPD Berlin: So läuft die Auszählung der Stimmen

Die Auszählung der Stimmen beginnt um 8.30 Uhr in der Berliner SPD-Zentrale im Kurt-Schumacher-Haus in der Müllerstraße in Wedding. 60 Wahlhelfer werden die Stimmen hinter verschlossenen Türen auszählen. Jeder Wahlhelfer muss sein Mobiltelefon abgeben und darf den Raum im ersten Stock des Kurt-Schumacher-Hauses nicht verlassen, bis das Ergebnis feststeht. Zwischenstände werden nicht übermittelt. Das Ergebnis wird am Nachmittag erwartet. Die beiden Landeschefs Franziska Giffey und Raed Saleh nehmen nicht an der Auszählung teil.

Für die Auszählung der Stimmzettel stehen zwei sogenannte Schlitzmaschinen zur Verfügung, die die eingegangenen Briefumschläge automatisch öffnen. Danach gleichen die Wahlhelfer die Absender mit den Mitgliedslisten der SPD ab. Am Mittag wird den Wahlhelfern Essen geliefert. Es gibt Kuchen und drei Nudelvariationen: Bolognese, Vegetarisch und mit Hähnchen-Sahnesoße.

Jusos und einige Bezirksverbände sind gegen Koalition

Eine Koalition mit der CDU ist bei den Sozialdemokraten umstritten. Die Nachwuchsorganisation Jusos und einige Bezirksverbände haben sich deutlich gegen eine derartige Koalition ausgesprochen, bei der die SPD das Rote Rathaus nach 22 Jahren ununterbrochener SPD-Regentschaft der CDU rund um Spitzenkandidat Kai Wegner überlässt.

Die Kritiker der möglichen Regierungskonstellation werfen dem SPD-Führungs-Duo Giffey und Saleh vor, ohne Not auf die Führung des Senats zu verzichten. Auch eine Koalition mit den bestehenden Koalitionspartnern Grüne und Linke unter SPD-Führung wäre möglich.

Abstimmung bei der SPD Berlin - SPD-Chefs warben um die Zustimmung der Mitglieder

Die beiden SPD-Landesvorsitzenden Raed Saleh und Franziska Giffey, derzeit noch Regierende Bürgermeisterin, haben sich für das Bündnis mit der CDU stark gemacht. Ein Nein der SPD-Basis zum Koalitionsvertrag könnte nach Einschätzung des Berliner Wahlforschers Thorsten Faas auch personelle Konsequenzen haben. „Als Landesvorsitzende wären Giffey und Saleh wohl beide nicht haltbar“, sagte der Politikwissenschaftler, der an der Freien Universität lehrt, am Wochenende.

Bei der Wiederholungswahl am 12. Februar war die CDU mit 28,2 Prozent als klarer Wahlsieger hervorgegangen. SPD und Grüne folgten dahinter, jeweils mit 18,4 Prozent der Stimmen. Die Linke erreichte 12,2 Prozent und die AfD 9,1 Prozent. Die FDP scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde.

Auf welche Landesregierung es dann hinauslaufen könnte, gilt als offen. Schwarz-Grün und die Fortsetzung von Rot-Grün-Rot – dann wohl ohne Giffey – wären die Alternativen. Giffey bliebe als Regierende Bürgermeisterin zunächst im Amt, bis eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger gewählt ist.

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Neuer Senat könnte am Donnerstag vereidigt werden

Sollte eine Mehrheit der SPD-Mitglieder für den vorliegenden Koalitionsvertrag stimmen, stünde der Bildung einer neuen Landesregierung nichts mehr im Weg. Am Montag kommt die CDU zu einem Landesparteitag zusammen. Die Zustimmung zur Neuauflage einer CDU-SPD-Koalition gilt dabei als Formsache.

Auf dem Parteitag sollen auch die Kandidaten für die fünf Senatsposten vorgestellt werden, die die CDU im Fall einer Regierungsbildung beansprucht. Als sicher gilt, dass die Bildungspolitikerin Katharina Günther-Wünsch das Schulressort übernehmen wird. Der Kulturmanager Joe Chiallo soll Kultursenator und der bisherige Generalsekretär Stefan Evers Finanzsenator werden. Als künftige Mobilitätssenatorin wird die bisherige Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau gehandelt, Manja Schreiner. Offen ist demnach noch die Besetzung des Justizressorts.

Bei der SPD würden sie Franziska Giffey (Stadtentwicklung oder Wirtschaft), Iris Spranger (Inneres), Cansel Kiziltepe (Soziales), und möglicherweise Martin Matz (Gesundheit) ins Rennen schicken. Der noch-amtierende Wirtschaftssenator Stephan Schwarz ist kein Kandidat mehr, da er am Sonnabend seinen Rückzug angekündigt hat.

Bereits 2026 wird in Berlin erneut gewählt

Am Mittwoch würden die Parteispitzen von CDU und SPD den Koalitionsvertrag unterschreiben, bevor am Donnerstag das Abgeordnetenhaus zusammentritt und den neuen Regierenden Bürgermeister wählt. Sollte das gelingen, ernennt der neue Regierungschef danach im Roten Rathaus die zehn Senatoren.

Wie die nächste Wahl zum Abgeordnetenhaus 2026 ausgeht, ist aus Sicht des Politikwissenschaftlers Faas völlig offen. „Die einfache Rechnung, eine große Koalition führe zum Wahlsieg der CDU, stimmt nicht“, sagte Faas. „Es steht und fällt damit, wie gut und wie schnell Wegner seine Rolle findet. Und ein bisschen liegt es auch wieder in den Händen der SPD, auf die er ja angewiesen ist.“

Der neuen Landesregierung bleibt nicht viel Zeit, sich einzuarbeiten. Der Berliner Verfassungsgerichtshof hatte im September vergangenen Jahres zwar die Wiederholung der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und in den Bezirken angeordnet, weil zahlreiche Pannen und Fehler eine ordnungsgemäße Wahl am 26. September 2021 nicht zugelassen hatten. Die Legislatur von fünf Jahren beginnt aber mit der künftigen Landesregierung nicht neu. Im Herbst 2026, also bereits in dreieinhalb Jahren, stehen die nächsten Wahlen zum Landesparlament an.