Berlin. Am Mittwoch klebten sich Anhänger der Aktivistengruppe fest. Dabei begann der Tag für sie ganz friedlich mit einem Kirchen-Frühstück
Mit aufsehenerregenden Aktionen starteten die Anhänger der Klimabewegung „Letzte Generation“ am Mittwoch ihre Proteste in Berlin. Ihr Ziel ist, vor allem in der kommenden Woche die Stadt lahmzulegen. Bei einem Umzug von Kreuzberg nach Friedrichshain und Mitte mit rund 800 Teilnehmern kam es ab dem frühen Nachmittag zu handfesten Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Auf der Schillingbrücke erklomm ein Mann ein Polizeiauto und wurde dort von der Polizei festgesetzt. Am Strausberger Platz in Friedrichshain verklebten sich sechs Teilnehmer untereinander. Der Umzug endete am Brandenburger Tor.
Letzte Generation empfängt viele Neuzugänge in Kreuzberg
Der erste Protesttag begann für rund 500 Anhänger der Letzten Generation in der St. Thomas-Kirche in Kreuzberg. Der Kirchenrat hatte der Gruppe am Dienstag und Mittwoch Räume zur Verfügung gestellt. Eine weitere Zusammenkunft dort ist für den kommenden Mittwoch festgelegt.
Im Gegensatz zu den verstörenden Eskalationen beim späteren Umzug war die Stimmung in der Kirche weniger kämpferisch als herzlich vertraut. Erfahrene Klimaaktivisten wandten sich besonders neuen Gesichtern zu. Mit Namensaufklebern versehen, waren die Teilnehmer auf die Stühle des Raums verteilt, andere bedienten sich an einem auf mehrere Tische ausgebreiteten veganen Frühstücksbüffet, samt Hafermilch für den Kaffee. Eine der Aktivistinnen, eine Künstlerin Mitte 50, erzählte, sie sei erst seit wenigen Wochen dabei. Dem Zugang zur Gruppe ging bei ihr ein 90-minütiges Gespräch mit einem Mitglied der Aktivistengruppe voraus: „Um Vertrauen zu schaffen.“
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Redner reißen die Zuhörer in der Kirche mit
Begeistert zeigte sie sich nun über den Zusammenhalt der „Letzten Generation“. Und über die erfahreneren Mitstreiter. Fast jeder hier in der Kirche, sagte sie, habe bereits eine Anzeige erhalten, auch sie selbst. Mancher habe sogar schon in Haft gesessen. Die Veranstaltung in der Kirche wurde aus mehreren Dutzend Metern von uniformierten Polizisten beobachtet. In einer Nebenstraße standen drei Fahrzeuge mit kleiner Besatzung.
Mit Tellern vor und um sich lauschten die aus ganz Deutschland angereisten Besucher einer Reihe Ansprachen. Eine Aktivistin trat ans Mikrofon und erklärte, sie habe „ein Weltschmerz“ hergeführt. „Aber ich wollte ihn nicht mehr allein ertragen.“ Die Rednerin sprach erkennbar nicht zum ersten Mal öffentlich. Langsam setzte sie die Worte, die von den Wänden des Gotteshauses widerhallten. Seit sie bei der „Letzten Generation“ sei, fühle sie sich nicht mehr allein. „Viele mutige und wunderschöne Menschen stehen an meiner Seite“, sagte sie, was den 500 Zuhörern wohlwollendes Murmeln entlockte.
Robin erwartet, dass die Proteste der „Letzten Generation“ etwas bewirken
In einer Pause sagte der eigens für die Proteste aus Köln angereiste Robin (19), er habe dafür eine Auszeit von der Universität genommen. Anka (28) neben ihm beantragte sogar Urlaub dafür. „Wenn ich sehe, dass unsere Proteste etwas bewirken, dann werde ich länger bleiben“, sagte Robin.
„Bewirken“ heißt bei ihm: Die Bundesregierung lässt sich auf Forderungen der Klimaaktivisten ein, etwa darauf, einen Gesellschaftsrat einzusetzen. Auf die Frage, ob er dies für möglich halte, sagte er selbstbewusst: „Sonst wäre ich nicht extra nach Berlin gekommen.“ Und: Wenn die Stadt tagelang lahmliege, müsse die Politik „ja irgendwie reagieren“.
Gegen 14 Uhr machten sich die Demonstranten zum folgenreichen Umzug auf. Ihre Handys gaben sie vorsorglich bei einer Sammelstelle der Letzten Generation ab. Die Geräte sollten, so die Organisatoren im Vorfeld, bei Festnahmen besser nicht der Polizei in die Hände fallen.
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