Berlin. Der Rechtsstreit um das Verbot einer Palästinenser-Demonstration in Berlin geht in die nächste Runde. Jetzt hat das OVG entschieden.
Mit dem Verbot einer pro-palästinensischen Demonstration hatte sich am Samstag das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in einem Eilverfahren befasst. Die Polizei hatte die für den frühen Samstagabend (17.30 Uhr) am Hermannplatz in Neukölln geplante Versammlung mit der Begründung verboten, es könnte zu volksverhetzenden oder antisemitischen Ausrufen, Gewaltverherrlichung oder Gewalttätigkeiten kommen.
Etwa eine Stunde vor der geplanten Kundgebung auf dem Hermannplatz in Neukölln hat das Oberverwaltungsgericht das Verbot der Kundgebung endgültig bestätigt. Für die Polizei vor Ort war damit klar, dass es ihre Aufgabe ist, das Versammlungsverbot durchzusetzen. Doch waren gegen 17 Uhr noch keine der 100 angemeldeten Teilnehmer auf dem Hermannplatz angetreten. Erfahrungsgemäß werden diese Verbote auch eingehalten, hieß es von einigen der erfahrenen Beamten auf dem Hermannplatz.
Nach Angaben einer Sprecherin der Polizei waren bis 18 Uhr keine Demonstranten auf dem Hermannplatz erschienen. Offenbar haben sich die 100 angemeldeten Teilnehmer an das Demoverbot gehalten. Auch bis 18.30 Uhr waren keine Demonstranten auf dem Hermannplatz erschienen. Die Polizei hat begonnen, die Kräfte dort zu reduzieren. Nach Angaben einer Sprecherin waren bis zu 360 Beamte im Einsatz.
Das Verwaltungsgericht hatte zuvor bereits einen Eilantrag gegen das Verbot abgelehnt. Dagegen legten die Organisatoren Beschwerde ein und zogen somit im Eilverfahren in die nächste Instanz vor das Oberverwaltungsgericht. Der erste Senat werde zeitnah entscheiden, erklärte die Gerichtssprecherin.
Für Sonntag war eine weitere pro-palästinensische Kundgebung angemeldet, die ebenfalls verboten wurde. In diesem Fall wurde jedoch kein Widerspruch eingelegt. Die Polizei hat auch jegliche Ersatzveranstaltungen bis zum 16. April verboten.
Unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits war aber schon zuvor klar, dass die Polizei am Versammlungsort sein werde. „Die Berliner Polizei wird ab dem Samstagnachmittag vor Ort sein, um das Versammlungsverbot durchzusetzen“, sagte ein Polizeisprecher der Berliner Morgenpost. „Dabei werden wir auch drei Dolmetscher einsetzen.“
Polizei Berlin steht nach einer Demo in der Kritik
Die Berliner Polizei hatte zuletzt in der Kritik gestanden, weil sie eine Palästinenser-Demonstration am Karsamstag nicht gestoppt hatte. Dabei waren nach Angaben von Beobachtern israelfeindliche und antisemitische Parolen gerufen worden. Die Organisation democ stellte nach eigenen Angaben Videomaterial von der Kundgebung in Neukölln und Kreuzberg ins Netz. Mehrere Menschen erstatteten Anzeige.„Das waren und sind martialische Bilder“, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Freitag und sprach von hochemotionalisierten Palästinensern mit Fahnen, Fäuste reckend, Beschimpfungen und Bedrohungen ausstoßend, Israel beschimpfend.
Neuköllner Linke kritisieren Versammlungsverbot
„Das macht Angst. Vor allem in der jüdischen Community. Nicht nur dort.“ Slowik traf sich nach eigenen Angaben am Freitag unter anderem mit Vertretern der jüdischen Gemeinde. Als Polizei Berlin hätten sie die Aufgabe, Antisemitismus entgegenzutreten. „Wir schöpfen Auflagen regelmäßig aus und auch alle Möglichkeiten, auf Äußerungen, Symbole, Motive, Ausrufe zu reagieren, die sich gegen die Sicherheit der Jüdinnen und Juden in Berlin richten oder den Bestand Israels“, sagte Slowik. Gleichzeitig sei es eine zentrale Aufgabe der Polizei, die Versammlungsfreiheit zu schützen und sie seien bei Eingriffen in die Versammlungsfreiheit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet.
Der Bezirksverband der Linken in Neukölln kritisierte das Vorgehen. „Erneut werden Menschen, die sich mit der Bevölkerung Palästinas solidarisieren, in Kollektivhaftung genommen“, teilte der stellvertretende Sprecher Daniel Kipka-Anton mit. Äußerungen einzelner Teilnehmer, welche zu verurteilen seien, böten keine Begründung gesamte Demonstrationen zu verbieten.
Polizei ermittelt wegen Verdachts der Volksverhetzung
Die Polizei ermittelt nach der Demonstration am Karsamstag bislang in einem Fall wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Auf die Frage, ob die Polizei bei dem Einsatz Fehler begangen habe, sagte Slowik: „Fehler ist vielleicht ein starkes Wort, aber man kann natürlich sozusagen schneller einschreiten, deutlicher einschreiten.“ Sie sagte auch, die Polizei könne und müsse auch jenseits von Verletzungen des

Strafgesetzbuches tätig sein. „Wir haben uns verständigt darüber, dass es im Grunde so etwas gibt wie codierte Begriffe.“ Die beiden Demonstrationen an diesem Wochenende waren laut Polizei mit jeweils 100 Teilnehmern angemeldet. Eine Politikwissenschaftlerin des Landeskriminalamts erklärte, es sei auch abhängig von der politischen Lage im Nahen Osten, welche Personen zu solchen Versammlungen kämen. Mit den verschiedenen Eskalationsstufen in Israel und den palästinensischen Gebieten steige das Mobilisierungspotenzial auch hier auf den Straßen.
Zu der Demonstration an Karsamstag habe ein Anmelder aus dem Spektrum des palästinensischen Netzwerks Samidoun aufgerufen, sagte sie. Hintergrund der Demonstration waren unter anderem die anhaltenden Konflikte rund um die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem. Laut Sicherheitskreisen schätzt der Verfassungsschutz die Gruppe als israelfeindlich und der radikalen Palästinenserorganisation PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) nahestehend ein.
(mit dpa)