Strafanzeigen nach Demo

Antisemitische Parolen gerufen: Empörung über Demo in Berlin

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Zahlreiche Menschen nehmen an einer Al-Kuds-Demonstration teil. (Archivbild)

Zahlreiche Menschen nehmen an einer Al-Kuds-Demonstration teil. (Archivbild)

Foto: Jörg Carstensen/dpa/Archivbild

Palästinenser zogen durch Neukölln und Kreuzberg. Ein Verein veröffentlichte ein Video, in dem judenfeindliche Rufe zu hören sind.

Berlin. Eine antiisraelische Demonstration mit judenfeindlichen Rufen in Berlin hat große Empörung ausgelöst. Mittlerweile hat der Staatsschutz die Ermittlungen aufgenommen. Der Polizei liegen nach Angaben eines Sprechers mehrere Strafanzeigen vor. Es seien erste Schritte wegen des Verdachts der Volksverhetzung eingeleitet worden, sagte der Polizeisprecher am Montag. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) teilte bei Twitter mit: "Der Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen. Erstes Beweismaterial wurde bereits ausgewertet."

"Diese Israelhass-Demonstration hätte so nicht stattfinden dürfen"

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) gehört nach eigenen Angaben zu den Anzeigeerstattern. "Diese Israelhass-Demonstration hätte so nicht stattfinden dürfen", sagte Volker Beck. DIG-Präsident Beck forderte von Berlins Innensenatorin eine Erklärung dafür, dass die Demonstration überhaupt stattfinden konnte.

Auch der Jüdische Verein "WerteInitiative" forderte eine Erklärung dafür, warum die Demonstration von der Polizei nicht beendet wurde und es keine Festnahmen gab. Sein Vorsitzender Elio Adler erklärte: "Die Anforderung an die Polizei war nicht, versteckte antisemitische Codes zu dechiffrieren, sondern es war banaler, klar erkennbarer Judenhass."

Israelischer Botschafter: "Schwachköpfe missbrauchen Deutschlands Freiheiten"

Der israelische Botschafter Ron Prosor schrieb auf Twitter: "Diese Schwachköpfe missbrauchen Deutschlands Freiheiten und rufen ohne Hemung (sic!) zur Vernichtung Israels und der Juden auf. Sie missachten die demokratischen Werte in Deutschland und überschreiten nicht nur jede mögliche rote Linie, sondern 'spucken auch in den Brunnen, aus dem sie trinken'."

Bundesjustizminister Marco Buschmann: Anfangsverdacht auf Volksverhetzung

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) teilte bei Twitter mit: "Wenn Gruppen auf deutschen Straßen 'Tod den Juden' skandieren, dann besteht ein Anfangsverdacht auf Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 StGB." Er gehe davon aus, dass die Sicherheitsbehörden entsprechend vorgingen.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) äußerte sich am Montagnachmittag auf Twitter: "Die Bilder der Kundgebung in #Neukölln sind zutiefst beschämend. Dieser Hass auf Israel ist unerträglich. Ich verurteile antisemitische Parolen und Drohungen auf das Schärfste."

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer kritisierte den Protest. "Beschämend, dass sowas in Deutschland möglich ist. Wehret den Anfängen - erst recht bei Antisemitismus. Dass manche Leute Judenfeindlichkeit aus ihrer Heimat mitgebracht haben, ist völlig inakzeptabel." Er fordert, dass Verfassungsschutz, Ausländerbehörden und Polizei genau hinschauen müssen.

Der Vize-Chef der Bundespolizeigewerkschaft, Manuel Ostermann, reagierte auf den Tweet von Hauer. "Matthias Hauer hat absolut Recht. Hier ist endgültig eine rote Linie überschritten." Außerdem schrieb er: "Antisemitismus muss in Deutschland mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden. Die Demo in Berlin ist erneut ein Bild der Schande."

Demo in Berlin: Palästinenser rufen "Tod den Juden"

Bei der Demonstration waren am Ostersamstag Hunderte Menschen durch Neukölln und Kreuzberg gezogen. Hintergrund der Demonstration waren unter anderem die anhaltenden Konflikte rund um die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem.

Bei dem Protest skandierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer antisemitische Parolen. Sie riefen "Tod den Juden" und forderten die Freilassung von in Israel verurteilten Attentätern. Das zeigt ein Video, das der Verein Democ auf Twitter veröffentlichte. Auf dem Mitschnitt ist auch zu sehen, dass die Teilnehmer palästinensische Fahnen schwenkten.

Einsatzkräfte der Polizei begleiteten den Protest. Laut eines Sprechers waren rund 250 Beamte vor Ort. Auch Sprachmittler und Dolmetscher seien beteiligt gewesen. Die Polizei habe im Anschluss Videomaterial ausgewertet. Zu den Erkenntnissen konnte der Sprecher nach eigenen Angaben nichts sagen. Nach seiner Kenntnis seien Polizistinnen und Polizisten nicht eingeschritten.

Dies hatte auch die Organisation democ berichtet. Vorstands- und Gründungsmitglied Grischa Stanjek schilderte am Montag, er habe die gut zweieinhalbstündige Kundgebung gemeinsam mit einem Kollegen begleitet. Er sprach von etwa 300 Teilnehmern. Gegenüber dem "Tagesspiegel" berichtete ein Polizeisprecher am Sonntag zunächst von 500 Teilnehmern und einem störungsfreien Verlauf der Demo.

Zu dem Protest hatte unter anderem "Samidoun" aufgerufen. Es ist eine Gruppierung, die sich als Solidaritätsnetzwerk für palästinensische Gefangene bezeichnet, vom Staat Israel aber zur Terrororganisation erklärt wurde.

Berlin ist immer wieder Schauplatz von israelfeindlichen Demonstrationen. Auch im vergangenen Frühjahr waren mehrere Hundert pro-palästinensische Demonstranten durch Kreuzberg und Neukölln gezogen. Dabei wurden volksverhetzende Parolen gerufen sowie Journalistinnen und Journalisten bedrängt, beleidigt und angegriffen. Polizisten wurden mit Plakaten und Holzstangen beworfen. Die Polizei ermittelte wegen besonders schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Volksverhetzung. Berlins Innensenatorin Spranger hatte nach den antisemitischen Übergriffen angekündigt, die Straftaten konsequent zu verfolgen. Auch andere Politiker verurteilten die Demonstrationen.

Al-Kuds-Demonstration in Berlin abgesagt

Zuletzt war bekannt geworden, dass die umstrittene Al-Kuds-Demonstration in Charlottenburg auch für dieses Jahr abgesagt wurde. Die Organisatoren hätten die Anmeldung der Kundgebung mit bis zu 2000 Menschen am 15. April zurückgezogen, bestätigte ein Polizeisprecher am vergangenen Mittwoch. Zuvor hatte der "Tagesspiegel" berichtet. Der Zentralrat der Juden begrüßte die Absage. "Wir sollten uns aber nicht vormachen, dass das Denken und der Hass, der dahinter steht, einfach so verschwindet", erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster.

Bei Al-Kuds-Demonstrationen in früheren Jahren hatte es israelfeindliche und antisemitische Sprechchöre gegeben, Teilnehmer trugen Plakate mit Landkarten des Nahen Ostens ohne den Staat Israel. 2020 und 2021 war die Demonstration wegen der Corona-Pandemie ausgefallen. Im vergangenen Jahr wurde sie ebenfalls abgesagt. Zuvor war über ein Verbot diskutiert worden. Für die Absage in diesem Jahr lag keine Begründung vor, wie ein Polizeisprecher sagte. Zwei geplante Gegendemonstrationen seien noch nicht zurückgezogen.

Am Al-Kuds-Tag zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan ruft der Iran jedes Jahr zur Eroberung Jerusalems auf. Hintergrund ist die Besetzung Ost-Jerusalems durch Israel während des Sechstagekrieges 1967. Al-Kuds ist der arabische Name für Jerusalem.

( JP/dpa )