Berlin. Erstmals seit 115 Jahren gibt es in Berlin Nachwuchs bei den Neuguinea-Kurzschnabeligeln. Der Tierpark spricht von einer Sensation.
Ein eierlegendes Säugetier mit Stacheln und Beutel hat das Osterei des Jahrhunderts gelegt: In Berlin ist erstmals seit 115 Jahren ein Neuguinea-Kurzschnabeligel aus dem Ei geschlüpft. 1908 kam im Zoo Berlin der weltweit erste Schnabeligel außerhalb des natürlichen Lebensraumes zur Welt. Mehr als ein Jahrhundert später konnte der Tierpark Berlin nun an diesen historischen Erfolg anknüpfen.
Wie der Tierpark am Mittwoch mitteilte, entdeckte Tierpflegerin Andrea Fleischer am 25. Februar erstmals in der Geschichte des Tierparks ein Jungtier bei den kuriosen Ursäugern aus Australien. „In meinen 45 Dienstjahren habe ich hier schon wirklich einiges erlebt, aber das war ein ganz besonderer Augenblick“, sagt die Revierleiterin.

Tierpark Berlin: Nachwuchs bei Kurzschnabeligel eine Sensation
Seit rund zehn Jahren leben im Tierpark die drei Kurzschnabeligel Tufi (12 Jahre), Bruno (12) und Harapan (9). „Wir haben schon lange auf Nachwuchs gehofft, waren in engem Austausch mit Kolleg*innen aus anderen Zoos auf der ganzen Welt und haben die Haltungsbedingungen immer wieder entsprechend der neuesten Erkenntnisse angepasst. Nun scheinen die Voraussetzungen perfekt gewesen zu sein. Tufi hat sich Harapan als Vater ihres ersten Jungtieres auserkoren", beschreibt Fleischer die jahrelangen Bemühungen um Nachwuchs.
Es gibt nur wenige Schnabeligel in menschlicher Obhut. Von der Unterart des Neuguinea-Kurzschnabeligels sind es weltweit nur 33 Tiere - dass sie sich fortpflanzen, ist umso seltener. Jeder Nachwuchs ist in Fachkreisen eine kleine Sensation, und in Deutschland ist die Aufzucht erst zweimal zuvor geglückt.
Neuguinea-Kurzschnabeligel sind lebende Zeitzeugen der Evolution
Stacheln wie ein Igel, ein Schnabel wie ein Vogel, ein Beutel wie ein Känguru und kräftige Grabekrallen wie ein Maulwurf: Was nach einem wahrlich fantastischen Tierwesen klingt, das der Vorstellungskraft Joanne K. Rowlings entsprungen zu sein scheint, existiert tatsächlich: Der Kurzschnabeligel ist von Kopf bis Fuß ein ungewöhnliches Tier. Elektrorezeptoren an der röhrenförmigen Nase helfen ihm beim Aufspüren seiner Nahrung. Zusammen mit den Schnabeltieren sind Schnabeligel die einzigen Säugetiere auf der Welt, die Eier legen.
Der Paarungstanz findet im Gänsemarsch statt: Nach einem - als „echidna love train“ bekannten - Ritual, bei der interessierte Männchen ihrer Herzensdame in einer Art Paarungspolonaise folgen, wird ein etwa weintraubengroßes Ei vom Weibchen in eine temporäre Bauchtasche verstaut, bis daraus 10 Tage später ein noch nacktes, gummibärchengroßes Jungtier schlüpft.
Nach rund zwei Monaten bilden sich beim Jungtier - genannt Puggle – die ersten Stacheln und die Mutter versteckt ihren pieksenden Mini-Schnabeligel in einer unterirdischen Höhle, wo sie ihn regelmäßig zum Säugen aufsucht. Da Schnabeligel im Gegensatz zu allen anderen Säugetieren keine Zitzen haben, saugt das Jungtier die Milch aus Milchfeldern aus dem Fell der Mutter.
Schnabeligel wie auch die Schnabeltiere besitzen nur eine Körperöffnung für Kot, Urin und die Ei-Ablage. Dies verschaffte ihnen den wenig wohlklingelnden Namen „Kloakentiere“ oder Monotrematen. „Die Monotrematen sind eine sehr urtümliche Gruppe der Säugetiere, die es bereits zu Zeiten der Dinosaurier gab und Merkmale der Reptilien und Säugetiere in sich vereinen“, erklärt Zoo- und Tierparkdirektor Andreas Knieriem und fügt hinzu: „Mit diesem sensationellen Nachwuchs haben wir im Tierpark in diesem Frühjahr neben den bereits ausgestorbenen Dinosauriern einen quicklebendigen Zeitzeugen der Evolution dazugewonnen.“
Nachdem die drei Schnabeligel Harapan, Bruno und Tufi ihr ehemaliges Zuhause im Dickhäuterhaus verlassen mussten, fanden sie in einem rückwärtigen Bereich des Tierparks eine vorübergehende Unterkunft. Dort sind die Tiere aktuell nicht für Tierpark-Besucher zu sehen. Eines der beiden Männchen wird jedoch in Kürze ein neues Zuhause im Nachttierhaus des Zoo Berlin finden.
Kurzschnabeligel: Das muss man zu dem Kloakentier wissen
- leben in Australien, auf Tasmanien und auf Neuguinea.
- ernähren sich im natürlichen Lebensraum in erster Linie von Ameisen, Termiten und Insekten und werden deshalb auch Ameisenigel genannt.
- können bis zu 45 Jahre alt werden.
- wurden 1792 erstmals von der westlichen Wissenschaft beschrieben. Erst 1887 fanden Forschende in Frankfurt und Sydney zeitgleich heraus, dass Schnabeligel Eier legen.
- können schwimmen.
- verdanken ihren wissenschaftlichen Namen „Tachyglossus aculeatus“ ihrer langen, schnellen Zunge – die bringt es auf eine rekordverdächtige Frequenz von 100 „Schleckern“ pro Minute („Tachyglossus“ = „schnelle Zunge“).
BM