Koalitionsverhandlungen

Schwarz-Rot führt in Berlin einen Queer-Beauftragten ein

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Joachim Fahrun
Stefan Evers, CDU-Generalsekretär, Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, CDU-Chef Kai Wegner (CDU) und SPD-Chef Raed Saleh

Stefan Evers, CDU-Generalsekretär, Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, CDU-Chef Kai Wegner (CDU) und SPD-Chef Raed Saleh

Foto: dpa

Die CDU kommt der SPD beim Thema Vielfalt in der Stadt weit entgegen. Kai Wegner: "Wir brauchen einen Queer-Beauftragten."

Berlin. In dem Bestreben, nicht als rückwärtsgewandtes Regierungsbündnis dazustehen, setzen CDU und SPD in ihren Koalitionsverhandlungen neue gesellschaftspolitische Akzente. So solle es einen Queer-Beauftragten geben, sagte SPD-Landes- und Fraktionschef Raed Saleh am Mittwoch bei der Präsentation von inhaltlichen Zwischenergebnissen der Dachgruppe. „Das ist ein Zeichen an bunte und heterogene Gesellschaft.“

Der designierte Regierende Bürgermeister Kai Wegner unterstrich dieses Anliegen aus Sicht der CDU ausdrücklich. „Wir haben eine große Regenbogencommunity in der Stadt“, sagte der CDU-Landeschef. Zuletzt hätten Straftaten und Hass gegen diese Community deutlich zugenommen. „Wir brauchen genau so einen Queer-Beauftragten. Wir unterstützen das ausdrücklich.“

SPD-Landeschef Saleh erwähnte noch weitere Beschlüsse aus der Unter-Arbeitsgruppe Vielfalt, die er für die SPD-Seite selbst geleitet hatte. So werde das Abgeordnetenhaus eine Enquete-Kommission einrichten, die sich mit Rassismus in Gesellschaft und Verwaltung befassen soll. Auch das trägt die CDU mit.

Zudem soll verstärkt gegen Muslim-Feindlichkeit in Berlin vorgegangen werden. Der 15.März, der Tag, an dem ein Attentäter in Neuseeland Muslime in einer Moschee erschoss, soll als Tag gegen Muslim-Feindlichkeit auch in Berlin begangen werden. Mit all diesen Beschlüssen soll es gelingen, die Vorbehalte bei vielen Sozialdemokraten gegen eine als „rassistisch“ wahrgenommene CDU abzubauen und einen Erfolg im Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag zu sichern.

Die Vielfalt sei „für diese Koa ganz wichtig“, sagte Saleh. Was vereinbart sei, gehe „weit über bisherige Verabredungen hinaus“. Es sei ein klares Bekenntnis, das sich auch im Haushalt abbilden werde. Die noch amtierende Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) erwähnte neben zwei zusätzlichen Frauenhäusern auch ein „Regenbogen-Haus“ für die queere Community.

Wahlalter auf Landesebene soll auf 16 Jahre gesenkt werden

Die Koalition übernimmt auch die Beschlusslage der alten rot-grün-roten Koalition, das Wahlalter auf Landesebene auf 16 Jahre abzusenken. Dafür werde man schnellstmöglich die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Abgeordnetenhaus suchen. Diese dürfte es mit Grünen und Linken geben, nachdem auch die CDU ihre Haltung zum Wahlrecht ab 16 verändert hat.

Die CDU kann sich den Beschluss über ein geplantes „Kita-Chancenjahr“ auf die Fahnen schreiben. Kinder, die nicht richtig deutsch sprechen oder sonstige Defizite aufweisen, sollen im Jahr vor dem Schuleintritt verpflichtend eine Kita besuchen. Das ist zwar in Berlin bereits so vorgeschrieben. Bisher fehlen aber verbindliche Vorgaben, was in diesem Vorschuljahr passieren soll. „Wir werden das noch stärker untermauern und professionalisieren“, sagte Wegner.

Behörden-Ping-Pong soll der Vergangenheit angehören

CDU-Generalsekretär Stefan Evers sagte schnelle Beschlüsse für die Verwaltungsreform zu. „Wir werden schnellstmöglich die Strukturen neu aufstellen.“ Es solle kein Behörden-Ping-Pong zwischen Senatsressorts und Bezirken um Zuständigkeiten mehr geben. Die gesamtstädtische Steuerung sei zu verbessern. Deshalb hat die CDU auch dem Ziel zugestimmt, wie in dem vom rot-grün-roten Senat beschlossenen Reformplan die jeweiligen Senatsressorts wieder mit einer Fachaufsicht über die Bezirksämter auszustatten. Das war wie berichtet von der CDU in der Fach-Arbeitsgruppe in Frage gestellt worden.

Beide Seiten sind sich auch einig, wie vorgesehen die Stellung der Bezirksbürgermeister gegenüber den Stadträten zu stärken und sie mit einem Eingriffsrecht in deren Amtsführung auszustatten. Die CDU verzichtet jedoch nach Informationen der Morgenpost auf die Forderung, die Bezirksbürgermeister direkt wählen zu lassen. Die SPD gibt im Gegenzug das Ziel auf, die Bezirksämter politisch, also in Form von echten Koalitionen zu organisieren und die Vergabe der Posten nach Stärke der Parteien in den Bezirksverordnetenversammlungen abzuschaffen.