Oberverwaltungsgericht

Deutliche Mehrbelastung durch Klagen gegen Energiewende

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Wichtige Bausteine für den Klimaschutz, allerdings auch immer wieder Stein des Anstoßes: Die Zahl der Klagen gegen den Bau von Windrädern steigt.

Wichtige Bausteine für den Klimaschutz, allerdings auch immer wieder Stein des Anstoßes: Die Zahl der Klagen gegen den Bau von Windrädern steigt.

Foto: Patrick Pleul / dpa

Der Bund verlangt vom Oberverwaltungsgericht schnelle Verfahren bei Klagen gegen die Energiewende. Das Personal dafür fehlt allerdings.

Berlin.  Dass nicht jeder Bürger einzelne Maßnahmen zur Energiewende mitzutragen bereit ist, bekommt seit Jahren auch die Justiz immer stärker zu spüren. Nach einer Reihe jüngster Gesetzänderungen fühle man sich nun besonders herausgefordert, sagte Joachim Buchheister, Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG), am Dienstag. Die Erwartungen an die 15 deutschen OVG für das Gelingen der Energiewende wurden zuletzt deutlich erhöht.

Bereits länger sind für Verfahren, die aufgrund von Klagen gegen Maßnahmen der Energiewende geführt werden, nicht mehr die Verwaltungs- sondern die Oberverwaltungsgerichte erstinstanzlich zuständig – bei besonders großen sogar gleich das Bundesverwaltungsgericht. Zuletzt trat Mitte März im Bund das „Gesetz zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich“ in Kraft. Dies schreibt eine beschleunigte Bearbeitung solcher Verfahren durch einen eigenen Planungssenat vor.

„Aber wir haben diesen Senat nicht und die zehn bestehenden sind so bereits gut ausgelastet“, sagte Buchheister bei der Vorstellung des Geschäftsberichts für das Jahr 2022. Drei Stellen bräuchte es – eine Vorsitzenden- und zwei Berichterstattenden-Stellen. Damit die Energiewende gelinge, „muss auch OVG funktionieren“. Die zuständigen Justizverwaltungen von Berlin und Brandenburg sind allerdings bisher über Absichtserklärungen offensichtlich nicht hinausgekommen.

Jeder weitere Verfahrenstag verloren für den Klimaschutz

Angesichts des anstehenden Regierungswechsels in Berlin nach der Wiederholungswahl besteht aus Sicht von Buchheister eine „gewisse Unsicherheit“, ob es die erforderlichen Richterstellen geben werde. Klar sei allerdings, dass die Verfahren am OVG nicht alt werden dürften, da „jeder weitere Tag ein verlorener Tag für den Klimaschutz“ sei, so Buchheister weiter. Eine Bearbeitungsdauer von zwei Jahren, wie aktuell üblich, sei deutlich zu hoch. „Es sollte nicht länger als ein Jahr dauern.“

Insgesamt 71 Verfahren im Zusammenhang mit der Energiewende sind derzeit beim OVG anhängig – größtenteils auf Grundlage von Klagen gegen Windkraftanlagen in Brandenburg. Allein zehn davon seien seit Anfang des Jahres hinzugekommen, erklärt der Gerichtspräsident. Um dem Herr zu werden, wurde Anfang des Jahres Personal umgeschichtet und ein „Hilfssenat“ für diese Verfahren eingerichtet. Dieser konnte seither bereits 14 Verfahren erledigen.

Das Personal für den Hilfssenat könne sich allerdings nicht um andere Dinge kümmern. „Und wir haben auch zahlreiche andere Verfahren, in denen Bürger um ihre Rechte kämpfen.“ Hierbei handele es sich zwar nicht um Entscheidungen von gesamtgesellschaftlicher Tragweite wie bei der Energiewende, allerdings um individuelle Grundrechtspositionen, die auch wichtig seien.

Auch Folgen der Corona-Pandemie spielen noch eine Rolle

Das OVG überprüft in der Regel in zweiter Instanz Entscheidungen der Verwaltungsgerichte. Für Straßenbau, Flughäfen, Kraftwerke oder Ökostromausbau ist das OVG nun direkt zuständig. Insgesamt gingen laut Geschäftsbericht im vergangenen Jahr 2682 neue Verfahren ein – etwas weniger als in den Vorjahren.

Auch die mittlerweile überstandene Corona-Pandemie spielt am OVG noch eine Rolle. Zwar sind alle Eilverfahren etwa zu verbotenen Demonstrationen oder zum Lockdown für Einzelhandel und Gaststätten erledigt. Allerdings seien noch Normenkontrollverfahren anhängig, in denen sich die Frage der Rechtmäßigkeit der Corona-Verordnungen stelle – meist geknüpft an Schadensersatzforderungen.

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