Neukölln

AfD-Polizist vom Vorwurf des Geheimnisverrats freigesprochen

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Polizeihauptkommissar Detlef M. (vorn) stand am Freitag wegen des Vorwurfs des versuchten Verrats von Dienstgeheimnissen vor Gericht und wurde freigesprochen.

Polizeihauptkommissar Detlef M. (vorn) stand am Freitag wegen des Vorwurfs des versuchten Verrats von Dienstgeheimnissen vor Gericht und wurde freigesprochen.

Foto: Olaf Wagner

Polizist Detlef M. hat Informationen zum Anschlag am Breitscheidplatz in eine AfD-Chatgruppe gepostet. Diese stamme aus den Medien.

Berlin.  Zwar glaube das Gericht, dass Detlef M. zum Tatzeitpunkt davon ausgegangen ist, dass er geheime Ermittlungserkenntnisse weiterverbreitet hat, hieß es am Freitag in der Urteilsbegründung des Amtsgerichts Tiergarten. Nachweisen könne man es ihm aber nicht, weshalb der Polizeibeamte vom Vorwurf der versuchten Verletzung von Dienstgeheimnissen freizusprechen sei.

Der 53-jährige hatte zuvor eingeräumt, kurz nach dem Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz Informationen zu den Ermittlungen in einer geschlossenen Chatgruppe der AfD Neukölln gepostet zu haben. Diese habe er allerdings nicht als Polizeibeamter erlangt sondern seien „über Presse und Medien bekannt gewesen“.

Detlef M. setzte seine Parteifreunde unter anderem davon in Kenntnis, dass der Lkw-Fahrer erschossen auf dem Beifahrersitz gefunden wurde und dass eine Person, die nach dem Anschlag festgenommen wurde, aufgrund eines DNA-Abgleichs als Täter ausgeschlossen wurde. Die Nachricht verschickte er am 21. Dezember 2016 um 0.34 Uhr – zwei Tage nach dem Anschlag. Zu diesem Zeitpunkt waren die Informationen zwar neu, aber bereits 45 Minuten zuvor Gegenstand entsprechender Medienberichte.

Berlin: Informationen wurden 45 Minuten vorher in den Medien veröffentlicht

Einiges sprach jedoch dafür, dass M. diesen Bericht nicht kannte. So sei die Nachricht weitgehend wortgleich mit einer anderen gewesen, die in einer internen Chatgruppe einer Polizeieinheit gepostet wurde, wie eine Ermittlerin am Freitag als Zeugin aussagte. Es habe sogar dieselben Rechtschreibfehler gegeben. Wie diese Nachricht zu M. gelangt sein könnte, könne man mehr als sechs Jahre später nicht mehr nachvollziehen, so die Zeugin weiter.

Laut Staatsanwaltschaft soll M. in der Chatgruppe einige Stunden – zuvor wenn auch indirekt – weitere Informationen angekündigt haben. Nach Posten der Nachricht habe er dann die Mitglieder aufgefordert, die Informationen vertraulich zu behandeln. „Das muss morgen nicht in der Presse stehen“, soll er in den Chat geschrieben haben.

Bekannt wurde der Vorfall im Zuge anderer Ermittlungen. Denn in der Chatgruppe befand sich mit Thilo P., einer der beiden damaligen Hauptverdächtigen der rechtsextremen Neuköllner Anschlagsserie. Dessen Rechner wurde später von der Polizei beschlagnahmt und ausgewertet. P. wurde inzwischen von allen Vorwürfen freigesprochen.

Verteidiger: Detlef M. habe vielleicht „ein bisschen angegeben“

Das Gericht nannte das „widersprüchlich“. Er habe seine AfD-Mitgliedschaft verheimlichen wollen, erklärte der Angeklagte. Sein Mandant habe vielleicht „ein bisschen angegeben“, so M.’s Verteidiger.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht bereits 2020 einen Strafbefehl über eine Geldstrafe zu 90 Tagessätzen je 90 Euro (insgesamt 8100 Euro). Dagegen legte Detlef M. Widerspruch ein, weshalb es nun zur Hauptverhandlung kam. Die sollte ursprünglich bereits im Februar 2022 starten, wurde jedoch vertagt. Bei deren Ende sah auch die Anklage keine Beweise für eine Verurteilung.

Allerdings sei ein „disziplinarrechtlicher Überhang trotz des Freispruchs zu prüfen“, war die zuständige Staatsanwältin überzeugt. Disziplinarverfahren gegen Beamte führen Polizeibehörden in der Regel erst, wenn eine gerichtliche Entscheidung vorliegt.

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