Bundestag wird kleiner

Was Berliner Politiker über die Wahlrechtsreform denken

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Der Bundestag soll kleiner werden. Doch an der nun beschlossenen Wahlrechtsreform gibt es Kritik. Am Ende wird das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden.

Der Bundestag soll kleiner werden. Doch an der nun beschlossenen Wahlrechtsreform gibt es Kritik. Am Ende wird das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden.

Foto: Michael Kappeler / dpa

Berliner Politiker haben nicht sehr erfreut auf die vom Bundestag beschlossene Wahlrechtsreform reagiert. Was sie im Detail dazu sagen.

Berlin.  Berliner Politiker haben Kritik an der vom Bundestag beschlossenen Wahlrechtsreform geübt. Die künftige Zusammensetzung des Bundestages würde nicht den Wählerwillen widerspiegeln, hieß es aus der Berliner Landespolitik.

Der Bundestag hatte am Freitag die umstrittene Wahlrechtsreform beschlossen. Die Zahl der Abgeordneten wird auf maximal 630 begrenzt, Ausgleichs- und Überhangmandate fallen weg. Die Reform wurde mit den Stimmen der Ampel-Koalition beschlossen. Union und die Linke haben angekündigt, gegen die Reform klagen zu wollen.

„Die Ampel hat einen Antrag der AfD abgeschrieben, der die Erststimme entwertet und die Wählerinnen und Wähler entmündigt“, kritisierte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Stefan Evers. „Ich kann nur hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht diesen demokratieschädlichen Irrweg stoppt.“

Die Berliner Linke wäre direkt von der Reform betroffen

Auch die Linke, die in Berlin direkt von der Reform betroffen wäre, kritisiert die Reform. „Das Anliegen, den Bundestag zu verkleinern, ist richtig“, sagte die Berliner Landesvorsitzende Katina Schubert. „Aber die Art und Weise wie das geschieht, lehnen wir entschieden ab.“

In den vergangenen Jahren waren alle Bemühungen gescheitert, die Zahl der Abgeordneten des Bundestages zu senken. Durch Ausgleichs- und Überhangmandate ist er in den vergangenen vier Legislaturperioden von 614 auf 738 angewachsen.

Eine Folge der nun beschlossenen Reform wäre, dass künftig nicht mehr alle direkt gewählten Abgeordnete automatisch in den Bundestag einziehen. Scheitert eine Partei an der Fünf-Prozent-Hürde, würde sie auch alle Direktmandate verlieren.

Auch die Grundmandatsklausel soll wegfallen

Auch die sogenannte Grundmandatsklausel soll wegfallen. Sie sichert Parteien den Einzug in den Bundestag in Fraktionsstärke, wenn sie mindestens drei Direktmandate gewinnt. Würde das neue Wahlrecht bereits gelten, wäre die Linke nicht mehr im Bundestag.

Sie erreichte bei der Bundestagswahl 4,9 Prozent der Stimmen, zog aber in Fraktionsstärke ein, weil sie drei Direktmandate gewonnen hat, zwei davon in Berlin. Gesine Lötzsch siegte in Lichtenberg, Gregor Gysi in Treptow-Köpenick. Nach dem neuen Wahlrecht würden beide ihr Mandat verlieren, beide Bezirke wären dann nicht im Bundestag repräsentiert.

Die Grünen haben der Reform zwar zugestimmt, um die Zahl der Abgeordneten wie vom Bundesverfassungsgericht mehrfach angemahnt zu begrenzen, sehen aber bei der Grundmandatsklausel weiter Gesprächsbedarf. „Das ist nicht glücklich, sie sollte bleiben“, sagte der Landeschef der Berliner Grünen, Philmon Ghirmai.

Nicht alle direkt Gewählten ziehen in den Bundestag ein

Komplizierter ist die Situation bei den Ausgleichs- und Überhangmandaten. Erzielt eine Partei mehr Direktmandate als ihr nach den Zweitstimmen zustehen, erhalten die anderen Parteien Ausgleichsmandate, um das Wahlergebnis im Parlament entsprechend widerzuspiegeln.

Gilt das nicht mehr, wie jetzt beschlossen, erhalten die Direktgewählten mit den schlechtesten Ergebnissen kein Mandat. In Berlin würde sich allerdings - außer für die Linken - nichts ändern. Allen Parteien stehen mehr Plätze im Bundestag zu, als sie Direktmandate geholt haben.

Daran würde sich nur etwas ändern, wenn Erst- und Zweitstimmenergebnisse stark voneinander abwichen, das heißt, eine Partei eine Vielzahl der Direktmandate gewönne, gleichzeitig aber ein im Vergleich dazu schwaches Zweitstimmenergebnis einfahren würde.

Berliner CDU kritisiert Wahlrechtsreform scharf

Am ehesten könnte das in der aktuellen Situation für die CDU zutreffen. Sie schickt derzeit fünf Abgeordnete in den Bundestag, drei davon sind direkt gewählt. Sollte der derzeitige Höhenflug in der Wählergunst anhalten, könnte sie deutlich mehr Direktmandate gewinnen, gleichzeitig aber durch die Verkleinerung des Bundestags entsprechend weniger Abgeordnete entsenden dürfen, so dass der- oder diejenige mit dem schlechtesten Ergebnis am Ende leer ausgehen könnte. Da aber Erst- und Zweitstimmenergebnisse in der Regel miteinander korrespondieren, ist ein solches Szenario eher unwahrscheinlich.

Entsprechend scharf fällt die Kritik aus Reihen der Berliner CDU aus. Die Reform „ist ein Angriff auf alle engagierten Abgeordneten, die in ihren Wahlkreisen direkt gewählt werden“, kritisierte Evers gegenüber der Berliner Morgenpost. Das Bundesverfassungsgericht müsse die Reform stoppen.