Berlin. Der Kreisverband der Grünen in Charlottenburg-Wilmersdorf stimmte am Dienstagabend für die Aufnahme von Zählgemeinschaftsverhandlungen mit der CDU im Bezirk. „Nun liegt es an der CDU, die ausgestreckte Hand zu greifen. Wir sind bereit“, schrieb am späten Abend auf Twitter Sebastian Weise der Fraktionsvorsitzende der Grünen-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung in Charlottenburg-Wilmersdorf. Man freue sich auf konstruktive Gespräche, teilte der Kreisverband der Grünen zugleich mit.
Es habe Sondierungen mit allen demokratischen Fraktionen gegeben. Davon habe das Sondierungsteam berichtet und nach sehr langer Debatte hätten sich die Mitglieder für Zählgemeinschaftsverhandlungen mit der CDU ausgesprochen. Nun müsse die CDU überlegen, ob sie das Angebot der Grünen annimmt.
CDU berät weiteres Vorgehen am Donnerstag
Der CDU Kreisverband Charlottenburg Wilmersdorf teilt mit, dass man am Donnerstag das weitere Vorgehen beraten werde. Man habe sowohl mit den Grünen als auch mit der SPD gute Gespräche geführt, auch wenn es mit beiden noch offene und diskussionswürdige Punkte gebe. Die Partei habe zudem den Anspruch, im Bezirksamt eine Führungsrolle zu übernehmen und den Bezirksbürgermeister oder die Bezirksbürgermeisterin zu stellen. Das müsste aber in den Verhandlungen geklärt werden. Es kämen mehrere Kandidaten in Frage. Die Spitzenkandidatin bei der Wiederholungswahl, Judith Stückler, ist wohl aus dem Rennen. Sie soll nach Informationen der Berliner Morgenpost Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung werden.
Zählgemeinschaften sind im Berliner Bezirksverwaltungsrecht bei der Wahl des Bezirksbürgermeisters und der Mitglieder des Bezirksamts durch die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) vorgesehen. Gemeinsame Wahlvorschläge einer Zählgemeinschaft werden wie die einer Fraktion gewertet. Somit wird nicht zwingend der Kandidat der stärksten Fraktion, sondern der der stärksten Zählgemeinschaft Bezirksbürgermeister.
Wer wird Bezirksbürgermeister oder Bezirksbürgermeisterin?
Ob dafür ein CDU-Kandidat oder die amtierende Bezirksbürgermeisterin Kirstin Bauch der Grünen oder ein anderer Kandidat in Frage kommt, stehe laut den Grünen noch nicht fest. Wer im Falle der Aufnahme von Verhandlungen für eine Zählgemeinschaft den neuen Bezirksbürgermeister stellt, wolle man in den Verhandlungen mit der CDU besprechen, so die Grünen.
Hinzu kommt: Die aktuellen Mitglieder des Bezirksamtes und die Bezirksbürgermeisterin können bisher nur mit einer Zweidrittelmehrheit wieder abgewählt werden. Bürgermeisterin Bauch und die Bezirksstadträte sind für Dauer der Legislaturperiode eingesetzt und Beamte auf Zeit.
Um das Wahlergebnis nach der Wiederholung in den Bezirksämtern abzubilden, wollen die Fraktionen von SPD, Grüne, Linke und CDU auf Landesebene eine Nachwahl der Ämter festlegen, mit dem Ergebnis der Freistellung der dadurch eventuell ausscheidenden Bezirksamtsmitglieder. Brisant: Die ausscheidenden Bezirksbürgermeister und Stadträte würden bis zum Ende der Wahlperiode vollen Lohnausgleich erhalten.
Grüne: Projekte und Inhalte voranbringen und Handlungsfähigkeit wiederherstellen
Für die Grünen würde die Aufnahme der Verhandlungen aber schon bedeuten, dass man grüne Inhalte verhandeln und Projekte weiter voranbringen werden wolle, heißt es. „Einen Punkt will ich klar unterstreichen. Diese Wahlperiode darf zu keiner verlorenen Wahlperiode werden. Wir müssen im Bezirk und als BVV schnell wieder handlungsfähig werden“, sagt Fraktionschef Weise.
Die konstituierende Sitzung der BVV wurde zuletzt vom 16. auf den 23. März vertagt. Die FDP-Fraktion Charlottenburg-Wilmersdorf hat für die konstituierende BVV-Sitzung bereits die Abwahl des gesamten Bezirksamts beantragt. Nach dem jetzigen Stand wäre dafür weiter eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig.
Zählgemeinschaft aus CDU und Grünen käme auf 32 von 55 Stimmen
Die CDU hat bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in Charlottenburg-Wilmersdorf am 12. Februar mit 30,7 Prozent die meisten Stimmen eingefahren. Die Partei liegt deutlich vor den Grünen (23,9 Prozent), der SPD (19,8 Prozent), Linken (6,9 Prozent), FDP (6,7 Prozent) und AfD (5,1 Prozent).
In der BVV sind 55 Sitze zu vergeben. Die CDU hat mit 18 Sitzen die Mehrheit im Parlament, gefolgt von den Grünen (14), SPD (12), Linke (4), FDP (4) und AfD (3). CDU und Grüne kämen folglich mit ihrer Zählgemeinschaft auf 32 Stimmen – erforderlich wären für eine Mehrheit im Parlament 28 Stimmen. 22 Jahre waren Grüne und SPD gemeinsam stärkste Kraft in der BVV und vereinbarten eine Zählgemeinschaft.
Das bisherige Bündnis Grün-Rot hat nach der Wiederholungswahl im Bezirk keine Mehrheit. Sie kommen auf 26 Stimmen, erforderlich wären 28. Die Fraktionen wären – wie in der Vergangenheit bereits praktiziert – auf die Tolerierung der Linken angewiesen. Ernsthafte Gespräche mit der Partei fanden aber wohl seitens der Grünen nicht statt.
So kommentiert der Bezirksvorsitzende der Linken, Lothar Brendel: „Es wirkt als ein Akt politischen Machterhalts zulasten linker Inhalte, dass eine Entscheidung für Verhandlungen mit der CDU gefallen ist, ohne zuvor die Möglichkeiten einer progressiven Mehrheit in Gesprächen ernstlich sondiert zu haben.“
Aufgrund des Ergebnisses kann die CDU, die bisher zwei Stadtratsposten innehat, einen dritten Stadtrat im Bezirksamt von Charlottenburg-Wilmersdorf beanspruchen. Dann würde die SPD ein Bezirksamtsmitglied verlieren. Sie stellt Baustadtrat Fabian Schmitz-Grethlein und Vize-Bürgermeisterin Heike Schmitt-Schmelz.
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