Kriminalität

Maßregelvollzug in Berlin und Brandenburg überbelegt

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Blick auf eines der Gebäude vom Krankenhaus-Maßregelvollzug für als psychiatrisch auffällig oder suchtkrank eingestufte Straftäter auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik.

Blick auf eines der Gebäude vom Krankenhaus-Maßregelvollzug für als psychiatrisch auffällig oder suchtkrank eingestufte Straftäter auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik.

Foto: Jörg Carstensen / dpa

In Berlin warten derzeit 16 verurteilte Männer darauf, in den Maßregelvollzug zu kommen. Immer wieder gelangen Straftäter auf freien Fuß.

Berlin.  Trotz der angespannten Lage im Maßregelvollzug hat Brandenburg verurteilte Straftäter bislang laut Sozialministerium unterbringen können. Derzeit seien 320 Menschen untergebracht, die Belegungskapazität liege bei 269 Plätzen, teilte das Ministerium auf Anfrage mit. Gleichwohl seien in den vergangenen drei Jahren alle Verurteilten aufgenommen worden, bei denen das Gericht eine Unterbringung angeordnet habe. In Berlin ist der Maßregelvollzug seit Jahren überlastet. Derzeit sind nach Angaben der Senatsgesundheitsverwaltung 600 Patienten und Patientinnen dort untergebracht (Stand 10. März). Genehmigt seien nur 541 Betten.

In den Maßregelvollzug kommen Straftäter, wenn ein Gericht diese als psychiatrisch auffällig oder suchtkrank einstuft. Wegen Platzmangels wurden zuletzt zwei verurteilte Straftäter vorzeitig aus der Haft entlassen. Es drohen weitere derartige Fälle: Nach jüngsten Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft warten derzeit 16 verurteilte Männer darauf, in den Maßregelvollzug zu kommen. Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) sprach Ende Februar von etwa 15 bis 25 Menschen. In der Hauptstadt soll nun eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe bis Ende Juni einen Masterplan mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen erarbeiten. Geplant ist bis 2025 auf dem Gelände der bestehenden Einrichtung in Reinickendorf 60 neue Vollzugsplätze zu schaffen. Das soll rund 53 Millionen Euro kosten. Schon in etwa drei Monaten soll dort ein erneuertes Gebäude mit etwa zwölf klinischen Plätzen zur Verfügung stehen.

Bundesweit im Jahr 2020 etwa 5280 Menschen im Maßregelvollzug

Die Kapazitäten reichen in vielen Bundesländern nicht aus. Wie aus dem Bericht einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe hervorgeht, waren 2020 etwa 5280 Menschen im Maßregelvollzug, 1995 waren es noch rund 1370. In Rheinland-Pfalz warten derzeit etwa 70 Menschen auf eine Aufnahme in den Maßregelvollzug, wie das Gesundheitsministerium auf Anfrage mitteilte. In Hamburg waren laut Sozialbehörde 58 Straftäter zwischen Anfang 2022 und Ende Februar 2023 im Untersuchungsgefängnis, obwohl sie eigentlich in einer Klinik behandelt werden sollten.

Mehr als 300 Straftäter landeten in Nordrhein-Westfalen (NRW) laut Justizministerium 2022 auf einer Warteliste. Bei ihnen habe es sich um minderschwere Fälle gehandelt, in der Regel um Drogenabhängige, die im Maßregelvollzug ihren Entzug absolvieren sollen. Täter, die als gefährlich eingestuft wurden oder in Untersuchungshaft waren, kamen laut NRW-Ministerium nicht wegen Platzmangels auf freien Fuß. Auch in Baden-Württemberg hieß es vom Sozialministerium, im Fall schwerer Gewalttaten bekämen verurteilte Straftäter unter „Umgehung der Warteliste“ kurzfristig einen Platz im Maßregelvollzug zugewiesen.

Doch die Situation ist seit Jahren angespannt. Immer wieder kommen Straftäter auf freien Fuß. In Baden-Württemberg war das 2022 laut Sozialministerium 34 Mal der Fall, im Jahr zuvor 35 Mal. In Niedersachsen ist es im vorigen Jahr zweimal dazu gekommen. Weitere Fälle drohen in diesem Jahr: 22 verurteilte Straftäter sind in sogenannter Organisationshaft, in der Betroffene auf einen Behandlungsplatz im Maßregelvollzug warten.

( dpa )