Drogenpolitik

„Drug Checking“: So will Berlin bald Drogen testen

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Jana Treffler
Ecstasy-Tabletten enthalten den Wirkstoff MDMA – wie viel, wissen Konsumierende vorher nicht. Bald können sie ihre Substanz an drei Standorten in Berlin testen lassen.

Ecstasy-Tabletten enthalten den Wirkstoff MDMA – wie viel, wissen Konsumierende vorher nicht. Bald können sie ihre Substanz an drei Standorten in Berlin testen lassen.

Foto: Oliver Berg / dpa

Das lang erwartete „Drug Checking“-Projekt des Berliner Senats steht in den Startlöchern. Drogenkonsum soll dadurch sicherer werden.

Berlin.  Wenn Partygänger in Berliner Clubs „ein Teil schmeißen“ – der Szeneausdruck für die Einnahme einer Ecstasy-Tablette – wissen sie selten, was genau sie sich da eigentlich zuführen. Nicht nur Streckmittel, sondern auch Schwankungen der Wirkstoffmenge können ein Gesundheitsrisiko sein. Dem soll bald ein Angebot des Senats für Gesundheit entgegenwirken. Kostenlos und anonym können Konsumierende an drei Standorten in Berlin ihre Substanzen testen lassen. Losgehen wird das „Drug Checking“ Mitte bis Ende März, so Lars Behrends von der beteiligten Suchtberatung Vista.

Seit Jahren befindet sich das Projekt in der Planung. Die Trägerstruktur ist seit längerem beschlossene Sache, zuletzt haperte es an der Besetzung zweier Stellen im Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin (Germed), an dem die Laboranalysen durchgeführt werden sollen. Die Träger Fixpunkt, Vista und die Schwulenberatung Berlin werden die Proben entgegennehmen und die Konsumierenden zugleich beraten.

Nun konnten Mitarbeitende für das Germed gefunden werden und nach einer vierwöchigen Einarbeitungszeit können die ersten Tests durchgeführt werden, wie es aus der Senatsverwaltung für Gesundheit heißt, „gegebenenfalls zunächst mit wenigen Proben“. Jährlich sind 200.000 Euro für das Projekt vorgesehen.

Besuch beim Drug Checking: Beratung und anonyme Datenerhebung

Ein Besuch beim Drug Checking könnte zukünftig so aussehen: Eine Person, die plant, eine Droge zu konsumieren, kommt zu Vista in die Beratung. Sozialarbeitende nehmen anonym Informationen zum Konsum und zum Erwerb auf, etwa ob die Droge im öffentlichen Raum erstanden wurde, im Darknet oder bei einem Stammdealer.

Weiter ins Detail würden die erfragten Informationen nicht gehen, soBehrends, sonst wäre die Anonymität nicht mehr garantiert. Bei der Entgegennahme der Probe werden die Konsumierenden beraten und haben die Möglichkeit, über ihren Konsum zu sprechen. „Das wird allerdings keine umfassende Zwangsberatung“, sagt Behrens, die Konsumierenden müssten nicht ihre ganze Lebensgeschichte auspacken.

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Werden wiedererkennbare Substanzen eingereicht, wie etwa Ecstasy-Pillen, die sich durch die aufgedruckten Motive unterscheiden, machen die Mitarbeitenden noch in der Beratungsstelle ein Foto von der Substanz. Sollte bei der Analyse herauskommen, dass die Tablette gestreckt oder besonders hoch dosiert ist, wird eine Warnung auf der Internetseite des Drug Checking Projekts ausgegeben.

Ist die Beratung abgeschlossen, bringt ein Kurier die Probe nach Moabit ins Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin Berlin, wo das ganze in einem Labor analysiert wird. Das wird voraussichtlich jeweils drei Tage in Anspruch nehmen, sodass die Beratungstermine voraussichtlich montags und dienstags stattfinden angesetzt werden, so Behrends. So können die Ergebnisse noch rechtzeitig vor dem Wochenende abgerufen werden.

Partydrogen-Konsumierende sind die Hauptzielgruppe beim Drug Checking

Diese zeitliche Einteilung gibt bereits einen Hinweis auf die primäre Zielgruppe zu Beginn des Projekts: Konsumenten von Partydrogen, wie Amphetamin, Ketamin, MDMA, Kokain und Ecstasy. Behrends hält das für eine realistische Einschätzung: „Eine Person, die schwerst opiatabhängig ist und täglich Heroin konsumiert, einen hohen Beschaffungs- und Konsumdruck hat, wird eher seltener etwas zum Testen bringen“. Grundsätzlich seien jedoch alle psychoaktiven Substanzen testbar.

Im Graubereich liegt Cannabis. Die Blüten der Hanfpflanze, auch Gras genannt, werden zunehmend mit synthetischen Cannabinoiden gestreckt, die eine heftigere Rauschwirkung hervorrufen. Auch Verunreinigungen mit Blei wurden bereits festgestellt. Gras und Haschisch, das Harz der Cannabis-Pflanze, sollen allerdings nur in Verdachtsfällen zum Testen gebracht werden. Auch würde nicht auf den THC- und CBD-Gehalt getestet, erklärt der pharmazeutische Leiter des Projekts Tibor Harrach.

Wirkstoffgehalt bei Ecstasy seit der Love Parade stark gestiegen

Anders sieht es beim Wirkstoffgehalt etwa von Ecstasy aus. „Zur Zeit der Love Parade in den 90ern waren Tabletten mit 80-120 Milligramm MDMA im Umlauf“, sagt Behrends, „heute liegen die Werte oft bei 200 bis 300 Milligramm“. Das könne im schlimmsten Fall lebensbedrohlich sein.

Wo die drei Drogenteststellen entstehen sollen, ist laut Behrends noch nicht abschließend geklärt. Jeder Träger soll einen Standort verantworten. Klar ist jedoch, dass in Drogenkonsumräumen nicht getestet werden kann, denn das ist per Gesetz ausgeschlossen. Paragraf 10a des Betäubungsmittelschutzgesetzes verbietet Substanzanalysen in Drogenkonsumräumen.

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Die Befürchtung des Gesetzgebers bei der Einführung von Drogenkonsumräumen sei gewesen, dass durch die Testmöglichkeit Freizeitkonsumierende angezogen werden könnten, sagt Harrach. „Die Räume sollten so steril und unattraktiv wie möglich sein, sodass wirklich nur Schwerstabhängige dort hingehen.“

Nichtsdestotrotz läuft aktuell ein Modellprojekt der Deutschen Aidshilfe, das in zehn Drogenkonsumräumen in Deutschland Schnelltests zur Feststellung von Fentanyl in Heroin einsetzt. Das hochwirksame Opioid Fentanyl kann den Konsum von Heroin lebensbedrohlich machen und ist für Zehntausende Todesfälle im Zuge der US-Opioidkrise mitverantwortlich.

Zukunft des Drug Checkings im Falle eines CDU-geführten Senats?

Für den drogenpolitischen Sprecher der Grünen, Vasili Franco, ist das Drug Checking „ein wichtiger Schritt für eine Entkriminalisierungsstrategie“. Aufklärung, Prävention, Beratung, Schadensminderung und Hilfe bei Abhängigkeiten müssten zusammengedacht werden, findet der Politiker und dass Drogen konsumiert würden, hätten auch Verbote nicht geändert.

Noch vor ein paar Jahren bezeichnete der damalige gesundheitspolitische Sprecher der Berliner CDU, Gottfried Ludewig, die Drogenpolitik von Rot-Grün-Rot als Klientelpolitik und falsch investiertes Geld. Heute hört man andere Töne. Christian Zander, zuletzt auf Ludewigs Position, sagte auf Morgenpost-Anfrage, dass er dem Projekt aufgeschlossen gegenüber stehe. „Ich glaube nicht, dass das den Konsum fördert, der bleibt ja weiter illegal.“ Eine Legalisierung, auch von Cannabis, sei nämlich auf keinen Fall im Sinne der CDU. „Am besten sollte man gar keine Drogen nehmen.“

Selbst bei einem CDU-geführten Senat hätten die anonymen Drogentests – im europäischen Ausland teils schon länger institutionalisiert – also wahrscheinlich eine Zukunft. In der Grünen-geführten Gesundheitssenatsverwaltung ist man sich da nicht so sicher: „Ob der künftige Senat das Projekt weiterführt und es weiter im Haushalt etatisiert, kann aus heutiger Sicht nicht eingeschätzt werden“, so ein Sprecher.