Justiz

Für den Maßregelvollzug fehlen in Berlin die Klinik-Betten

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Isabell Jürgens
Ein Krankenpfleger mit einem Shirt mit dem Aufdruck „Justiz“ steht in einem Behandlungsraum des Berliner Haftkrankenhauses in Plötzensee (Symbolbild).

Ein Krankenpfleger mit einem Shirt mit dem Aufdruck „Justiz“ steht in einem Behandlungsraum des Berliner Haftkrankenhauses in Plötzensee (Symbolbild).

Foto: dpa Picture-Alliance / Peer Grimm

Zwei Straftäter mussten in Berlin vorzeitig entlassen werden, weil Plätze im Maßregelvollzug fehlen. So will der Senat Abhilfe schaffen.

Berlin.  Die vorzeitige Entlassung von zwei Straftätern wegen Platzmangels im Krankenhaus-Maßregelvollzug (KMV) in Berlin hatte für Schlagzeilen gesorgt – zumal einer der beiden Männer ein Clanmitglied war, das wegen eines Geldtransporter-Überfalls verurteilt worden war. Das Problem ist jedoch nicht neu: Seit Jahren fehlt es in der Hauptstadt an genügend Plätzen. Mit einem ganzen Maßnahmenbündel soll die Situation nun verbessert werden, kündigte Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) am Dienstag an.

Wichtigster Baustein und als Sofortmaßnahme geplant ist demnach der Ausbau des Hauses 4 am Standort Reinickendorf, der voraussichtlich bis Ende Mai fertig gestellt sein soll, so die Senatorin. Dadurch würden zwölf Plätze geschaffen, die anschließend im zweiten Quartal dieses Jahres belegt werden könnten.

Berlin: 541 Betten mit 602 Straftätern „überbelegt“

Die mittelfristige Ertüchtigung des Hauses 8 auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik soll zudem etwa 60 weitere Vollzugsplätze schaffen und damit den aktuellen Stand der Überbelegung ausgleichen. Aktuell stehen laut Gote den 541 „ordnungsgemäßen Betten“ in Berlin 602 stationär untergebrachte Straftäter gegenüber.

Der Kostenrahmen für die Baumaßnahmen in der Bonhoeffer-Klinik beläuft sich nach Angaben Gotes derzeit auf rund 53 Millionen Euro bis 2025. „Ein Antrag zu einem vorzeitigen Planungsbeginn ist aktuell in Erarbeitung und wird umgehend bei der Senatsfinanzverwaltung für den kommenden Haushalt eingereicht werden“, versicherte Gote. Als weitere, eher langfristige Option geprüft, weitere Objekte außerhalb der bisherigen Standorte nutzbar zu machen, sagte Gote weiter.

Ärztekammer kritisiert „unhaltbare Zustände“

In den Maßregelvollzug kommen Straftäter, wenn ein Gericht diese als psychiatrisch auffällig oder suchtkrank einstuft. Die Ärztekammer Berlin hatte im Januar „unhaltbare Zustände“ im Krankenhaus des Maßregelvollzugs in Berlin kritisiert.

Die Senatorin verwies darauf, dass die fehlenden Unterbringungsmöglichkeiten im Maßregelvollzug alle Bundesländer treffe. „In Berlin hatten wir im Februar die ersten zwei Fälle, in denen Straftäter aufgrund des Platzmangels vorzeitig entlassen werden mussten – in Baden-Württemberg sind es allein im vergangenen Jahr 22 Fälle gewesen“, nannte Gote Vergleichszahlen.

Gesundheitsminister wollen Strafgesetzbuch ändern

Um die Überbelegung in allen Bundesländern abzubauen, müsse der Paragraf 64 des Strafgesetzbuches, der die Unterbringung von Suchtkranken regele, dringend reformiert werden, so Gote weiter. Darüber bestehe bei den Gesundheitsministern der Länder Einigkeit. Ein entsprechender Gesetzentwurf vom Bundesrat am 10. Februar 2023 sei konstruktiv beraten worden. Im Maßregelvollzug landeten derzeit zu viele Straftäter, bei denen ein Suchtproblem mit Alkohol oder Drogen die begangenen Delikte nur vordergründig beeinflusst habe.

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