Fotoausstellung

Ein besonderer Blick auf Berlins Eckkneipen

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Norman Börner
Anna Lehmann-Brauns, Stefanie Schweiger und Friederike von Rauch (von links) in ihrer Foto- und Videoausstellung Ausstellung in der Kommunalen Galerie. 

Anna Lehmann-Brauns, Stefanie Schweiger und Friederike von Rauch (von links) in ihrer Foto- und Videoausstellung Ausstellung in der Kommunalen Galerie. 

Foto: Norman Börner

Die Ausstellung „Chez Icke“ widmet sich Berliner Kneipen. Was den Fotografinnen zwischen Suff und Rauch die Herzen erwärmt hat.

Berlin.  Die Idee einer Foto- und Videoausstellung zum Thema Kneipe sei den drei Fotografinnen Anna Lehmann-Brauns, Stefanie Schweiger und Friederike von Rauch während des ersten Corona-Lockdowns gekommen. Eine Zeit, in der viele Traditionslokale geschlossen hatten und ihre Existenz mehr denn je als bedroht galt. „Da die Kneipen sowieso zu hatten, blieb viel Zeit für die Recherche“, so Stefanie Schweiger.

Die drei Frauen nutzen die Zeit, um sich einen Plan zu machen. Mehr als 100 Kneipen wollen sie besuchen. Sie recherchieren. Manchmal kündigen sie ihren Besuch vorher an. Dennoch steigt vor dem ersten Kneipenabend mit Kamera der Puls. Denn richtige Kneipengängerin sei keine von ihnen gewesen. Eine ihrer ersten Abende führte sie in den Magendoktor. Eine Alt-Berliner Kneipe im Szenebezirk Neukölln.

Wirtinnen und Wirte schließen die Fotografinnen ins Herz

Schnell stellt sich heraus, ihre Angst ist unbegründet. „Fast überall wurden wir herzlich und sehr warm willkommen geheißen“, sagt Friederike von Rauch. Von den Wirten aber auch von den Gästen am Tresen. „Fast überall waren wir für die Wirte und Wirtinnen die Mädels. Oder die Kleenen“, sagt Lehmann-Brauns.

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Die drei Künstlerinnen nehmen sich vor, sich der Lebenswelt Kneipe in ihren jeweiligen künstlerischen Sprachen zu widmen. Stefanie Schweiger porträtiert Wirtinnen und Wirte. Friederike von Rauch setzt sich fotografisch mit Architektur, Raum und Atmosphäre auseinander, während Anna Lehmann-Brauns sich auf die Abbildung der Örtlichkeit konzentriert. Auf die von der Straße sichtbare neonbeleuchtete Verheißung.

Ein Bier als Bestechung für die Kunst

Dass es ohne Kontakt mit den Gästen nicht funktionieren wird, zeigt sich gleich im Magendoktor. Friederike von Rauch und Stefanie Schweiger wollen sich der Kneipe auch in filmischer Form nähern. Dazu bauen sie eine Kamera auf und filmen in einer gleichbleibenden Perspektive den Raum. Stammgast Micha hat aber keine Lust, sich deswegen umzusetzen. Für ein Bier mache er es, so der Kompromissvorschlag. Im Hintergrund des kleinen Films, der auch in der Ausstellung zu sehen ist, redet er trotzdem munter weiter.

Solche Geschichte erleben sie Abend für Abend. Bauernschlaue Sprüche von den Gästen vor dem Tresen. Aber auch von den Wirtinnen und Wirten dahinter, die wirklich so viele Geschichten gehört hätten, dass sie getrost als Kenner zahlreicher Lebensweisheiten bezeichnet werden könnten. Säufste, stirbste, säufste nicht, stirbste ooch. Also säufste! und so weiter. „Dass aber der Aspekt der sozialen Gemeinschaft so stark ist, hätte ich nicht erwartet.“ Im Wikinger-Eck beispielsweise wird gemeinsam Weihnachten gefeiert.

Gemeinschaft aber auch viele schwarze Seiten kennen gelernt

Auch die drei „Mädels“ sind schnell Teil der Gemeinschaft. „Schon beim zweiten Besuch wussten die Wirtinnen und Wirte, was wir trinken.“ Und gleich in mehrere Lokalen gibt es Sparclubs: In Sparkästen, die blechern, wie die Miniatur einer Briefkastenanlage daher kommen, hinterlegen die Stammgäste jeden Abend kleine Summen. Ende des Jahres ist Zahltag. Die Mitglieder kriegen ihr Erspartes zurück. Manchmal werden auch Ausflüge damit finanziert. Einer dieser Sparkästen wird auch in der Ausstellung gezeigt.

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„Wir haben viele schöne Momente erlebt, aber auch viele schwarze Seiten kennen gelernt“, sagt von Rauch. Wer jeden Tag in die Kneipe komme, sei ohne Wenn und Aber Alkoholiker habe es eine Wirtin formuliert. Schlangen vor Spielautomaten, die Gästen das ganze Geld aus der Tasche ziehen. Abstürze und Alkoholexzesse gehören ebenso dazu. Zudem seien einige Kneipen wie der Stammtisch in Neukölln inzwischen verschwunden. Gentrifizierung, steigende Mieten und fehlende Gäste machen auch vor der Kneipe nicht Halt.

Dennoch seien auch die drei „Mädels“ inzwischen öfter in den klassischen Kneipen anzutreffen. Ihr Stammlokal sei das Leydicke in Schöneberg. Eine Jahrhundertkneipe, die auch für politische Debatten Raum bietet. Wer jetzt noch kein Kneipenfan ist, dem sei diese Ausstellung ans Herz gelegt.

Die Ausstellung kann bis Sonntag, 28. Mai 2023, in der Kommunale Galerie Berlin, Hohenzollerndamm 176 zu den Öffnungszeiten besichtigt werden. Der Eintritt ist frei.