10,5 Mio. Besucher

Tourismus-Zahlen in Berlin: Weg vom Junggesellenabschied

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Der Tourismus in Berlin erholt sich schneller als in anderen Metropolen. Im VErgleich zum Jahr 2021 haben sich die Übernachtungszahlen verdoppelt.

Der Tourismus in Berlin erholt sich schneller als in anderen Metropolen. Im VErgleich zum Jahr 2021 haben sich die Übernachtungszahlen verdoppelt.

Foto: Jörg Krauthöfer / FUNKE Foto Services

Berlin will andere Touristengruppen als vor der Pandemie ansprechen. Bei den Herkunftsländern gibt es Überraschungen.

Berlin.  Der Tourismus in Berlin erholt sich schneller als in anderen Metropolen. Im vergangenen Jahr besuchten 10,5 Millionen Menschen die Stadt und buchten 26,5 Millionen Übernachtungen, doppelt so viel als im Coronajahr davor. „Die Tourismuszahlen des vergangenen Jahres zeigen, wo die Reise hingeht, nämlich nach Berlin“, sagte Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD) am Donnerstag bei der Vorstellung der Tourismus-Bilanz.

Zwei Drittel der Berlinbesucher kamen aus dem Inland, ein Drittel aus dem Ausland. Nur zehn Prozent reisten mit dem Flugzeug an, 45 Prozent nahmen die Bahn und 35 Prozent setzten sich in das Auto, um die Stadt zu besuchen.

Damit sind die Zahlen aus dem Rekordjahr 2019 allerdings noch nicht wieder erreicht. Im letzten Jahr vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie registrierten die Hotels 34 Millionen Übernachtungen. Die Entwicklung zeige aber, „dass die Erholungsfahrt funktioniert“, wie Schwarz sagte. Denn das erste Quartal des vergangenen Jahres sei noch durch starke Beeinträchtigungen geprägt gewesen. So hätten weder die Grüne Woche noch die Internationale Tourismusbörse (ITB) stattgefunden.

Die Anbindung Berlins muss ausgebaut werden

Aus Sicht des Wirtschaftsministers müssten in den kommenden Jahren starke Anstrengungen unternommen werden, um die Anbindung Berlins per Schiene und Flugzeug zu verbessern, um das internationale Interesse an der Stadt auch befriedigen zu können. Berlin benötige mehr Interkontinentalverbindungen mit dem Flugzeug und eine bessere Anbindung der Stadt in Richtung Ost-Europa. „Es ist ein Skandal, dass man immer noch vier Stunden mit dem Zug nach Prag benötigt und eineinhalb Stunden nach Hamburg, obwohl beide Städte gleich weit entfernt liegen“, sagte Schwarz.

Ob und wann wieder mehr Gäste mit dem Flugzeug anreisen, hängt nach Angaben des Chefs der Berliner Tourismuswerber von „Visit Berlin“, Burkhard Kieker, von vielen Faktoren ab. Einerseits fehlen derzeit wegen der Corona-Pandemie noch die Touristen aus Asien, vor allem aus China, andererseits sei die Flugbranche insgesamt stark von der Krise getroffen.

Die Fluggesellschaften würden sich daher zunächst auf diejenigen Flugziele konzentrieren, die für sie am ertragreichsten sind. Dazu gehört Berlin als Ziel nicht, weil die Flughafengebühren am BER höher als anderswo ausfielen und Deutschland das einzige Land ist, das eine Flugsteuer erhebt. „Die Billigflieger machen derzeit einen Bogen um Deutschland“, sagte Kieker.

13 Prozent des Flugverkehrs fallen dauerhaft weg

Insgesamt gehen Experten davon aus, dass etwa 13 Prozent des einstigen Flugverkehrs dauerhaft wegfallen. Dabei handele es sich um kurze Geschäftsreisen, die nun auch mit digitalen Treffen kostengünstiger ersetzt werden könnten, so Kieker.

Einige Trends im Reiseverkehr nach Berlin sind für die Berliner Tourismuswerber derzeit überraschend. So nehmen Besucher aus den Vereinigten Staaten mit einer Million Übernachtungen im vergangenen Jahr erstmals die Spitzenposition bei den ausländischen Gästen ein. Ein Trend, der sich nach den Prognosen auch in diesem Jahr bestätigen wird. „Wir können einen freundlichen Tsunami erwarten“, heißt es laut Kieker bei Reiseveranstaltern aus den USA.

Neu in den Top-Ten sind auch die Berlin-Besucher aus Polen (468.000). „Das hatten wir nicht auf dem Schirm“, sagte Kieker. Dagegen nahm die Zahl der Besucher aus Italien (minus 52 Prozent) und Spanien (minus 49 Prozent) deutlich ab.

Berlin ist vor allem wegen des Kulturangebots gefragt

Insgesamt zeigte sich auch Kieker mit der Entwicklung zufrieden. Nach dem Ende der Corona-Pandemie habe man sich gefragt: „Interessiert sich noch jemand für die Stadt?“ Die Antwort laute eindeutig: Ja. Trotz der gegenwärtigen Krisen und der Inflation zeige sich weltweit ein Trend zum Reisen. „Reisen ist eine grundlegende Kulturtätigkeit geworden“, so Kieker. Menschen würden eher auf Konsumgüter verzichten als aufs Reisen.

Gefragt sei Berlin vor allem wegen des Kulturangebots, der Gastronomie-Szene und des Nachtlebens. 85 Prozent der Besucher von Gedenkstätten und 50 bis 60 Prozent der Besucher von Museen und Theatern seien Touristen. Berlin wolle weiter auf Qualitätstourismus setzen statt auf Jungesellenabschiede.

Dazu passe, dass im November gleich zwei „Blockbuster-Ausstellungen“ über den norwegischen Maler Edvard Munch stattfänden, im Potsdamer Museum Barberini und in der Berlinischen Galerie. Dazu komme eine Ausstellung mit Werken des deutschen Romantikers Caspar David Friedrich in der Alten Nationalgalerie. Alle drei werden weltweit beworben.

Auch das Messegeschäft erholt sich

Auch das Messe- und Kongressgeschäft erholt sich nach Angaben Kiekers. Gerade habe Visit Berlin den Vertrag für einen der größten Medizinkongresse der Welt mit 25.000 bis 30.000 Teilnehmern im Jahr 2025 abgeschlossen. Allein dieser Kongress spüle in einer Woche rund 250 Millionen Euro Wertschöpfung in die Stadt.

Insgesamt verzeichnet Visit Berlin demnach 7,4 Prozent mehr Anfragen nach Messen und Kongressen als im Rekordjahr 2019. „Das Lagerfeuer, an dem wir uns austauschen, liegt tief in unserer DNA“, sagte Kieker mit Blick auf den anhaltenden Wunsch, Messen und Kongressen vor allem in Präsenz abhalten zu wollen.

Ob die Beherbergungsbranche die steigende Nachfrage nach Berlinreisen befriedigen kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Etwa 90, vor allem kleinere Hotels und Pensionen, haben den Angaben zufolge während der Pandemie aufgegeben. Derzeit gebe es noch 138.000 Betten in der Stadt, 10.000 weniger als vor der Pandemie. „Die Branche hat verstanden, dass sie deutlich bessere Löhne zahlen muss, um die Beschäftigten zurückzugewinnen“, sagte Kieker. Das zeige sich bereits bei den Hotelpreisen, die fast 20 Prozent über dem Niveau von 2019 liegen.