Wiederholungswahlen

Berlin-Wahl 2023: Bezirkspolitiker sollen entschädigt werden

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Joachim Fahrun
Einer von denen, die wohl ihr Amt abgeben müssten: Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD).

Einer von denen, die wohl ihr Amt abgeben müssten: Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD).

Foto: Sergej Glanze / FUNKE Foto Services

Damit Bezirksbürgermeister und Stadträte den Weg für neue Mehrheiten frei machen, arbeiten Koalition und CDU an einer Lösung.

Berlin. Die amtierende rot-grün-rote Koalition arbeitet gemeinsam mit der CDU an einer Lösung für eines der wichtigsten Probleme, die die Wiederholungswahlen in Berlin gebracht hat. Die Fraktionen im Abgeordnetenhaus wollen mit einem Gesetz sicherstellen, dass sich auch in den Bezirksämtern die neuen Mehrheitsverhältnisse aus den Wahlen vom vergangenen Sonntag abbilden.

Weil Bezirksbürgermeister und Stadträte als Beamte auf Zeit für die gesamte Wahlperiode bis 2026 ernannt sind, müssen sie ihre Posten nicht räumen, selbst wenn sich in den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) neue Zählgemeinschaften für die Wahl eines anderen Bürgermeisters bilden oder eine Partei nach Verlusten Stadtratsposten im nach Proporz zusammengesetzten Bezirksamt einbüßt. Dass eine Wahl auf Anordnung des Landesverfassungsgerichts komplett wiederholt wird und gleichzeitig die Wahlperiode weiterläuft, war bisher in der Gesetzgebung nicht vorgesehen.

Damit das Demokratieprinzip das Beamtenrecht schlägt, braucht es ein neues Gesetz

Dass das Beamtenrecht in diesem Fall das Demokratieprinzip schlägt, hat ein der Morgenpost vorliegendes Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes für die Fraktion der AfD bestätigt. Ein Bezirksamtsmitglied kann nur durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der BVV abgewählt werden, so die Abgeordnetenhaus-Juristen. Wenn man das ändern wolle, „obliegt es dem Gesetzgeber, entsprechende gesetzliche Regelungen zu schaffen“.

Im Landesparlament gibt es einen Konsens darüber, genau das zu tun. Geplant ist, den Kommunalpolitikern eine finanzielle Kompensation für den Amtsverzicht anzubieten. Bisher ist es so, dass Bürgermeister und Stadträte im Falle eines Rücktritts sämtliche, zum Teil über Jahre erworbenen Versorgungsansprüche verlören und kurzfristig ohne Einkommen dastünden. Auch deswegen weigern sich nicht wenige Rathauschefs, ihr Amt für einen Nachfolger frei zu machen. Die Wahlen in den Bezirken wären ad absurdum geführt.

Politiker sollen für Verzicht entschädigt werden, in Rede stehen 71,5 Prozent des Gehalts

Nun wird darüber nachgedacht, die Politiker zu beurlauben und ihnen einen prozentualen Anteil ihres Gehalts bis zum Ende der Wahlperiode weiter zu zahlen. Die CDU hat bereits einen Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht. Darin heißt es, Bürgermeister und Stadträte sollten bis zum Ende ihrer Amtszeit 71,5 Prozent ihrer Bezüge bekommen. Für die nach der Besoldungsstufe B 4 bezahlten Stadträte wären das knapp 6600 Euro, für die auf B 6 eingestuften Bürgermeister mehr als 7300 Euro im Monat. Ihre Versorgungsansprüche würden die Politiker behalten, sie wären allerdings reduziert.

Vertreter aller beteiligten Fraktionen bestätigten der Morgenpost entsprechende Überlegungen. Offen reden wollte noch niemand über den heiklen Vorgang, der eine womöglich zweistellige Zahl von gut bezahlten Spaziergängern schaffen würde. Noch ist auch nicht ausgehandelt, wie hoch die Entschädigung sein wird und wer sie genau bekommen soll. Noch ist nicht abzusehen, wie die Gespräche über die Bildung der neuen Bezirksämter in den zwölf Bezirken laufen. Klar ist jedoch, dass es vor allem Vertreter von SPD. Grünen und Linken treffen wird. Die CDU stellt derzeit keinen Bezirksbürgermeister und hat überall zugelegt, so dass ihr eher mehr als weniger Stadtratsposten zustehen.

Am 16. März soll das neue Parlament bei der ersten Sitzung das Gesetz beschließen

In jedem Fall drängt die Zeit, damit es in den Bezirken weitergehen kann. Die Fraktionen auf Landesebene streben eine Einigung in den nächsten Tagen an, um Bezirks-Kollegen einen Anhaltspunkt für ihre Verhandlungen über die Bildung der Bezirksämter zu geben. Angestrebt wird, das neue Gesetz am 16. März bei der ersten Sitzung des neuen Abgeordnetenhauses zu beschließen.

Wie genau das Landesparlament aussehen wird, ist noch offen. Eine Nachzählung der zunächst liegen gebliebenen Stimmen hat am Mittwoch ergeben, dass im Lichtenberger Wahlkreis 3 (zwischen Alt-Hohenschönhausen und Karlshorst) der CDU-Direktkandidat Dennis Hausstein und der Linken-Bewerberin Claudia Engelmann die exakt gleiche Zahl von Erststimmen bekommen haben. Bleibt das so, muss das Los entscheiden. Verlöre dabei der bisher führende Christdemokrat, hätte das Auswirkungen auf das Landesparlament. Die CDU hätte einen Sitz weniger, auch bei anderen würden Ausgleichsmandate wegfallen. Die Kräfteverhältnisse nach den Zweitstimmen müssten aber gleich bleiben, SPD und Grüne blieben gleich stark. Offen ist auch noch, ob sich bei der Neuauszählung das Kräfteverhältnis zwischen den nur knapp auseinander liegenden SPD und Grünen andern würde. Wahrscheinlich ist das aber nicht. Seiten