Konzert in Berlin

The Kooks bringen Flair der Nullerjahre in Columbiahalle

| Lesedauer: 6 Minuten
Norman Börner
Volles Haus bei The Kooks in der Columbiahalle

Volles Haus bei The Kooks in der Columbiahalle

Die Band feiert in Berlin das Jubiläum das Debütalbums „Inside in/Inside Out“ von 2006 – und damit den Soundtrack einer Generation.

Berlin. Kurz nach neun Uhr ist es endlich so weit. Strahler erhellen die Bühne und die vier Musiker betreten die Spielfläche. Mit einem Jahr Verspätung treten The Kooks in der Berliner Columbiahalle auf. Ursprünglich wollten die vier Indie-Rocker aus Großbritannien anlässlich des halbrunden Geburtstags des Debütalbums die komplette Platte live performen. Aber weil die Tour wegen Corona um ein Jahr verschoben werden musste, kam schließlich das Erscheinen eines neuen Albums dazwischen. Der Kompromiss: Eine musikalische Reise durch die ganze Bandgeschichte mit dem Schwerpunkt Debütalbum. Eine Reise, die zwar nur 15 Jahre zurückgeht, aber doch zum Soundtrack einer Generation geworden ist.

Als im Jahr 2006 die Platte „Inside in/Inside Out“ der nach einem Bowie-Song benannten Band aus Brighton erscheint, ist Xbox besser als Playstation, DJs auf Hauspartys sind das Traumduo MP3-Player und Aux-Kabel und neue Musik beziehen klamme Indie-Boys mit Streifenshirts und ungelenken Haaren über nicht ganz astreine Vertriebswege umsonst in diesem Internet. Die Blogs, Foren und „Tauschprogramme“ quellen über vor neuem Material. Gefühlt wöchentlich kommt das nächste große Indie-Ding um die Ecke.

The-Bands der Nullerjahre: Alles nur geklaut?


Arctic Monkeys veröffentlichen ihr Debüt-Album. The Rifles, The Strokes und The Streets und wie sie nicht alle heißen, sind auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Die alten Rocker regt das jedenfalls fürchterlich auf. Alles schon mal dagewesen, der Vorwurf. Die Neuen klauen sowieso nur frech bei The Police, The Clash oder The Beatles. Das allgegenwärtige „The“ in Bandnamen der Nullerjahre macht es den Kritikern leicht. Und dann noch dieses Internet. Totgeburt. Kein Vergleich zum miefigen Plattenladen um die Ecke. Ebenso klar: An die Wannabe-Rockstars wird sich in ein paar Jahren kein Schwein mehr erinnern und so etwas wie ein musikalisches Jahrzehnt werden The Nachmachers und The Abschreibers schon gar nicht begründen.

Anderthalb Jahrzehnte später sind diese Vorhersagen denkbar schlecht gealtert. Aus vielen The-Bands der Nullerjahre sind Genregrößen geworden. Und auch The Kooks treten weiter auf den großen Bühnen auf. Das Debütalbum steht dabei wie kaum ein anderes stellvertretend für den Indie der Nullerjahre. Für aus dem Ärmel geschüttelte Hits. Für eingängige Melodien. Für Jungs mit Wuschelhaaren und Röhrenjeans.

Junge und alte Fans feiern The Kooks in der Columbiahalle


Also nehmt das Rock-Opas: Die Nullerjahre sind eben doch das Jahrzehnt des weichgespülten Indie-Rocks geworden. Und Synonym für ein Lebensgefühl zwischen virtueller Plattenhehlerei und WG-Partys in mittelcoolen Studentenstädten. So besteht das Publikum am Dienstag in der ausverkauften Columbiahalle doch aus einigen gealterten Indie-Boys Ende 30, denen die Skinny-Jeans auch mal besser passte. Und Indie-Girls, die sich schon vor 15 Jahren beim „Sofa Song“ unter die Fummelpfoten von Luke Pritchard sehnten. Aber auch viele junge Fans sind im Publikum, die die alten Songs genauso inbrünstig mitsingen.

Immerhin erinnert beim Sänger noch viel an den schnuckligen Indie-Poster-Boy, der er mit Anfang 20 war und der der Band den despektierlichen Vorwurf „Mädchenmusik“ mit eingebrockt hat. Obwohl da auch viel einer mittelalten Version des 70er-Jahre-Teenieschwarms David Essex durchscheint. Aber gleich mit dem ersten Song “Seaside“ zeigt Pritchard, dass auch stimmlich noch viel Indiejunge mit Gitarre in ihm steckt. Der melancholische Opener besticht durch eine coole Simplizität, die es so wohl nur auf ersten Alben gibt.


In der Folge entfaltet die Band dann jene ansteckende Energie, die sich durch die ganze erste Platte zieht und live auch genauso rüberkommt. Mit “Eddie’s Gun“, “You Don’t Love Me“ und “She Moves In Her Own Way“ kommen Fans der ersten Stunde weiter auf ihre Kosten. Und das Publikum ist von Beginn an voll da. Schließlich haben sich die einst mühsam raubkopierten Songs so fest ins Gehirn genagelt, dass die nun vollends retrotrunkenen Millennials bei „Ooh La“ zeitweise das Mikrofon übertönen. Die Band verspricht das komplette erste Album durchzuspielen. Ehrenmänner!.


Aber auch beim ersten Non-Debüt-Track “Bad Habit” ist das Publikum stimmgewaltig am Start. Einen besonderen Moment erlebt das Publikum als für den Song “Beautiful World” das deutsche Duo Milky Chance auf die Bühne kommt. Neue Songs wie „Connection“ oder „Cold Heart“ gehen eher in Richtung Synth-Pop. Nicht schlecht. Und eine Band sollte natürlich auch neue Stile ausprobieren. Aber die jüngeren Stücke zeigen eben auch, dass sich die Leichtigkeit der genialen ersten Platte nur selten reproduzieren lässt. Die Band teilt dieses Schicksal immerhin nicht vollends mit Bands wie Arctic Monkeys oder Mando Diao, die furiose Frühwerke hinlegten und heute nur noch verkopfte und neunmalkluge Kritikerstücke für Hotellobbys und Weinverkostungen schreiben. Denn auch die neuen Kooks-Tracks machen Spaß, sind tanzbar und cool.

Bandhymen für ein musikalisch bedeutsames Jahrzehnt


Aber sie sind eben keine Indiehymnen wie der Song „Naïve“ mit dem der Abend schließlich endet. „I’m not saying it was your fault. Although you could have done more.“ Ein Song, der stellvertretend für den kooks-typischen hellen und fast schon heiteren Sound des ersten Albums steht und einem Text, der sich damals, wie heute einfach perfekt mit leicht nach oben gerecktem Kopf in Liam-Gallagher-Gedächtnispose in die Indie-Disse quieken lässt. Oder eben in die Columbiahalle. 15 Jahre nach MP3-Partys in WG-Küchen. Weil Bands wie The Kooks eben doch ein musikalisch bedeutsames Jahrzehnt begründen. Das Indie-Jahrzehnt.