Berlin. Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Freien Universität Berlin (FU) warnt in einer Rundmail nicht nur vor einem Mann, der bereits länger immer wieder Studentinnen sexuell belästigt und bedroht, sondern auch davor, bei Kontakt mit ihm die Berliner Polizei zu rufen. Personen, die ihm begegnen und sich von ihm belästigt fühlen, wird vielmehr dringend davon abgeraten. Stattdessen solle man sich zunächst an den Sicherheitsdienst der Uni wenden.
Die Polizei zu alarmieren, liege zwar auch im Ermessen eines jeden Einzelnen. „Wir möchten jedoch unbedingt darauf hinweisen, dass Polizeieinsätze für von Rassismus betroffene Menschen grundsätzlich mit einem erhöhten Risiko einhergehen, Polizeigewalt zu erfahren“, heißt es in dem AStA-Schreiben. Gerichtet an die Hochschulgruppen und Fachschaftsinitiativen soll es bereits in der vergangenen Woche verschickt worden sein.
Demnach soll der Mann seit mehreren Wochen immer wieder an verschiedenen Orten der über Dahlem verteilten FU aufgetaucht sein und sich gegenüber Frauen sexistisch und übergriffig verhalten haben. Körperlich übergriffig sei er bislang nicht gewesen, allerdings sei es zu Gewaltandrohungen gekommen. Eine Person soll er bereits länger gestalkt haben.
Auch laut FU immer wieder Beschwerden wegen Belästigungen
Die FU bestätigt auf Nachfrage, „dass es in der Vergangenheit mehrfach zu Beschwerden von Universitätsmitgliedern über Belästigungen auf dem Campus durch eine nicht universitätsangehörige Person gekommen ist“. Man habe dieser Person Hausverbot erteilt und Maßnahmen eingeleitet, dass dieses Verbot auch eingehalten wird.
Dazu, ob es sich dabei um denselben Menschen handelt, der im Schreiben des AStA mit Foto abgebildet sowie Namen benannt wurde, könne man sich aus Datenschutzgründen nicht äußern. Die Berliner Polizei bestätigt eine Anzeige wegen einer Beleidigung auf sexueller Grundlage aus dem Dezember.
Der vermeintliche Rassismus ist nach Auffassung des AStA nicht der einzige Grund, der aus ihrer Sicht gegen die Polizei spricht. Die Beamtinnen und Beamten seien „nicht ausreichend im Umgang mit psychischen Ausnahmesituationen geschult“, heißt es in dem Schreiben weiter. Daher würden solche Einsätze oft „durch unnötigen Einsatz von Gewalt eskaliert werden“. Die Sorge gilt dabei offensichtlich weniger dem potenziellen Opfer als dem Täter, da sich dieser oft in einer solchen Ausnahmesituation befände, wie es an einer anderen Stelle in dem Text heißt.
AStA empfiehlt Anruf beim Sozialpsychiatrischen Dienst
Als Alternative zur und deutlich bessere Option gegenüber der Polizei wird der Sozialpsychiatrische Dienst empfohlen. Dieser könne allerdings nur tätig werden, wenn das Einverständnis der betroffenen Person vorliegt, schränken die Verfasser ein.
Inwieweit sie erwarten, ob der mutmaßliche Sexualtäter dieses erteilen würde, lassen sie dabei offen. An anderer Stelle heißt es jedoch, dass er sich bislang nicht einsichtig gezeigt habe, sein Verhalten zu ändern. „Manchmal ist es kaum möglich, mit ihm zu reden.“
Unverständnis bei der Polizei Berlin
Bei der Berliner Polizei reagiert man mit Unverständnis auf die Thesen des AStA. „Opfern von sexueller Gewalt von einer Strafanzeige abzuraten, kann langwierige Folgen für die Psyche der oder des Betroffenen haben“, sagt Sprecherin Beate Ostertag. „Das Ohnmachtsgefühl und die Hilflosigkeit, die im Erleben der Straftat entsteht, können sich verfestigen.“ Daneben gebe es Möglichkeiten aus dem Gefahrenabwehrrecht, um gegebenenfalls weitere Opfer vor Übergriffen zu schützen.
Ob und, wenn ja, welche Folgen das Schreiben für den AStA hat, ist unklar. Man habe in dieser Sache bereits Kontakt zur Universität aufgenommen, erklärt Ostertag weiter.
Gewerkschaft der Polizei ist schockiert
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigt sich schockiert und sagt auf Anfrage der Berliner Morgenpost, dass sie „derart polizeifeindliche Zeilen von einer solchen Institution nicht erwartet“ hätte. „Eine solche Darstellung über die Arbeit der Berliner Polizei entbehrt jeglicher Grundlage und offenbart ein eigenartiges Demokratieverständnis“, erklärt GdP-Landeschef Stephan Weh.
„Wer Opfern sexueller Gewalt rät sich nicht an die Polizei zu wenden, vereitelt die Verfolgung von Straftaten, macht sich zum Mittäter und setzt Frauen durch Falschberatung zukünftigen Übergriffen aus.“
CDU Berlin: Stimmungsmache gegen die Polizei
Schützenhilfe kommt von der CDU Berlin. Sie wirft dem AStA Stimmungsmache gegen die Polizei auf dem Rücken der betroffenen Frauen vor. Der Schutz dieser Frauen müsste Priorität haben, heißt es in einer Erklärung von Adrian Grasse, wissenschaftspolitischer Sprecher, und Cornelia Seibeld, frauenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion Berlin.
„Die Begründung offenbart das völlig falsche Bild, das studentische Vertreter von unserer Polizei damit vermitteln.“ Die Vorwürfe des AStA, dass die Polizei nicht ausreichend geschult sei, um mit psychisch belasteten Gewalttätern umzugehen, und dass ein erhöhtes Risiko von Polizeigewalt bestünde, halten die Konservativen für absurd.
Dem AStA würde es helfen, sich näher mit der Arbeit und Ausbildung unserer Polizei zu beschäftigen, statt der Kampagne von Grünen und Linken gegen unsere Freunde und Helfer weiter auf den Leim zu gehen.“
Feministischer Verein: „Zutiefst frauenfeindlich“
Die Vorsitzende des feministischen Vereins „Frauen für Freiheit“ Rebecca Schönenbach warnt ebenfalls davor, die Polizei zu delegitimieren. „Wir leben in einem Rechtsstaat und können gegen rassistisches Handeln bei der Polizei vorgehen.“
Dass dieses existiert, daran habe sie aber keinen Zweifel. „Grundsätzlich ist die Sorge berechtigt, von der Polizei aufgrund der Hautfarbe diskriminiert zu werden“, so Schönenbach. „Seltsam ist aber, dass die Sicherheit der Frauen der des Mannes untergeordnet wird. Damit sagt man, Frauen sind weniger wert als der Mann.“ Das sei „zutiefst frauenfeindlich“, sollten sich die Berichte über den AStA bewahrheiteten.
Weiterhin schätzt sie den Ratschlag, den Sozialpsychiatrischen Dienst statt der Polizei zu kontaktieren, einerseits als nicht praktikabel ein – wie zuvor beschrieben, müsste der Betroffene zunächst einwilligen. Andererseits sei es nicht die Aufgabe der angegriffenen Frauen, zu entscheiden, ob der Täter Hilfe braucht. Es gehe zuallererst darum, die Frau zu schützen. (mit Alexander Rothe)