Berlin. Es ist der Preis der Gurke, der die Forderungen der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst am besten untermauert: Dass er stark gestiegen ist und ein Inflationsausgleich nötig ist, darüber sind sich alle einig, von Klaus Lederer (Linke) bis Sebastian Czaja (FDP). Bei der Frage, wie hoch die Lohnerhöhung der Angestellten der landeseigenen Unternehmen sein soll, kamen die Parteipolitiker am Freitag beim Treffen mit den Beschäftigten der Berliner Betriebe jedoch nicht zusammen. Es ist Wahlkampf in Berlin – und es geht um die vielen Stimmen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst.
Auf Einladung von Verdi stellten sich außer Lederer und Czaja auch Raed Saleh (SPD), Silke Gebel (Bündnis 90/Grüne) und Kai Wegner (CDU) am Franz-Mehring-Platz in Friedrichshain den Fragen von 300 Delegierten der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, darunter der Berliner Stadtreinigung (BSR), Vivantes, der Charité und auch des jüdischen Krankenhauses, dessen Träger neben der jüdischen Gemeinde das Land Berlin ist.
Am Dienstag haben die Tarifverhandlungen der Mitarbeiter von Bund und Kommunen begonnen. Verdi fordert 10,5 Prozent Lohnerhöhung bei einer Laufzeit von einem Jahr, aber mindestens 500 Euro mehr und 200 Euro mehr für Auszubildende. Die erste Verhandlungsrunde blieb ohne Ergebnis.
Verdi fordert 10,5 Prozent mehr Lohn – Parteien uneinig
Die Forderung von 10,5 Prozent begründet die Gewerkschaft mit der hohen Inflation und dem Reallohnverlust der letzten Jahre. „Für 10,5 Prozent zu kämpfen steht euch zu“, sagte Saleh am Freitag zu den Berliner Verdi-Mitgliedern – wohl wissend, dass das im Wahlkampf gut ankommt. Lederer bezeichnete die Forderung als „absolut angemessen“. Czaja zeigte sich zwar grundsätzlich verständnisvoll für die Forderung nach einem Inflationsausgleich, ob es 10,5 Prozent sein müssten, dazu wolle er sich jedoch nicht festlegen. Für die landeseigenen Unternehmen wie Vivantes oder die BSR wäre eine solche Anhebung der Löhne nur schwer zu verkraften.
Kommentar: Warum höhere Löhne im Öffentlichen Dienst notwendig sind
Grüne und Linke versprechen ausreichende Haushaltsmittel
„Unser Job als Parlament ist es, dafür zu sorgen, dass finanzielle Spielräume da sind und dass die Unternehmern das abfedern können und das tun wir auch“, sagte diesbezüglich die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus Silke Gebel, die in Vertretung der Spitzenkandidatin Bettina Jarasch gekommen war. Lederer nannte Vermögenssteuer, Übergewinnsteuer und Erbschaftssteuer als Mittel, um die öffentlichen Haushalte zu stärken.
Neben des Reallohnverlusts sahen die Angestellten die Ausgliederung von Bereichen wie Catering, Reinigung und Wäsche in Tochterunternehmen bei Vivantes und Charité als Problem. Die Ausgliederung sei „ein verdammt großer Fehler“ gewesen, sagte Saleh, dessen SPD zu dem Zeitpunkt an der Regierung war. Die Angestellten der Tochterunternehmen fallen aus dem Tarifvertrag und werden meist schlechter bezahlt. Die Unternehmen wurden dadurch finanziell entlastet.
Diese Problematik scheint bei allen fünf Parteivertretern angekommen zu sein. Alle sprechen sich für eine Rückführung der Tochterunternehmen aus. Während Wegner und Czaja vage blieben, nannten Gebel, Saleh und Lederer das Jahr 2026 als Zeitpunkt. Einen kurzfristigen Inflationsausgleich für die Beschäftigten der Vivantes-Töchter befürworteten alle fünf.
Nicht mit dabei an diesem ersten, kleineren Streiktag waren die Pflege-Auszubildenden der landeseigenen Unternehmen. Die hätten nämlich wegen der Fehlzeitenregelung Angst, nicht an ihrer Abschlussprüfung teilnehmen zu können, so ein Sprecher der Verdi-Jugend. Alternativ könnten sie einen Härtefallantrag stellen, der jedoch 60 Euro koste.
Tarifverhandlungen für Wahlkampf relevant
Diese Einschränkung des Streikrechts der Pflegekräfte in Ausbildung war ein weiterer Kernpunkt der Gewerkschafter, den sie von der Politik bearbeitet sehen wollten. Silke Gebel von den Grünen verwies hierbei auf ein Rundschreiben, das bereits im November an die Verwaltungen ging. Das von Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) gemeinsam und Gesundheitssenatorin Ulrika Gote (Grüne) verfasste Schreiben sollte darauf hinwirken, dass Auszubildende ihr Streikrecht ohne Nachteil wahrnehmen können sollten.
Dass die Tarifverhandlungen in Berlin mitten in die heiße Phase des Wiederholungswahlkampfs fallen, kann für die Beschäftigten von Vorteil sein, sie stellen eine nicht unbedeutende Wählergruppe. Über 215.000 Berliner arbeiten in der Hauptstadt im Öffentlichen Dienst, ein Drittel davon Beamte, deren Einkommensrunden sich an den Tarifabschlüssen der Angestellten orientieren.
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