Berlin

Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz erweitert Zentrale

| Lesedauer: 5 Minuten
Joachim Fahrun
Der Ausbau des Übertragungsnetzes in Ostdeutschland für die zunehmende Produktion von erneuerbaren Energien ist die Hauptaufgabe von 50 Hertz.

Der Ausbau des Übertragungsnetzes in Ostdeutschland für die zunehmende Produktion von erneuerbaren Energien ist die Hauptaufgabe von 50 Hertz.

Foto: Marco Kneise

Weil die Energiewende voranschreitet, baut das Unternehmen für neue Mitarbeiter seine Zentrale an der Heidestraße weiter aus.

Berlin.  Die Energiewende schafft Arbeitsplätze in Berlin. Der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz, der Ostdeutschland und Hamburg versorgt, erweitert seine Zentrale am Berliner Hauptbahnhof. An der Heidestraße haben die Arbeiten für einen siebengeschossigen Anbau begonnen, der im Juni 2025 rund 380 zusätzliche Arbeitsplätze bieten und 50 Millionen Euro kosten soll. Derzeit arbeiten in dem Hochhaus mit den charakteristischen Diagonalstreben etwa 860 Menschen für den Konzern. Allerdings soll die Belegschaft weitaus größer werden. „Wir wachsen in Richtung 2000 Mitarbeiter“, sagte 50-Hertz-Chef Stefan Kapferer am Mittwoch am Rande eines Besuchs der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD).

Weil im Netzgebiet Ostdeutschland und auch auf der Ostsee die erneuerbaren Energien weiter ausgebaut werden, wachsen die Aufgaben für den Übertragungsnetzbetreiber. Neue Leitungen und Umspannwerke müssen her, um den erzeugten Grünstrom zu verteilen und damit unter anderem Berlin zu versorgen.

50-Hertz-Chef Kapferer: „Wir haben Versorgungssicherheit, aber eine Preiskrise“

Die Sorge vieler Menschen, dass es wegen der allgemeinen Energiekrise in der Hauptstadt zu wenig Strom geben könnte, zerstreute Kapferer gegenüber der Regierenden Bürgermeisterin. „Wir haben Versorgungssicherheit, aber eine Preiskrise“, erklärte Kapferer. Für den kommenden Winter gab er aber eine optimistische Prognose ab. Er gehe davon aus, dass es keine Probleme geben werde. „Das System ist so verlässlich wie immer“, sagte Kapferer, aber die Leitungen seien höher ausgelastet. Giffey war zufrieden. Es sei eine gute Botschaft, dass die Energieversorgung der Stadt gesichert sei.

Lesen Sie dazu auch: Warum die Angst vor dem Blackout in Berlin unbegründet ist

Ostdeutschland sei die Region, die im europäischen Stromverbundnetz die meisten Überschüsse erzeuge und Strom exportiere, erklärte Anne-Katrin Marten, die bei 50 Hertz die operative Systemführung leitet. Im vergangenen Jahr wurde an 1300 Stunden, also fast 55 volle Tage lang, das 50 Hertz-Gebiet komplett mit erneuerbarer Energie versorgt. Darüber hinaus wurden erhebliche Mengen grüner Energie in die Nachbarregionen abgegeben.

Am letzten Sonntag wurde in Ostdeutschland soviel Windstrom wie noch nie erzeugt

Am Sonntag, 15. Januar, als der Wind stark blies, wurden alleine 17 Gigawatt Strom aus Windkraftanlagen eingespeist – soviel wie nie zuvor. Nur ein Bruchteil des erzeugten sauberen Stroms, 355 Megawatt, mussten nach Unternehmensangaben abgeregelt werden, indem etwa die Windräder stillgelegt wurden. Das zeige, wie gut das Netz im Osten Deutschlands funktioniere, hieß es. Laut Kapferer gebe es im 50-Hertz-Land die wenigsten Engpässe.

Kontrolliert wird das Netz aus einer Leitwarte in Brandenburg, aber im 50-Hertz-Gebäude in Mitte steht ein exakter Zwilling der Anlage. Man wollte die echte Leitwarte ungern in der Mitte der Hauptstadt installieren und nutzt lieber einen diskreten Ort im Umland, hieß es dazu.

Der Übertragungsnetzbetreiber muss Strom-Angebot und Verbrauch ausbalancieren

Im Reserve Control Center zeigt eine riesige digitale Netzkarte, wie der Übertragungsnetzbetreiber im Verbund mit den angrenzenden Regionen die Balance sichert und zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch ausbalanciert. Farbige Nummern zeigen an, wie stark eine Leitung aktuell ausgelastet ist. Steigt der Wert auf über 50 Prozent, werden die Operators aufmerksam. Steigt die Nutzung weiter über 70 Prozent, dann muss 50 Hertz eingreifen und Erzeugungskapazitäten abschalten. So sei man gegen Ausfälle gewappnet. Nur an Offshore-Windparks in der Ostsee ist eine Netzauslastung von 90 Prozent erlaubt.

Die Regierende Bürgermeisterin sagte, sie gehe davon aus, dass Berlin in den kommenden Jahren mehr erneuerbare Energien selbst auf eigenem Territorium produzieren werde. Im Fokus dabei: Solarstrom – vor allem mit Blick auf die große Photovoltaik-Anlage, die nun auf den Dächern der Messehallen unter dem Funkturm installiert werden sollen. Bisher ist Berlin Schlusslicht unter den Bundesländern bei der Erzeugung von grüner Energie.

Als Russland in der Ukraine Umspannwerke angriff, registrierte man das in Berlin

50-Hertz-Chef Kapferer muss sich für sein Unternehmen mit den eingerichteten dezentralen Anlagen weniger beschäftigen. Sie anzuschließen ist Aufgabe des örtlichen Betreibers Stromnetz Berlin, den das Land vergangenes Jahr von Vattenfall zurückgekauft hat. Seine Aufgabe sei es, grünen Strom nach Berlin reinzubringen, sagte Kapferer. Strom, der in Berlin erzeugt werde, werde in aller Regel auch hier verbraucht. Für die Hauptstadt sei deshalb eine Kooperation mit Brandenburg und anderen Nachbarregionen entscheidend. Weil die Netze verbunden sind, sei auch ein neuer Windpark in Schweden eine gute Nachricht für Berlin.

Seit März 2022 gehört übrigens auch die Ukraine zum europäischen Verbundnetz. Systembetreiberin Marten berichtete, dass sie in der Berliner Leitzentrale auch die Angriffe Russlands auf ukrainische Umspannwerke und Kraftwerke registriert hätten. Gleichwohl helfe der Verbund, die Ukraine weiter mit Strom zu versorgen.