Gipfel gegen Jugendgewalt

Giffey will millionenschweres Paket für die Jugend schnüren

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Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, gibt nach dem Gipfel gegen Jugendgewalt mit Akteurinnen und Akteuren aus Senat, Bezirken und Zivilgesellschaft ein Pressestatement.

Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, gibt nach dem Gipfel gegen Jugendgewalt mit Akteurinnen und Akteuren aus Senat, Bezirken und Zivilgesellschaft ein Pressestatement.

Foto: Fabian Sommer/dpa

Berlins Regierende Bürgermeisterin hat nach den Silvester-Krawallen einen Vier-Punkte-Plan präsentiert und spricht von einer "Zäsur".

Die Silvesterkrawalle hallen in Berlin noch immer nach. Nun will die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) ein millionenschweres Paket auf den Weg bringen, um die Jugend in dieser Stadt zu unterstützen. Das kündigte sie am Mittwoch nach dem Gipfel gegen Jugendgewalt an, an dem zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Sozialarbeit teilnahmen. Die Ereignisse der Silvesternacht mit Angriffen auf Einsatzkräfte nannte Giffey eine „Zäsur“. „Wir müssen jetzt handeln“, sagte sie.

Dabei sprach die SPD-Politikerin von fehlendem Respekt von Jugendlichen gegenüber Polizisten, Feuerwehrkräften und Unbeteiligten. Der Begriff „Hurensohn“ so Giffey gehöre schon zum „Grundschuljargon“ vieler. „Das geht ihnen locker flockig über die Lippen“, sagte sie. Dabei wüssten viele nicht einmal, was das bedeute. Das gehöre zu jenen „tiefergehenden Problemen“, die mit den Ereignissen der Silvesternacht verknüpft seien. Den Gipfel gegen Jugendgewalt nannte Giffey den Beginn für mehr Respekt in der Stadt.

Berlin: Vier-Punkte-Plan gegen Jugendgewalt

  • Elternarbeit und Sozialarbeit
    Hier will Giffey besser an die familiären Situationen anknüpfen. Wie das gelingen könnte, wurde in einem Ergebnispapier des Gipfels gegen Jugendgewalt festgehalten. Darin heißt es, aktive und aufsuchende Elternarbeit sei ein wesentlicher Baustein für gelingende Präventionsarbeit. Zwar gebe es bereits Projekte wie Stadtteilmütter, die Familien und Eltern ansprechen oder etwa die Elternberatung der Berliner Polizei.
    Doch diese Angebote sollen geprüft und gegebenenfalls verbessert oder ausgebaut werden. Ein Teil der Präventionsarbeit soll außerdem auf die Schulsozialarbeit ausgelagert werden. Die Experten haben sich in dem Gespräch am Mittwoch darauf verständigt, den Ausbau der Schulsozialarbeit an allen Schulformen zu prüfen.
  • Außerschulische Jugendsozialarbeit
    In einem zweiten Punkt sieht der Gipfel gegen Jugendgewalt auch Nachholbedarf in der außerschulischen Jugendsozialarbeit in Berlin. Zwar gebe es auch hier zahlreiche Angebote, von Streetworkern bis hin zu mobilen Teams sowie Sportangeboten für Jugendliche. Giffey zufolge wolle aber in einem nächsten Schritt prüfen, welche Projekte in der Stadt noch weiter ausgebaut werden können.
    Dabei soll laut Ergebnispapier die Teilhabe von Jugendlichen mit Migrationsgeschichte gestärkt werden. Zudem sieht der Gipfel vor, Sprach- und Integrationskurse weiter auszubauen. Diese sollen sich aber an den Interessen der Jugendlichen orientieren. Bei Projekten soll auch ein größerer Fokus auf männliche Jugendliche mit Migrationsgeschichte gelegt werden.
  • Neue Orte für Jugendliche
    In einem dritten Punkt verständigten sich die Teilnehmer des Gipfels auf mehr Begegnungsorte für Jugendliche in der Stadt. Bei der Planung neuer Stadtgebiete will man künftig auch Räume schaffen, die für Jugendliche vorgesehen sind. Zudem sollen in bestehenden Stadtquartieren mehr Jugend-Orte ausgebaut und geschaffen werden. Giffey nannte etwa die Reaktivierung von Bolzplätzen als ein mögliches Beispiel.
  • Konsequente Strafverfolgung
    In einem letzten Punkt hat sich der Gipfel aber neben Präventionsarbeit und Förderungen von Jugendlichen auch für die konsequente Verfolgung von Straftaten ausgesprochen. So sollen etwa Verfahren beschleunigt werden.

Jugendgewalt: Nächster Gipfel für 22. Februar geplant

Konkret ausgearbeitet wurden die Punkte bislang noch nicht. In einem Ergebnispapier der Sitzung heißt es, bestehende Angebote sollen geprüft und anschließend gegebenenfalls ausgebaut werden. Allerdings sagte Giffey auch, dass der Gipfel gegen Jugendgewalt lediglich der Auftakt sei und kein „einmaliges Ereignis“.

Ein weiteres Treffen kündigte sie bereits für den 22. Februar an. Bis dahin sollen Konzepte in den vier benannten Bereichen ausgearbeitet werden und der Finanzbedarf geklärt sein. Dafür soll weiteres Geld aus dem Haushalt mobilisiert werden. Unter anderen will Giffey dafür mit der Finanzverwaltung in Kontakt treten. Für März kündigte sie auch einen Beschluss des Senats an.

Auch die Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus am 12. Februar soll an dem weiteren Vorgehen nichts ändern, so Giffey weiter. Der Senat soll auch nach der Wahl und bis zur Neubildung handlungsfähig sein, so die Regierende Bürgermeisterin.

Vertreter aus der Jugendsozialarbeit zeigten sich nach dem Gipfel gegen Jugendgewalt zufrieden. „Ich bin jetzt nach dem Termin durchaus optimistisch, weil ich eine außerordentlich offene Runde erlebt habe, wo ich das Gefühl hatte, dass alle über das gleiche Thema geredet haben“, sagte Elvira Berndt, Geschäftsführerin des Straßensozialarbeitsvereins Gangway. Sie versprach, dass jener Anstoß sich gegen Jugendgewalt einzusetzen in den kommenden Monaten fortgesetzt werde und nicht in den Verwaltung versickere. Denn jugendliches Leben spiele sich nicht in Konferenzen ab, so Berndt.

CDU sieht in dem Gipfel ein Wahlkampfmanöver Giffeys

Neuköllns Bezirksstadtrat Falko Liecke (CDU) nahm ebenfalls an der Sitzung teil, sah darin jedoch eine Wahlkampftaktik der Regierenden Bürgermeisterin. „Ich weiß nicht, ob dieser Gipfel in diesem Rahmen stattgefunden hätte, wenn keine Wahlen bevorstünden“, so Liecke. Denn Jugendgewalt sei schon seit Jahren in vielen Berliner Bezirken ein Thema und nicht erst seit der vergangenen Silvesternacht. Als positiv beschied er aber, dass nun etwas passiere.

Ähnlich kommentierte auch der CDU-Landeschef Kai Wegner die Ergebnisse der Sitzung. „Der Gipfel ist purer Aktionismus“, sagte er. Vier Wochen vor der Wahl entdecke Giffey, dass es Jugendgewalt in Berlin gebe. „Wenn Neuköllns ehemalige Bürgermeisterin jetzt so tut, als wäre das alles neu für sie, ist das unglaubwürdig“, so Wegner weiter.

Polizei ermittelt in vielen Fällen gegen „Unbekannt“

Indes gab es neue Details zu den Ermittlungen bei den Krawallen in der Silvesternacht. Von Polizei und Staatsanwaltschaft werde in großem Ausmaß gegen unbekannt ermittelt, sagte Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) am Mittwoch im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses. Das heißt, die Polizei muss noch versuchen, überhaupt Verdächtige festzustellen. Kreck sagte weiter, 33 Ermittlungsverfahren zu den „Gewaltexzessen“ seien inzwischen an die Staatsanwaltschaft übergeben worden. Die Polizei hatte Anfang Januar von fast 300 Ermittlungsverfahren gesprochen.

Nach Angaben der Polizei gab es nach aktuellem Ermittlungsstand 56 Angriffe auf Polizisten und 69 auf Feuerwehrleute. 47 Polizisten und 15 Feuerwehrleute seien verletzt worden. Insgesamt wurden im Zusammenhang mit Silvester 145 Verdächtige festgenommen, vor allem junge Männer. Das waren 45 Deutsche und 17 weitere Nationalitäten, darunter 27 Afghanen und 21 Syrer.

( mit dpa )